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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 2.1927

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Riezler, Walter: Hermann Muthesius
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https://doi.org/10.11588/diglit.13210#0370

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HERMANN MUTHESIUS

Der Deutsche Werkbund verliert in Hermann
Muthesius zwar kein Mitglied, aber eine der
wertvollsten Persönlichkeiten, die als Mitstreiter
um das große Ziel des Werkbunds tätig waren.
Warum er, der unter den Gründern des Werk-
bunds war und jahrelang als Vorsitzender eine
sehr aktive Rolle spielte, schließlich ausgetreten
ist, ist niemals ganz klar geworden. Wahrschein-
lich war ihm die revolutionäre Geste, die eine Zeit-
lang, gleich nach dem Kriege, auch im Werkbund
sich breit machte, zu laut und unsympathisch, aber
er hat kein Aufhebens davon gemacht und man hat
es auch außerhalb des Werkbunds nicht ge-
merkt. Seine Arbeit ging nach wie vor der des
Werkbunds parallel, er verfolgte unsere Bestre-
bungen mit Teilnahme, und blieb auch mit der
Geschäftsstelle in Verbindung. Wie wenig er „alt"
geworden ist, beweist die Aufgeschlossenheit, die
er, im Gegensatz zu manchen seiner jüngeren Kol-
legen, noch in den letzten Wochen seines Lebens
der Stuttgarter Ausstellung gegenüber bewiesen
hat.

Seine Entwicklung ist in seltenem Maße vom
Glück begünstigt gewesen ■ und so konnte er zu
einer vollen Auswirkung seiner Gaben kommen,
— in einer Zeit, die nur Wenigen seines Berufes
dieses Glück vergönnte. Er ist keine von den gro-
ßen schöpferischen Persönlichkeilen der Baukunst
gewesen, aber kaum ein anderer hatte einen so
starken Einfluß auf die Zeit wie er. Er hat die
Jahre, die er der deutschen Botschaft in London
zugeteilt war, aufs beste genützt: er erkannte die
Bedeutung der englischen bürgerlichen Baukunst
für die Wohnform des modernen Menschen und
verwendete diese Erkenntnis zu einem sehr wir-
kungsvollen und erfolgreichen Kampfe gegen die
neudeutsche „Villa". Er studierte die englischen
Gartenstädte und wurde zu einem Vorkämpfer für
das moderne deutsche Siedlungswcsen. Gerade die
unpersönliche Form seiner eigenen Bauten — die
stark von England angeregt sind, aber nicht als
Nachahmungen wirken, weil sie auf die ganz ande-
ren Wolmgewohriheilen der Deutschen volle Rück-

sicht nehmen — ermöglichte eine so starke Wir-
kung auf eine Zeit, die erst ganz allmählich ihre
eigene Form fand.

Ebenso glücklich war er in seiner amtlichen Tätig-
keit. In der Geschichte der deutschen staatlichen
Kulturpolitik wird Muthesius einmal als eine
der wenigen starken „Referenlcn"-Persönlichkci-
ten einen hervorragenden Platz einnehmen. Sein
Aufbau der Bau-Gewerkschulen, seine Neugestal-
tung der Kunslgewerbeschulen ist eine große, un-
vergängliche Leistung. Auch sie konnte nur einem
sehr ..sachlich'' eingestellten Manne, für den die
eigene künstlerische Richtung nicht der Weisheil
letzter Schluß ist, gelingen. Noch bis in die letz-
ten Jahre hat er junge Künstler, deren Arbeiten
ihm selbst sicher nicht mehr zusagton, von deren
frischer Kraft er jedoch überzeugt war, als Kunst-
gewerbeschuldirektoren berufen, — wie er über-
haupt eine erstaunliche Kraft weniger der Ein-
Eühlüng als der Gerechtigkeit und des Geltenlas-
sens fremder Leistung gegenüber besaß. Gerade
das verlieh ihm eine seltene Eignung zu dem ver-
antwortungsvollen Amte, zu dem er berufen war.

Im Werkbund ist Muthesius zum letztenmal 191.4
auf jener denkwürdigen Kölner Tagung hervorge-
treten. Als er damals den Kampf gegen den indi-
vidualistischen Stil proklamierte und auf die Not-
wendigkeit unpersönlicher Formengebung hin-
wies, hatte er fast die ganze „Jugend" des Werk-
bunds gegen sich und man sprach vom Verrat an
der großen Sache, von dem „Händlergeist", an
dem der Werkbund notwendig zugrunde gehen
müsse. Sicherlich waren die Thesen, die Muthesius
damals vorlas, nicht glücklich formuliert, man
konnte sie falsch verstehen, — aber dahinter stand
doch die sehr kluge Erkenntnis vom nahen Ende
des Individualismus und vom Heraufkommen des
..Typus" in Baukunst und Kunstgewerbe. Er hat
das, was heule auch jene ,,Jugend" von damals
mit aller Leidenschaft vertritt, eher als viele
andere gesehen. Das wollen wir ihm nicht ver-
gessen! W. Riezler

Nachträge und Berichtigungen zu HeftIO

Der Aufsatz über die Arbeiten Ferdinand Kramers
von Paul Renner ist der Zeitschrift „Stein, Holz
und Eisen" entnommen, die im Verlag Englert &
Schlosser, Frankfurt Main, erscheint. Wir tragen
dies gern nach, da wir in dieser gut geleiteten
Wochenschrift einen verständigen Bundesgenossen
erblicken, der mit dem ehrlichen Bekenntnis zum
Fortschritt und zur Qualität eine gesunde kritische
Einstellung verbindet.

Unsere Mitarbeiterin, Hilde Zimmermann, Essen,
macht uns darauf aufmerksam, daß in Heft 10 der
„Gasherd amerikanischer Bauart" Seite 308 oben,

ein Erzeugnis der Firma Senking in Hildesheim
und der „neuzeitliche Gasherd" Seite 308 unten,
ein Erzeugnis der Firma Junkers & Ruh, Karls-
ruhe, ist.

Anschriften der Mitarbeiter dieses Heftes:

Dr. Hans Mcuscli, Generalsekretär des deutschen Handwerks- und
Gewerbekammerlags, Hannover-Walaheim, Liebrechtstr. 2Ü.

Julius Schramm. Kunstschlosser, Berlin S\V 2f), Bergmanns! r. Ii»:").

Dipl.-Ing. Horn, Studienrat, Solingen, Fachschule.

Professor Paul Woenne, Solingen, Kaiserstr. 292.

Dr. Günther Freiherr v. Perhmann, Schriftsteller, München, Prini-
regentenstr. 3.

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