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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 5.1930

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Müller, Hermann: Zum Programm der Ausstellung Die neue Zeit
DOI Artikel:
Schwab, Alexander: Zur Abteilung: "Städtebau und Landesplanung"
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https://doi.org/10.11588/diglit.13711#0105

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Nähere Ausführung der hiermit gegebenen Grund-
linien des Ausstellungsplanes würde an dieser Stelle
zu weit führen.

Ich komme zum Schluß. Welche Aufnahme der
vorstehende Vorschlag, der nicht als Gegenvor-
schlag, vielmehr als Abwandlung zum Programm
Ernst Jäckhs richtig verstanden wird, finden
mag, — eins, glaube ich, wird er von neuem zeigen,
nämlich wie reich, fruchtbar und voller Gestaltungs-
möglichkeiten die Ausstellungs-Idee .,Die Neue Zeit''
ist. Darum aber droht dieser Idee auch eine ver-

hängnisvolle Gefahr: nämlich, daß ihre Gestaltung
eben durch diesen Reichtum sich zu Zielen und
Wegen verführen läßt, die praktisch nur im
Stückwerk enden können. Sie vor dieser Gefahr zu
bewahren, darin liegt vielleicht eine fast ebenso
große Schwierigkeit, wie sie Ernst Jäckh mit
Grund in der Aufgabe sieht, zu seinem gewaltigen
Werke die rechten Mitarbeiter zu finden. Wenn der
vorliegende Entwurf zu seinem Teile helfen würde,
jene Gefahr zu bannen, hätte er seinen Zweck er-
reicht.

ZUR ABTEILUNG: „STÄDTEBAU UND LANDESPLANUNG

ALEXANDER SCHWAB

I.

Zuvörderst: Zwar gab es Städtebau als bewußte
Kunst immer; er entsteht zusammen mit der Stadt
selbst. Auch gibt es Landesplanung von jeher, so-
bald irgendwo die nomadische Lebensform einer
seßhaften weicht. Seehafen. Strom, Furt, Gebirgs-
paß, Oase, weiterhin Straße, befestigtes Lager, Vor-
ratshäuser, Markt sind Elemente und Mittel solcher
Landesplanung in aller Geschichte.

Könige, Priesterkasten, Aristokratien der Geburt,
des Landbesitzes oder des Geldes waren es, die
diese Planmäßigkeit der Siedlung als Werkzeug
handhabten zur Organisation ihrer Macht, zur Aus-
nutzung des Landes und seiner wirtschaftlichen
Kräfte, zur Beherrschung unterworfener und zur Ab-
wehr feindlicher Völker.

Die Neue Zeit ist dies, daß Städtebau und Landes-
planung aus einer Angelegenheit der Könige, der
Adels- und der Priesterkasten zu einer Sache des
Volkes werden. Dies gab es bisher noch niemals.

II.

Man könnte sagen: das gibt es auch heute noch
nicht.

Richtig. Aber es ist im Werden. Und das muß
so sein. Denn Könige vom alten Schlage gibt es
nicht mehr, sie kommen nicht wieder, und wir könn-
ten sie auch nicht brauchen. Auch eine regierende
Priesterkaste, die die weltlichen Dinge ordnet, wie
1 m alten Ägypten, gibt es nicht mehr, und die inter-
nationale Plutokratie unsrer Tage hat mit dem Pro-
blem so wenig zu tun wie mit irgendeiner anderen
konstruktiven Aufgabe.

Auch der Fachmann, den wir gestern noch ange-
betet haben, hat heute begonnen von seinem Thron
Zu steigen, und morgen wird er unter uns in Reih
und Glied stehen.

Könige, Priesterkasten und Aristokratien hatten
Ziele, für oder gegen das Volk, oder über seine
Köpfe hinweg. Sie setzten Ziele und konnten dar-
um eine Richtung angeben. Der Fachmann hat
niemals Ziele gewußt. Daß wir uns abgewöhnen, ihn
nach Zielen zu fragen: das ist ein Stück Neue Zeit.

(Außer, er wäre etwa — abgesehen vom Fach —
ein Führer. Ein Kopf. Wie selten ist das.)

Schlußfolgerung: für Köln 1932, Abteilung
„Städtebau und Landesplanung" — Fachleute

heran! Aber nur für Mittel und Wege. Und nur,
wenn sie sich in diese Beschränkung fügen.
Wenn sie sich strikte der Oberleitung fügen,
die das Ziel formuliert.

III.

Der Versuch einer neuen Zielsetzung (beschei-
dener: einer neuen Zielweisung) ist vielleicht über-
haupt die zentrale Aufgabe der Kölner Ausstellung.
Wenn irgendwo, so ist das in der Abteilung „Städte-
bau und Landesplanung" nötig und aktuell.

Denn daß etwas zur Sache des Volkes wird (zu
werden beginnt!), das bedeutet ja doch bei weitem
nicht, daß jeder nun gleich weiß, was zu geschehen
hat, bedeutet nicht im geringsten, daß Führung und
Zielsetzung nun überflüssig sei.

Im Gegenteil: gerade hier beginnt erst das histo-
rische Problem. In der Politik nennt man es: Führer-
problem. — Genug davon, vorläufig.

IV.

Versuchen wir, den gegenwärtigen materiellen
und geistigen Standort des Städtebaues zu bestim-
men. Aus dem hiermit umrissenen Bezirk wäre für
eine Schau im Rahmen der Ausstellung „Die Neue
Zeit" der Stoff zu gewinnen, und in diesen Bezirk
hinein müßte zugleich die Linie treffen, die diesen
Stoff mit dem — anderwärts gewonnenen — Ziel
verbindet und dadurch ordnet.

Konkret gesprochen: woran muß ein Stadtbaurat
denken, wenn er sich anschickt, das Programm sei-
ner Amtstätigkeit für die nächsten 10 Jahre aufzu-
stellen? Er muß denken an ein ausgedehntes und un-
geheuer kompliziertes Feld von Realitäten, das —
in fließenden Grenzen — übergeht in die Gebiete
Geologie. Klima, Politik. Wirtschaftsstruktur, Ar-
beitsmarkt. Bevölkerungsbewegung, Kulturtradition,
Sozialpsychologie —

— und zweitens muß er wissen, was er will. (Oder
auch: was er soll. Das ist kein Unterschied.)

V.

Es mag auffallen, daß in dieser Uberschau das
Wort „Kunst" völlig fehlt. Es ist mit Bewußtsein
fortgelassen. Nicht etwa mit dem Bewußtsein einer
Überlegenheit, die einzig dem Nutzen das Recht auf
Existenz zuspricht: vielmehr aus dem bewußten Ge-

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