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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 1.1925-1926

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Schütz-Wolff, Johanna: Zum Weben von Bildteppichen
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https://doi.org/10.11588/diglit.13211#0428

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Diklteppich „Silzende Mädchen"

Johanna Schütz -WolfF, Schwuljendorf

WERKSTOFF-TECHNIK-FORM

Zum Weben von Bildteppichen

Wir kennen den französischen Gobelin,
eigen ll ich nur diesen, und daneben hier und
da einen kleinen Bildleppich des Mittel-
alters : Die beiden Pole in der Geschichte
der Bildweberei. Und wenn ich sage: Der
Gobelin ist ein Bastard, so bleibt nur der
mittelalterliche Bildteppich mit allen ihm
beizuordnenden, früheren oder späteren Er-
scheinungen. Beim französischen Gobelin
vergewaltigt die Malerei selbständigen
Nachbarsloff und erniedrigt ihn zur Halb-
heit. Der Maler ist Schöpfer des Gobelins;
er berauscht sich an seinem Produkt, da er
seine Hand darin sieht, aber nicht seine
Hand, die zerstörte. Er zerstörte nämlich
das Geheimnis des Fadens, weil er es nicht

kannte. Der mittelalterliche Mensch war
viel klüger und viel sicherer. Er mall
weiche Falten mit Licht- und Schatlenab-
stufung. Er webt die Falte durch einen
Kontur oder einen Ton. Das Mittel der
Weberei ist Durchkreuzung von Fäden. Die
einfarbige Fläche, die in der Malerei tot
wäre, hat in der Weberei sinnliches Leben.
Die Plastik entbehrt Farbe ohne Einbuße.
Die gewebte Figur kann das Lichtspiel,
ohne das die gemalte Figur toi wäre, ent-
behren, da sie durch die Sinnlichkeit und
Struktur ihres Fadens, durch die Struktur
der verschiedenartigen Durchkreuzung die-
ser Fäden die Oberfläche eines Lebendigen
besitzt, wie die Bronze der Plastik lebendi-
ger Stoff ist. Papier aber oder präparierte

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