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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 2.1927

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Rading, Adolf: Wohngewohnheiten
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https://doi.org/10.11588/diglit.13210#0055

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WOHNGEWOHNHEITEN

VON ADOLF RADING

Der-mir vorliege nde Aufsatz von Herrn Dr. hätte auch keinen Sinn bei diesem Grund-
stock rührt an Fragen, deren Beantwor- rißzuschnitt,
tung von grundsätzlicher Bedeutung für Was also sollen wir tun?

den neuzeitlichen Wohnungsbau ist: sollen Fs schpim m\r ™ Ii tv

,.„• i- -.t; ■ ii-, 1jS scnemt mir vor allen Dingen nötie- nicht

wir die Wohngewohnheiten der ortsansässi- einfaph &]av;a^ , -, f 8'

0- pv, „ . j- 1 einlach sklavisch zu übernehmen, was man

C v! rUQg T V01!,dieSen VOrfindet u»d es als ^ebnis der Wohn-

Gewohnheiten unsere Planung abhängig gewohnheit zu bezeichnen,

machen oder sollen wir versuchen, durch r,

eine neue durchdachte Wohnungsanlage ?T wem8f™ in unseren Großstädten

neue Lebensformen zu schaffen? hef f.g^ade umgekehrt. Die Wohnge-

Die Praxis heutigen Wohnungsbaues hat Wf ^ Schlcksa} ^0rf? ist Er~

sich für die erstgenannte Auffassung ent- ff™ei™r hemmungslosen und bequemen

schieden. Man ist recht bescheiden gewesen, Unterneh™r- ™d Grundstückspohük die

rlpnr, w„o ™„ • l, j u x i von soz^len Hemmungen irgendwelcher
üenn was man sieht und was heute bezu- A . • ,, -t 7 , y . /
«.^„o, • i i . j-. tl. , ,,r , Art mclit weiter beschwert wird.
schuht wird, das sind im wesentlichen Woh-
nungen von Stube, Kammer, Küche oder TDas so weit> daß die °Pfer heute in
2 Stuben und Küche und so fort. Es muß Lethargie ^gen, sie merken gar nicht, was
selbstverständlich anerkannt werden, daß lhnen 8eschehen ist- Darum ist e* dringend
Seitenflügel und Quergebäude verschwun- no^endig> zunächst einmal auf rein
den sind, aber warum in aller Welt noch ^ehhcher und sozialer Grundlage in
immer dieses Festhalten am Schema der Einstimmung mit der Wirtschaftslage

„i. tt i i , das Wonnbedürfnis festzustellen und dem-
enten Unlernehmerwohnung, die sich keinen / , '

1- w , t „r , ii-, • w • entsprechend Wohnungen zu bauen.
Ueul um die Wonngewohnheiten, nicht ein- 1 J

mal um die Wohnmöglichkeiten der Be- Und warum sollte der Architekt dieses
wohner gekümmert hat. Natürlich müssen Wohnbedürfnis nicht formulieren können?
die Leute wohl oder übel in diesen Woh- Er ist kein Wundertier, er ist Glied und
nungen wohnen. Sie tun es seit Jahrzehn- Tei1 der Masse> er kennt ihre La£e> ihre
ten, denn es gibt ja keine anderen. Aber Nöte> lhre Bedürfnisse,
glaubt man wirklich, daß diese lieblos und Auf bäuerlicher Tradition beruhende
ziemlich ohne Nachdenken hergestellten Be- Wohnformen — wie sie in einigen Gegen-
hausungert unseren Lebensbedürfnissen ent- den vorkommt — wird man selbstverständ-
sprecben? ucri acnten und pflegen müssen, solange sie
Ich habe den Eindruck, daß wir heute mit der Lebenshaltung der Bewohner ver-
glücklich so weit sind, daß es gar keinen einbar sind. Aber man muß sich klar sein,
Zweck mehr hat, die Bewohner zu fragen. daß heimatschützierische Ideen um jeden
Sie kennen ihre Bedürfnisse gar nicht mehr. Preis auf die Dauer nicht durchführbar
Im Laufe der Generationen sind sie fata- sind, denn mit der Lebensform ändert sich
listisch geworden, sie haben keine Meinung auch die Wohnform.

mehr, sie machen sich gar keine Gedanken Die Zusammenfassungen unseres Jahrhun-
mehr über das, was sie nötig haben; das derts sind größer als je zuvor. Technik, In-
wäre ja doch zwecklos. Ihr ganzes Denken duslrie und Wirtschaft uniformieren das
beim Mieten einer Wohnung wird ausge- Leben. Es kann nicht ausbleiben, daß auch
füllt von der Frage : wie bringen wir unsere die Wohnung uniformiert wird. Das scheint
Möbel unter? (Die Wohnung als Möbel- aber kein Unglück, denn mit diesen Kräften
magazin.) Sind unsere Schränke nicht ist verknüpft Steigerung der Lebenshaltung,
iocm zu lang, reichen unsere Gardinen für diese wieder ist Grundlage für eine Frei-
die Fenster aus usw.? Von einem Gedanken heit der Persönlichkeit, wie sie vergangene
über die Wohnfunktion keine Spur. Das Jahrhunderte nicht gekannt haben.

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