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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 2.1927

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Horn; Woenne, Paul: Das Handwerk in der Solinger Stahlwaren-Industrie
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https://doi.org/10.11588/diglit.13210#0359

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SCHMIEDEVORGÄNGE EINES TA FELM ESSERS

1. Gespalten. 2. Kropf geschlagen. 3. Klinge gereckt. 4. Klinge gebreitet. 5. Entgratet. 6. Erl gereckt.

sache anzugüben war, so isl im schärfsten Gegen-
satze hierzu die Form und Zweck dieser Waren
äußerst vielseitig und vielgestaltig. Was gibt es
nicht allein für verschiedene Messer! Um hieraus
nur die Taschen- oder Federmesser herauszugrei-
fen, wolle man sich vor Ausen führen, daß es
Firmen gibt, die allein Tausende von verschiede-
nen Muslern dieser Messer erzeugen.
Die Solinger Stahlwaren nehmen ihren Lauf in
alle Welt, das heißt, die Industrie ist in der
Hauptsache auf die Ausfuhr angewiesen. Man
nimmt an, daß etwa 2/3 bis zu 9/10 der erzeugten
Waren ausgeführt werden. Demgegenüber ist also
der Bedarf des Inlandes gering. Diese Tatsache
drückt auch vielen Erzeugnissen in geschmack-
licher Hinsicht ihren Stempel auf, so daß mit
Recht von einem Exportgeschmack gesprochen
wird. Fast durchweg werden die Waren in gro-
ßen Mengen hergestellt, also als Massenware, Son-
derslücke kommen nur vereinzelt vor.
Sowie diese Erscheinung festgestellt ist, wird die
erstaunte Frage auftauchen: Wo ist denn in der
Massenfabrikation noch Platz für das Handwerk?
Und ganz überraschend für den Laien lautet da
die Antwort, daß das Handwerk noch in sehr gro-
ßem Maße Anteil an der Erzeugung hat, in noch
größerem Maße Anteil an der Formgebung und
Ausschmückung der Stahlwaren und nicht zum
wenigsten Anteil an der gulen und einwandfreien
Beschaffenheit, von der die Gebrauchsfähigkeil
wesentlich abhängt.

Um uns hiervon ein Bild machen zu können, wol-
len wir schnell einen Blick auf den Herstellungs-

gang einer der gebräuchlichsten Stahlware, eines
Tafelmessers, werfen. Aus einem geschmiedeten
oder gewalzten Stahlstäb — der Rute — werden
Stücke abgespalten, die in einem Ofen auf Rot-
glut erhitzt und in diesem Zustande zur Rohform
ausgeschmiedet werden. Da- anhaftende über-
schüssige Material wird abgeschnitlen, die Klingen
werden gehärtet, geschliffen und poliert (ge-
pließt). An anderer Stelle werden, wenn es sich
nicht um Stahlheftmesser handelt, die Hefte aus
einfachem oder wertvollem Holz wie Ebenholz
oder aus kostbarem Stoffe wie Elfenbein, Perl-
mult, Silber oder aus billigeren Stoffen wie Neu-
silber oder Bein, Galalith, Zelluloid oder sonst
einem Stoffe angefertigl. Häufig werden die
Hefte durch Muster in irgendeiner Weise ver-
ziert. Klinge und Heft werden dann zum Messer
vereinigt. Ganz ähnlich gestaltet sich die Anfer-
tigung anderer Stahlwaren, nur fällt bei denen,
die nicht zum Schneiden dienen, das Härten weg,
Die eigentliche Form erhält die Stahlware also
durch Schmieden. Während früher alles freihän-
dig von Hand geschmiedet wurde, während man
später etwa um die Mille des vorigen Jahrhunderts
zur Erleichterung beim Händschmieden Gesenke
gebrauchte, ging man mit der Einführung des
Kraftantriebes zum Schmieden mit Maschinen-
hammern über. Hier werden heule restlos alle
Slablwaren ,,geschlagen", denn nur vereinzelt fin-
det sich hier und da noch ein Schmied, der mit
Handgesenk oder gar freihändig schmieden kann.
Höchstens daß man handgeschmiedete Klingen
ausnahmsweise herstellt, im Gegensatz zu Frank-

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