Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 3.1928

DOI Artikel:
Schwab-Felisch, Hildegard: Formen und Form: soziologische Randbemerkungen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.13709#0250

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
GUILLOCHIERUNG

Pforzheimer Kunstgewerbeschule

FORMEN UND FORM

Soziologische Randbemerkungen

„Form", eine Bezeichnung aus der AVeit der
Dinge, hat ihre Bedeutung ebenfalls in der Welt
der menschlichen Beziehungen, von der aus sie zu-
rückwirkt in die Welt der Wirtschaft, der Ästhetik
und des künstlerischen Schaffens. Nichts ist ge-
eigneter, den Wandel der Bedeutimg des Wortes
„Form" innerhalb der gesellschaftlichen Sphäre
zu klären, als der Wandel des Sprachgebrauchs,
der mit verblüffender Präzision die veränderte
Lebenshaltung begleitet. Und wahrscheinlich ist
es möglich, von einer soziologischen Betrachtung
her Streiflichter auf die Form der Dinge zu wer-
fen, die der moderne Mensch in seiner Umgebung
wünscht.

Die Sportwelt der jungen Leute hat den Aus-
druck „in Form sein" geprägt. Man vergleiche
damit die Sprache der älteren Generation, die
diese Wendung nicht kannte, dagegen von den
Mitmenschen sagte, „er hat gute Formen". Der
Unterschied springt in die Augen. „In Form sein"
— das Ideal einer Jugend, der die Straffung der
Energien zum Kampf, der wachsame, gut trai-
nierte Körper, die selbstbewußte Haltung über

alles geht, und die ihre Forderung in diesem knap-
pen Ausdruck zusammenfaßt und ihn verwendet,
um den Helden des Tages zu beurteilen, wohl-
wollend, bewundernd oder abfällig — „In Form
sein" bedeutet: Startbereitschaft, Zusammenraf-
fung der Willenskraft.

Dagegen: „Formen haben". Man hat Formen,
wenn man gut erzogen ist, liebenswürdige Manie-
ren zeigt, wenn man ein gewisses Etwas in der
Geste hat, das nicht von außen her angenommen
werden kann, das vielmehr damit ausgedrückt
wird, daß man sagt: „dieser Mensch hat eine gute
Kinderstube". Man kann gute Formen haben,
ohne „in Form" zu sein. Und man kann „in
Form sein", ohne gute Formen zu haben. „In
Form sein" kann jeder Boxer, der seine Lehrzeit
im Schlachthof zugebracht hat. Der verbummelte
Spieler behält seine guten Formen, wenn er sie
hatte, auch wenn er den letzten Best Energie
verlor.

Der gleiche Wandel spielt sich in der Well, der
Frauen ab. Heute sind die jungen Mädchen in
Form, wenn sie, nach der Schablone gleich ge-

240
 
Annotationen