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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 3.1928

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Briefe über Ausstellungspolitik und Wirtschaftlichkeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.13709#0343

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BRIEFE UBER AUSSTELLUNGSPOLITIK UND
WIRTSCHAFTLICHKEIT

Sehr verehrter Herr Doktor!

Sie hatten die Freundlichkeit, sich mit dem
Aufsatz „Haltsignale" in Woche 36 von „Stein
Holz Eisen" in Heft 9 der „Form" kritisch zu
beschäftigen. Ich darf Ihnen wohl einige Worte
der Erwiderung schreiben, die Sie vielleicht in
der „Form" abdrucken.

1. Sie haben recht mit Ihrer Vermutung, daß
der fragliche Aufsatz eine Äußerung der Leitung
von „Stein Holz Eisen" sein müsse; ich habe ihn
selbst geschrieben.

2. Ich freue mich herzlich der allerdings über-
raschenden Tatsache, daß das drohende Defizit der
Pressa irgendwie abgewendet worden ist; ich bin
überrascht, aber ich freue mich.

3. Sie würden aber auch im Falle eines nam-
haften Defizits sagen: Wir müssen Kulturpolitik
treiben, und diese rechtfertigt auch Ausgaben, die
„in der rechnerischen Bilanz zahlenmäßig nicht
hervortreten können", also auf deutsch entweder
Schulden oder finanzielle Opfer.

4. Opfer müssen freiwillig gebracht werden:
die Opfer, die eine Kommune bringt, sind zwangs-
mäßig eingetriebene Steuern. Der Vergleich uiil
den Repräsentationsbauten der Industrie liiukl
also nicht nur in dem von Ihnen selbst angeführ-
ten Sinne.

:">. Mir scheint. daß Kultur der restlose und bar
monische Zusammenklang aller Lebensäußerun-
gen eines Volkes ist. Wollen Sie heute wirklich
den Gedanken der Wirtschaftlichkeit als Kultur-
faktor ausschließen? Es ist unnötig, durch Auf-
wand „große Wirkung auf das Ausland" erzielen
zu wollen oder aus Kulturrücksichten erzielen zu
müssen (nebenbei ein Erfolg, den sich heutzutage
heinalie jede Ausstellung zuschreibt). Denn auf
das Ausland machen wir auch ohne Kostspielig-
keiten Eindruck, die Beispiele brauche ich Ihnen
kaum anzudeuten: eines davon liegt buchstäb-
lich in der Luft, andere sind bei den zahlreichen
Studienkommissionen zu erfragen, die fort-
während Deutschland bereisen.

6. „Heim und Technik" habe ich deswegen hoch
bewertet, weil diese gewiß bescheidene und be-
scheiden aufgemachte! Ausstellung „innere Mis-
sion" getrieben hat (Sie zeihen mich dafür der
Kirchturmpolitik): sie versuchte den Kulturstand
an wichtiger Stelle des eigenen Volkes zu heben,
Das schien mir wichtig. Ich verwechsele weder

hier noch sonst den Unterschied zwischen Kultur
und Zivilisation.

7. Sie freuen sich, wenn ich gesagt habe, die
Nutzanwendung aus dem vermeintlichen Kölner
Defizit solle die Berliner Bauausstellung ziehen.
Ich sagte wörtlich: die praktischen Folgerungen
könnte am besten und ersten der Verein Bauaus-
stellung Berlin ziehen. Und als zweiter? Nun
eben der Deutsche Werkbund, dessen kommende
Kölner Ausstellung doch wohl einen Schatten auf
Ihre Ausführungen geworfen hat.

8. Sie dürfen mich keinesfalls mißverstehen, als
ob ich die Kölner Pläne des Werkbunds stören
wollte. Wir alle, Freund wie Feind, sind dem
Werkbiind für seine bahnbrechende Stuttgarter
Ausstellung von 1927 auf lange Zeit hinaus ver-
pflichtet. Für 1932 hat sich der Werkbund eine
noch viel größere und schwierigere Aufgabe ge-
stellt: Die Darstellung der gesamten Kultur unse-
rer Zeit. Und hier wiederhole ich: Wir sind nicht
nur das „Volk der Denker und Dichter", der
Künstler und Techniker, das Land imponierender
Industrie, wir sind — und das erkennt eben auch
das Ausland — auch das Volk der wirtschaftlichen
Denkweise, endlich aber und leider nicht zuletzt
sind wir ein armgeinaehtes Volk. „Die neue Zeit"
darf, wenn sie wahr sein und alles erfassen will,
nicht an diesem Faktor vorbeigehen wollen; denn
es ist noch nicht entschieden, ob nicht das poli-
tische und materielle Unglück unseres Volkes auch
ein Glück und ein unschätzbarer Ansporn gewor-
den und gewesen ist. Die „Neue Zeit" muß) dem
meines Dafürhaltens nicht nur inhaltlich, sondern
auch in Organisation und Aufbau Rechnung tra-
gen: auf eine kurze Formel gebracht: Aus wenig
viel machen.

9. Hiermit im Zusammenhang: Wenn Sie mir
als ernsthaftem Menschen einen Vergleich zwi-
schen Pressa und Heim und Technik nicht zuge-
traut hätten, so hätte ich wieder Ihnen nicht Ihren
vorletzten Satz zugetraut, welcher lautet: „Denn
alle Qualität und alle Kultur, alles, was Schön-
heit beißt, hat nun einmal den Beigeschmack von
Überfluß." Damit negieren Sie beinahe den Sinn
des „Werkbunds". Schönheit hat mit mehr oder
weniger Geld rein gar nichts zu tun. Qualität nur
innerhalb gewisser Grenzen. Blättern Sie doch
einmal in den Hellen der „Form", z.B. in jenen,
wo Sic Arbeilen von Otto Jlaesler — um das ekla-
tanteste Beispiel zu nehmen — veröffentlicht
haben: Da haben Sie alles, Schönheit, Qualität,

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