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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 1.1925-1926

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Zeitlin, Leon: Mode und Wirtschaft
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https://doi.org/10.11588/diglit.13211#0381

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Mode und Wirtschaft

VON DR. LEON ZEITLIN

Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Reichsverbandes d. Deutschen Moden-Industrie e.V.

Erst seit verhältnismäßig kurzer Zeit hat man
begonnen, das Wesen der Mode und ihre
Bedeutung für Staat und Gesellschaft unter
anderen Gesichtspunkten als denen eines
Kulturfaktors von mehr oder weniger zwei-
felhaftem Wert zu betrachten. Diese Tat-
sache findet ihren charakteristischen Aus-
druck darin, daß für die Erörterungen über
das Thema Mode und das, was damit zusam-
menhängt, in der Tagespresse eigentlich nur
das Feuilleton, der Unterhaltungsteil und
die Frauenbeilage zur Verfügung standen.
Soweit die Mode Gegenstand wissenschaft-
licher Behandlung war, sind es hauptsäch-
lich Kultur- und Kunstgeschichte sowie die
kunstgewerbliche Literatur, die sich mit
diesem komplizierten soziologischen Problem
befassen. Die Zusammenhänge zwischen
Mode und Wirtschaft, die selbstverständlich
immer bestanden haben, fanden dagegen
wenig oder gar keine Beachtung. Daß sich
diese Zusammenhänge gerade jetzt immer
stärker in den Vordergrund des Interesses
drängen, läßt sich aber unschwer erklären.
Eine Entwicklung, die in gleicher Weise
Ursache und Wirkung einer Mechanisie-
rung der Wirtschaft ist, hat dahin geführt,
nicht nur solche Gebiete des menschlichen
Bedarfs dem modischen Wechsel zu unter-
werfen, die früher für Slilperioden von
Jahrhunderte währender Dauer kennzeich-
nend waren, sondern sie hat es auch fertig-
gebracht, die Mode — einst eine Angelegen-
heit gesellschaftlicher Oberstufen — zu
einer solchen breitester Volksschichten zu
machen. Damit aber hat die Mode von Ge-
bieten der Gütererzeugung Besitz ergriffen,
die früher ein modisch unberührtes Dasein
führten. Kleidung im weitesten Sinne des
Wortes, Schmuck-, Galanterie- und Leder-
waren aller Art, Parfümericn und kosmeti-
sche Artikel, Wirtschafts- und Einrich-
tungsgegenstände, Möbel und Beleuchtungs-
körper, Blumen, Obst, Nahrungs- und Ge-

nußmittel — diese Liste von Dingen, bei denen
es uns heute nicht im geringsten wundert,
daß sie dem Wechsel der Mode unter-
worfen sind, könnte noch erheblich erweitert
werden — sie sei aber abgekürzt und (nur
durch Nennung eines Artikels beendet, der
den Gang dieser Entwicklung am deutlich-
sten aufzeigt: das Automobil.
Dank ihrer kapitalistischen und technischen
Hilfsmittel vermag sich jedoch die Inter-
essensphäre der modisch unmittelbar und
mittelbar beteiligten Industriezweige nicht
nur räumlich immer weiter auszudehnen,
auch das Tempo des Modenwechsels wird
rascher und rascher. Wenn auch die ,,Pri-
meurs" der Mode immer kostspieliger wer-
den und daher nur zahlenmäßig sehr klei-
nen Kreisen der besitzenden Klasse zugäng-
lich sind, so folgt doch jeder neuen Mode,
mag sie in der Form noch so kapriziös ynd
im Material noch so wertvoll sein, sofort
die Nachahmung auf dem Fuß. Perlen und
Pelzimitationen können als Beispiel dafür
dienen. Sicherlich sind in diesem übergro-
ßen Wirkungsgrad der Mode und in dem
überraschen Tempo des Modewechsels alle
Gefahrenquellen kultureller und sozialer
Natur enthalten. Auch für eine Volkswirt-
schaft, deren Fundament Qualitätsarbeit
sein soll, werden die ihr dadurch gewiesenen
sozial-ethischen und geschmacklich erziehe-
rischen Ziele nur dann erreichbar sein,
wenn sie mit allen Mitteln gegen die Quali-
tätsminderung und Geschmacksentartung
ankämpft, der sich die Mode häufig bedie-
nen muß, um ihre Eintagsherrschaft über
große Massen zu erzwingen.
All denen, welche der Volkswirtschaft im
Bahmen der Gesamtkultur diese Aufgabe
stellen, erwächst freilich schon organisch
und ohne bewußte geistige Einstellung zum
Modeproblem ein wichtigerBundesgenosse in
der Neigung zu sportlicher Betätigung, die zu
einem immer bedeutsameren Kultur- und

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