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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 1.1925-1926

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Claassen, Eugen: Deutsche Photographische Ausstellung 1926, Frankfurt a. M.
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https://doi.org/10.11588/diglit.13211#0344

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phisclic Künstler braucht notwendig ein nachgie- ster Arbeit zu dokumentieren. Die Namen der .Ge-
biges, plastisches Modell. „Corriger la nature" lau- rügten tun nichts zur Sache. Die generelle Fehl-
tet die Formel! Man gruppiert das Milieu um und einstellung pointiert zu beleuchten, ist der Sinn
wieder um, bis es den Gesetzen einer kunstgerech- dieser Zeilen. Sie rufen ein Handwerk mit großen

as

ö

len Komposition genügt. Man eliminiert das Mo- und ernsten Aufgaben zur Besinnung auf: D

ment des zufälligen Bildausschnittes, den die Ka- Gegenbeispiel, das Positive, vermag, wenn auch

mera aus einer verteufelt weitschichtig aufgebau- veränderten Zwecken dienend, die bescheidenere

len Well abgrenzt, und legt auf eine geschlossene Fachpholographic zu geben.

Bildwirkung, einen natürlichen Rahmen, einen or- Die Lösung des Dilemmas, in das die Lichtbild-
ganischen Aufhau der zu fixierenden Gegenstände kunst unweigerlich gerät, ist allerdings verzwickte-
den höchsten AVerl. Man erstrebt durch dispro- rer Natur. Mit dem Beweis einer vergeblichen und
portionierende Nahwirkungen, künstlich im Atelier widersinnigen, weil sachlich widerspruchsvollen
erzeugte Flächenschatten und die Retusche des Arbeit, ist eist ein Teilproblem berührt. Die Ge-
Wattebausch ens eine Monumentalität, die täuscht, slnnung des Photographen ist trotz der im Bilde
täuschen soll, und unterläßt getrost die Suche nach vorgespiegelten künstlerischen Souveränität lelz-
<l c i' Monumentalität, die eine von Sachkennern len Endes gar nicht entscheidend. Der allgemeine
umworbene Natur nicht immer schamhaft verbirgt. Geschmack und die persönliche Eitelkeit seiner
Das Resultat dieser erschreckend geschlossenen und Klientel gibt den Ausschlag. Die Kundschaft nährt,
in ihren verfälschenden Zielen selten eindeutigen und stärkt die verfänglichen Instinkte, die sich der
Kunstbemühung liegt auf der Hand. Die offizielle anerkannten Kunst so nachgiebig bemächtigen.
Atelierkunst in ihren technisch vollendetsten Re- Widerstand des Pholographen bedeutet wirtschaft-
präsenlanlen, die sich der unumstrittenen Beherr- liehe Selbstaufgabe. Das große und kleine Bür-
schung der modernsten Errungenschaften mit gertum wünscht das Privileg der Reichen auf ein
Hecht rühmen darf, macht in großer Kunst. Sie echtes Künstlerporträt, auf die durch die Brille
übersieht, daß sie sich gerade auf diesem Wege der „Auffassung" gesehene Landschaft zu stür-
einem Schallendasein überantwortet, daß sie not- zen. Die photographische Technik verbreitert den
wendig zweitrangig ist, daß sie fertige künstle- Stamm der Berechtigten beträchtlich. Eine origi-
rische Modelle kopiert, kopieren muß, da der nelle und durch die geschickte Mischung pholo-
Stoff nichts weniger als souverän in ihre Hände graphisch erzielbarer Effekte zum einmaligen
gegeben ist, daß der scheinbaren „Auffassung" Kunstwerk gestempelte Photographie ist vollgül-
keine Möglichkeit einer zentralen und auf das We- tiger Ersatz. Zudem, man kann sie sich leisten,
sentliche eingestellten Umstrukturierung der Ge- Das moderne Lichtbild ist zivilisatorisch und sozio-
genstände zu Hilfe kommt. Sie erkennt mit weni- logisch der Kunstersatz eines Bürgertums, das ge-
gen Ausnahmen nicht das verlogene Fassadenspiel, zwungen ist, aristokratische Neigungen auf eine
das sie treibt. Sie modelt an der Hülle und will rationelle Form zu bringen. Wirtschaftlich, tech-
einen neuen Kern vorzeigen. Die Abhängigkeit nisch und geistig. Die pholographische Technik ge-
von bekanntesten und im durchschnittlichen Ge- nugt allen Anforderungen, die ein breiter Konsum
schrnacksbewußtsein typisch gewordenen Mal- und eine illusionsbereite Kunstfreudigkeit an ein
schulen erschlägt den Besucher dieser Ausstellung. rationelles und rationalisierbares Kunsthandwerk
Renaissanceallüren ä la Lenbach konkurrieren mit stellen können. Die Künstler-Photographen und
der sozialen Note von Uhde bis Zille. Leibi und das Publikum düpieren sich wechselseitig. Die
die Dachauer wetteifern mit Böcklin und den Slill- Verantwortung liegt beim Photographen, die Er-
leben der Caspar-Filser. Der Impressionismus, ziehung hat bei der Masse einzusetzen. Sie muß
flach gefaßt, als das Flüchtige, rein Optische hat lernen, selbstbewußt zu sein und sich als sich selbst
als Vorbild der Pholographen verheerend gewirkt. darstellen zu lassen. Damit kommt die photogra-
Er wird in peinliche und äußerliche Stimmungs- phische Technik und die Mittlerstollung des Photo-
mache umgedeutet. Was bleibt? Einige Köpfe graphen allein wieder zu ihrem Recht. Damit ist
Hugo Erfurths, die Plastiken Walter Höges und aber auch der Weg einer sachgerechten und sozi-
die sachlich leidenschaftliche Kunslliebhaberschaft ologisch berechtigten Rationalisierung des bürger-
der Marburger Schule Hamanns. Genug, um die liehen Selbstdarstellungsbedürfnisses beschritten,
vielen sonstigen verpaßten Gelegenheiten zu ern- Eugen Ciaaßen, Frankfurt a. M.

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Schale

Curt Scholz
Grötzingen/IIa den
 
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