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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 1.1925-1926

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Riezler, Walter: Ford
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https://doi.org/10.11588/diglit.13211#0259

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Ford

VON DR. WALTER RIEZLER, STETTIN

f om Werkbund aus gesehen, stellt sich das Pro- aus der Exaktheit der Arbeit und der Qualität
blem „Ford" etwas anders dar, wie es sonst des Materials von selbst. Dieser Satz ist nur rich-
angesehen wird. Die rein wirtschaftliche Frage. lig, wenn ein Gegenstand aus einem Stück be-
inwieweit die Fordschen Grundsätze der Arbeits- steht. Die Form des Kraftwagens aber setzt
Organisation auf Europa anzuwenden sind, hat sich aus vielen Teilen zusammen, und wenn nun,
uns nicht zu kümmern. Die soziale Frage nach wie es in den Fordwerken geschieht, für die
dem Einfluß der Mechanisierung auf die Seele Gestaltung dieser Teile nur der Grundsatz der
des Arbeiters und nach den Möglichkeiten einer einfachsten und raschesten Herstellung gilt, und
Bewahrung der Arbeilerseele vor letzter Ver- wenn dieser Grundsatz auch bei der Zusam-
ödung ist nur insofern eine Werkbundsfrage, menfügung der Teile maßgebend ist, so müßle
als die seelische Gesundung der Menschheit eine es seltsam zugehen, wenn auf diesem Wege eine
Vorbedingung für alle Arbeit an der Neuaufrich- einheitliche und lebendig wirkende, daher
tung der Kultur ist. Was der Werkbund dazu „schöne" Form zustande käme,
zu sagen hat, ist in den beiden vortrefflichen So ist die Häßlichkeit das natürliche Ergebnis
Karlsruher Reden von Borst und Hellpach ent- eines Arbeitsprozesses, der als solcher lief in den
halten. Das Problem Ford hat aber noch eine Tendenzen der Zeit begründet ist. Damit wird
andere Seite, und deren Betrachtung führt uns die Häßlichkeit des Ford-Wagens zu einem Zei-
zu derjenigen Frage, die sich immer klarer als eben für eine der ganzen Welt drohende Ge-
die eigentliche Werkbundsfrage herausstellt. Es fahr. Wenn, wie es mit Bestimmtheit angenom-
ist das Problem der Form, in das alle Einzel- men werden muß, . das Fordsche Arbeitsprinzip
aufgaben, die sich der Werkbund stellen mag, sich auf immer größere Gebiete der mensch-
münden. Denn die „Form" — das Wort in liehen Arbeit verbreitet, so ist die Welt in Ge-
seinem tiefsten Sinn genommen — irgend eines fahr, in Formlosigkeit und Häßlichkeit zu ver-
Erzeugnisses ist der Maßstab für den Kulturwert kommen. Man kann sagen, daß von der Schön-
einer Arbeit, die DurchEormtheit einer Zeit die heit eines rein technischen Fortbewegungsmit-
Bürgschaft für die Unversehrtheit der mensch- tels nicht das Schicksal der menschlichen Kultur
liehen Kultur. Und auf die „Form" geschieht abhängt. Wenn man aber bedenkt, daß schon
von der Seite des Fordschen Arbeilsprinzipes ein heute die rein fabrikmäßige Herstellung ganzer
Angriff von rücksichtslosester Gewalt. Häuser ein Problem ist, an dem die Technik
Wer sich an der Hand des Fordschen Buches die arbeitet, so kann man ermessen, welche Gefah-
Arbeitsprinzipien der Fordwerke klar zu machen ren im Hintergrunde lauern. Die Gefahr liegt
versucht, der sieht das Ziel dieser Arbeit in der nicht etwa in dem Zwang zur größten Verein-
Herstellung eines Produktes, das nicht nur kon- fachung. Die wunderbare Wirkung von alter,
kurrenzlos billig, sondern auch in seiner loch- ganz schmuckloser Architektur ist ja bekannt gc-
nischen Leistungsfähigkeit einwandfrei ist und nug. Aber hier liegt die Schönheit in dem
jeden Ansprüchen genügt. Nur von einem Ge- untrüglichen Sinn früherer Zeilen für lebendige
sichtspunkt ist bei ihm nicht die Rede, der sonst Proportion und in dem unmittelbaren Reiz der
in der Kraftwagen-Industrie sehr wichtig ge- handwerklichen Arbeit, für die es weder eine tote
nommen wird: von der Durchbildung der Form. gerade Linie noch sonst irgendeine vollkommene
Der Ford-Wagen ist, verglichen mit sämtlichen Exaktheit gibt. Dieser Reiz des Handwerklichen
anderen Typen von Personen-Kraftwagen von ist natürlich auf dem maschinellen Wege niemals
ausgesprochener Häßlichkeit, d. h. Formlosigkeit. zu erzielen; ohne vollkommene Exaktheit ist
Man kann aus dem Vergleich sehr leicht erken- Maschinenarbeit nicht denkbar. Und was die
nen, wieviel formschaffende Arbeit sonst an Proportionen anlangt, so gilt für ein in der
einem Kraftwagen heule geleistet wird, — auch Hausfabrik hergestelltes Haus das gleiche wie für
wenn man von den modischen Ausartungen des ein Fordsches Auto: solange der Gesichtspunkt
Karosserie-Baues, der heute auch schon gezwun- der vereinfachten Herstellung ganz allein maß-
gen ist, jedes Jahr neue auffallende Formen auf gebend ist, kann man von Proportionen und da-
den Markt zu werfen, absieht und nur die ganz mit von lebendiger, einheitlicher Form über-
einfachen, heute schon so gut wie endgültigen haupt nicht reden. Die Form der Fensler, Türen
Typen in Betracht zieht. Nun ist diese Häßlich- usw. wird allein dadurch bestimmt, daß aus der
keit nicht etwa das zufällige Ergebnis einer Maschine der größte Erlrag herausgcwirlschafLei.
Nichtachtung oder eines mangelhaften Ge- werden soll, die Abmessungen einer Wand wer-
schmacks, sondern die natürliche Folge des Ford- den bestimmt durch die einfachste Teilbarkeit
sehen Arbeitsprinzips. Man hat oft behauptet, der Einzelmaße, durch die Verlademöglichkeilen
die Schönheit einer lechnischen Form ergebe sich und ähnliche Faktoren. Nicht nur die alle Form,

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