Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 1.1925-1926

DOI Artikel:
Spitzen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.13211#0404

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Maschinenspitze K. Kästner

Spitzen

Mit Folgendem sei versucht, Wesen und Form-
gebung der gestickten Maschinen-Spitzen der For-
keischen Arbeitsgemeinschaft Plauen i. Vogtl. zu
umschreiben, doch sei gleichzeitig gesagt, daß da-
durch das Wesen derselben nicht zu erklären ist.
Es wirkt auf den Schauenden. Wer diese Resonanz
fühlt, braucht* keine Erklärung. Wer eine Er-
klärung braucht, wird es nicht fühlen. Denn —
Wissen und Verstand verdrängt das Gefühl. Er
sieht nur die Erscheinung, die Spitze ihrem
Äußeren nach. Er erinnert sich. — Es wird aber
nicht Erinnerung angestrebt. - Das Alte wird
bewußt ausgeschaltet — für immer. — Es be-
dingt die Überwindung der Persönlichkeit. Es
ist Teilhaftigkeit am Wirken des absoluten Seins
und der Zwang, dem Ergebnis dieses innerenWirkens
Gestalt zu geben. Es ist das Zeichen einer sich voll-
ziehenden Wandlung, das einmal entstanden, nicht
wieder und durch nichts vergeht. Mit der inneren
Form muß sich notwendig auch die äußere Form
sichtbar wandeln. Durch Material und Maschine
wird die Wandlung nicht gehemmt. Material und
Maschine lassen in ihren Gegebenheiten freieste
Bewegung zu. Je feiner sich die innere Form ge-
staltet — vervollkommnet — wird sich in gleicher
Weise auch die sichtbare Form vervollkommnen
und immer anders in Erscheinung treten. Welche
Form in Erscheinung tritt, ist sekundär. Wesent-
lich ist der Rhythmus. Dadurch können diese Ge-

Maschinenspitzen M. Eismann

Maschinenspitzen der Forkeischen

Maschinenspitze M. Eismann

bilde, hohe künstlerische und technische Werte in
sich vereinigend, sich als reine wertvolle Maschi-
nenspitzen behaupten. Dadurch hebt sich auch der
Begriff „Stil" auf. Sie sind kein Typ — kein
Genre — sie können das nicht wieder werden. Da-
durch stehen unsere Werke im Gegensatz zu allen
bisher gebrachten und bekannten Spitzen. Diese
sind meist Genre. Und die Maschinen-Spitzen sind
Nachahmungen von diesen. Und zwar konnten
und können es nur weniger wertvolle Imitationen
werden. (Phantasie-Spitzen nicht ausgeschlossen.)
Man tut das leider auch heute noch, sehr betrieb-
sam, und sucht dabei nach neuen Formen und
Effekten. Wer Formen sucht — hat keine. Wer
glaubt von außen neue Formen zu finden oder
gefunden zu haben, läuft Gefahr, von seinem In-
neren betrogen zu werden. Tut es der Fachmann,
sieht man ihm sein Plagiat an der Spitze an. —
Darum versuchen viele in unseren Spitzen neue
Formen oder der Natur entnommene Formen zu
sehen — zu vermuten. Sie suchen Motivliches —
oder Ornamentales — oder wenn sie ganz schwach
sehen, sprechen sie von einem Liniengewirr (ohne
zu wissen, daß das alles überflüssig, nicht hem-
mend oder ändernd wirken könnte, und für sie
zumindest Zeitverlust bedeutet). Sie wollen und
müssen sich bei allem immer etwas „denken" kön-
nen, sonst ist es zwecklos. Denken beeinträchtigt
fühlen. Denken entfernt — und hemmt die Wand-
lung im Menschen und somit in der sichtbaren Form.

Maschinenspitzen K. Kästner
Arbeitsgemeinschaft, Plauen i. Vo.

VERANTWORTLICH FÜR DEN INHALT: DR.-I N G. W ALTE R C U R T BEHRENDT, BERLIN W 35

328
 
Annotationen