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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 1.1925-1926

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Claassen, Eugen: Deutsche Photographische Ausstellung 1926, Frankfurt a. M.
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https://doi.org/10.11588/diglit.13211#0343

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AUSSTELLUNGEN

Deutsche Photographische
Ausstellung 1926, Frankfurt a. M.

Deutschland hal seil der internationalen Ausstel-
lung in Dresden 1009 keine alle Gebiete photogra-
phischer Technik und lichtbildnerischer Darstel-
lung umfassende Überschau mehr besessen. Frank-
furt ist dieser Tage in größtem Stil an ein derarti-
ges Unternehmen gegangen. Die „Deutsche Photo-
graphische Ausstellung", die das Haus der Moden
in zwei großen geschlossenen Gruppen dicht füllt,
darf der minutiösen Vorarbeit und der Beteiligung
aller kompetenten Gruppen wegen den Anspruch
auf eine prinzipielle Auseinandersetzung mit den Ab-
sichten, dem Geist und dem Können der Aussteller
und damit der deutschen „Photographie" erheben.
Es soll hier nicht behauptet werden, daß die ver-
schiedenen Darstellungsformen, deren sich die
Ausstellung bedient, sich stets glücklich zu einem
einheitlichen Eindruck zusammenfügen. Bruch-
stellen sind in einer Zeit, in der eine hochgestei-
gerle, rein auf präzise Zwecke eingestellte wissen-
schaftliche und technische Photographie mit einer
raffinierten sich „künstlerisch" gebenden Lieht-
bildkunst konkurriert, unvermeidlich. Der aus-
stellungstechnischen Ansatzpunkte sind daher viele.
S!e verraten die große, gewichtige und sehr diffe-
renzierte Zahl der mehr oder weniger berechtig-
ten Interessen an einer Ausgestaltung und Ver-
wendung der photographischen Mittel: von den
graphischen Gewerben bis zu den bombastischen
„Ateliers'", die aus der diffizilen Technik der pho-
tographischen Reproduktionsmöglichkeiten heraus
eine typisch ..bürgerliche" Porträlkunst geschaf-
fen haben. Von der historischen Daguerreolypie
bis zur modernen akademischen Phqtofachschule.
Von der Kriminalistik, der Medizin, der Astrono-
mie, der topographischen und kartographischen
Aernaulik bis zur kunsthistorischen Inventarisie-
rung. Brieftaubenleistungen sind als Liliputgabe,
ein vergrößerter Hindenburgkopf als Mammutan-
gebinde noch eingestreut, Frankfurter Altstadt-
freunde, der Eckenerruhm, Marinebilder und
Manöverpholographcn haben die sachliche Vielge-
slalligkeil zudem um gefühlsmäßige Nuancen be-
re.eherl. Ein solches Konglomerat, dem sich in-
dustrielle und händlerische Interessen und die ide-
alistischen Leistungen der Amateure noch beige-
sellen, liegt im Wesen zeitgemäßer Messe- und
Ausstellungsorganisationen, die ihrerseits an der
Kundenwerbung logischerweise stark interessiert
sind. Die bunte Darbietungsweise schmälert das
Verdienst der Messeleiter, eine zweifellos groß-
zügig aufgebaute Ausstellung zustande gebracht zu
haben, in keiner Weise.

Der eigentliche Widerspruch, den die „Deutsche
Phptographische Ausstellung" erweckt, kann ganz
im Gegenteil durch die hier gebotene Möglichkeil

einer prinzipiellen Überschau überhaupt erst laut
werden. Die Frankfurter Ausstellung ist repräsen-
tativ genug, um güllige Maßstäbe für die Beurtei-
lung allgemein wichtiger Tatbestände abzugeben.
Der schärfste Einwand konzentriert sich auf die in
Gruppierung, Aufmachung und Bilddarbietung an
dem falschen Maßstab von Kunstausstellungen
orientierte — man möchte fast sagen — Tafel-
bildnerei, die von ..Gruppen" wie der Gesellschaft
Deutscher Lichtbildner und analogen Verbänden
repräsentiert wird. Die Prätention, mit der diese
räumlich zentrale und sachlich wichtige „künst-
lerische" Ausstellung aufgebaut ist, um die sich
die übrigen rein funktionellen technischen Teil-
darbietungen gruppieren, ist symptomatisch für
die falsche Einstellung, die sich scheinbar aller
Künstler unter den Berufsphotographen bemäch-
tigt hat. Der flüchtigste Überblick über diese Ab-
teilungen zeigt, daß die Atelierkunst, die Porträt,
Landschaft und Studie pflegt, einem gefährlichen
Ehrgeiz erlegen ist. Sie benutzt die oft verblüf-
fende Kenntnis der photographischen Technik und
der erreichbaren Einzeleffekte, ihre gute, aber un-
bestreitbare handwerkliche Position zu verschlei-
ern. Sie mimt mit allen Registern des Routiniers
Kunst. Sie glaubt, das kunstanalytische Wissen
um die Problemstellungen und um die gröberen
und feineren Reize der Malerei der letzten Jahr-
zehnte genüge, es ihr gleich zu tun. Sie entbindet
sich von der ihr durch die Reproduktionstechnik
gestellten sachlichen Aufgabe und maßt so sich
mit hemmungsloser Naivität die notwendigerweise
unverantwortliche Stellung eines Souveräns an.
Sie verabsolutiert die Mittel und vernachlässigt
schmeichlerisch das Objekt. Das Licht ist nicht
Medium und wohlverstandenes Mittel der Darstel-
lung, sondern selbst Objekt. Es rieselt spielerisch
und effektbeflissen um die ihm gleichgültigen Ge-
genstände. Es erzeugt allenthalben Dunst und
Nebel und legt sich um die Dinge dienstfreudig
als Draperie. Das Schlaglicht, die verwischte Kon-
tur, der dämmerige Hintergrund, alle Valeurs
eines farbigen Grau verhüllen die oft mehr als
banale Realität und steigern die dürftige Attrappe
zum Interessanten empor. Ein stilles und rosiges
Lichtglück berauscht den Photographen. Kein
Glanzbild, Öl-, Gummi- und Pigmentdruck be-
herrschen die Situation.

Das „Objekt", der widerborstige unauflösbare Rest
an Realität, der sich gegen die künstlerische
Effektzerlösung stemmt, bedarf der Nachhilfe.
Das Objekt wird in langwierigen Vorbereitungen
bearbeitet, frisiert, bis es der Kunst des Scheins
erliegt. Die Pose kommt dem souveränen Geslal-
lungsdrang des Lichtbildners am stärksten ent-
gegen. Seine freibeschwingten Absichten bewegen
sich einem gefälligen Partner gegenüber auf der
Bahn des geringsten Widerstandes. Der phologra-

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