Rauchkammertüren und Führerhäuser sind
nicht erforderlich, steht doch die Höhe
ihrer Herstellungskosten im Gegensatz zu
der durch Verminderung des Luftwider-
standes erzielten Kohlenersparnis. Hohe
Kessellage mit niedrigen Aufbauten von
gleicher Höhe, Betonung der Wagerechlen
und ruhige Anordnung von Führerhaus,
Laufblech und Vorratsbehältern sind Mo-
mente von derart hohem ästhetischen Reiz,
daß sie kleine Unschönheiten völlig über-
strahlen; sie bedingen wuchtige, schnittige
Lokomotiven, deren ansprechender Ge-
samteindruck außer Zweifel steht, obwohl
etwa der Vorwärmer etwas unorganisch
und im Widerspruch zur Betonung der
Wagerechlen in Längsrichtung quer in
die Rauchkammer eingesetzt ist (S. 280, S.
a3/i o.) oder seitlich der Rauchkammer die
behelfsmäßig anmutenden Windleitbleche
angebracht sind; sie lassen auch, unterstützt
durch die Gewöhnung an die von jeher ge-
übte Bauweise, das Bewußtsein für die Un-
zweckmäßigkeit und damit Unschönheit der
veralteten Seitenpuffer unserer Haupt-
bahnlokomotiven nicht aufkommen. Klei-
nere und kleinste Einzelteile sind in ihrer
Gestaltung von verschwindend geringem
Einfluß auf den Gesamteindruck; ihre
Formgebung richtet sich hauptsächlich
nach wirtschaftlichen, fertigungstechni-
schen Gesichtspunkten, die mit dem Be-
stimmungszweck der Lokomotive nur in
mittelbarem Zusammenhang stehen.
Die entwickelten Gedankengänge sind kei-
neswegs neu; sie haben schon der Gestal-
tung älterer Lokomotiven als Richtlinien
gedient, wie Abb. 6 zeigt. Der Unterschied
zwischen einst und jetzt liegt lediglich dar-
in, daß man den Begriff der „hohen" Kes-
sellage verschieden auslegte, daß ferner die
Achsanordnung der Entwickelung der
Technik entsprechend wechselte; hinzu
kommt die früher unmöglich gewesene und
ungeahnte Wucht und Stärke, die viele neu-
zeitliche Lokomotiven auszeichnet. Die
Dampflokomotive in ihrer heutigen Form
hat einen Grad der Vollkommenheit er-
reicht, der kaum noch überboten werden
kann; die Weiterentwickelung wird, soweit
man nicht zu den grundsätzlich neuen For-
men der Hochdruck- oder der Turbinen-
lokomotive übergeht, ausschließlich in der
Erhöhung der Leistungsfähigkeit und des
Gewichtes liegen. Nicht nach neuen For-
men suchen, sondern den gegenwärtigen
Ausdruckswillen bis an die Grenze des
Möglichen steigern, dürfte das Ziel für die
Gestaltung im Lokomotivbau der nächsten
Zukunft sein. Curt Ewald, Hannover
GÜTERZUG- UND GEBIRGS-TENDERLOKOMOTIVE DER DEUTSCHEN REICHSBAHN
Entwurf: A. Borsig G. m. b. H., Berlin-Tegel
235
nicht erforderlich, steht doch die Höhe
ihrer Herstellungskosten im Gegensatz zu
der durch Verminderung des Luftwider-
standes erzielten Kohlenersparnis. Hohe
Kessellage mit niedrigen Aufbauten von
gleicher Höhe, Betonung der Wagerechlen
und ruhige Anordnung von Führerhaus,
Laufblech und Vorratsbehältern sind Mo-
mente von derart hohem ästhetischen Reiz,
daß sie kleine Unschönheiten völlig über-
strahlen; sie bedingen wuchtige, schnittige
Lokomotiven, deren ansprechender Ge-
samteindruck außer Zweifel steht, obwohl
etwa der Vorwärmer etwas unorganisch
und im Widerspruch zur Betonung der
Wagerechlen in Längsrichtung quer in
die Rauchkammer eingesetzt ist (S. 280, S.
a3/i o.) oder seitlich der Rauchkammer die
behelfsmäßig anmutenden Windleitbleche
angebracht sind; sie lassen auch, unterstützt
durch die Gewöhnung an die von jeher ge-
übte Bauweise, das Bewußtsein für die Un-
zweckmäßigkeit und damit Unschönheit der
veralteten Seitenpuffer unserer Haupt-
bahnlokomotiven nicht aufkommen. Klei-
nere und kleinste Einzelteile sind in ihrer
Gestaltung von verschwindend geringem
Einfluß auf den Gesamteindruck; ihre
Formgebung richtet sich hauptsächlich
nach wirtschaftlichen, fertigungstechni-
schen Gesichtspunkten, die mit dem Be-
stimmungszweck der Lokomotive nur in
mittelbarem Zusammenhang stehen.
Die entwickelten Gedankengänge sind kei-
neswegs neu; sie haben schon der Gestal-
tung älterer Lokomotiven als Richtlinien
gedient, wie Abb. 6 zeigt. Der Unterschied
zwischen einst und jetzt liegt lediglich dar-
in, daß man den Begriff der „hohen" Kes-
sellage verschieden auslegte, daß ferner die
Achsanordnung der Entwickelung der
Technik entsprechend wechselte; hinzu
kommt die früher unmöglich gewesene und
ungeahnte Wucht und Stärke, die viele neu-
zeitliche Lokomotiven auszeichnet. Die
Dampflokomotive in ihrer heutigen Form
hat einen Grad der Vollkommenheit er-
reicht, der kaum noch überboten werden
kann; die Weiterentwickelung wird, soweit
man nicht zu den grundsätzlich neuen For-
men der Hochdruck- oder der Turbinen-
lokomotive übergeht, ausschließlich in der
Erhöhung der Leistungsfähigkeit und des
Gewichtes liegen. Nicht nach neuen For-
men suchen, sondern den gegenwärtigen
Ausdruckswillen bis an die Grenze des
Möglichen steigern, dürfte das Ziel für die
Gestaltung im Lokomotivbau der nächsten
Zukunft sein. Curt Ewald, Hannover
GÜTERZUG- UND GEBIRGS-TENDERLOKOMOTIVE DER DEUTSCHEN REICHSBAHN
Entwurf: A. Borsig G. m. b. H., Berlin-Tegel
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