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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 5.1930

DOI Artikel:
Schwab, Alexander: Baupolitik und Bauwirtschaft, [7]
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https://doi.org/10.11588/diglit.13711#0417

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RUNDSCHAU IN BAUPOLITIK UND BAUWIRTSCHAFT

ALEXANDER SCHWAB

DER TOTE PUNKT

Ankurbelung ?

Wenn es nach dem Willen und den programma-
tischen Erklärungen der Regierung ginge, so wäre
beim Erscheinen dieses Heftes schon der Tiefpunkt
der Krise, die auf dem Baumarkt lastet, überwunden.
Wenigstens wären dann schon die neuen Gesetze
vorhanden, von denen man sich die entscheidende
„Ankurbelung" verspricht. Aber man braucht noch
kein Pessimist zu sein, um schon vorher zu wissen,
daß auch jetzt nichts so heiß gegessen wie gekocht
wird. Die allgemeine Wirtschaftslage läßt noch
keine Anzeichen erkennen, die auf baldige Uber-
windung des toten Punktes hindeuteten: insbeson-
dere hat die außerordentliche Flüssigkeit des Mark-
tes für tägliches Geld noch immer keine Auswir-
kung am Markt für langfristige Kredite gehabt, wie
sie die Bauwirtschaft braucht.

Allgemein hofft man zwar auf eine solche Aus-
wirkung und beruft sich dabei auf die früheren Er-
fahrungen, auf den normalen zyklischen Verlauf in
Vorkriegszeiten. Noch viel zu wenig ist erkannt —
und deshalb muß es immer wieder gesagt werden—,
daß dieser normale Verlauf, mindestens soweit das
Baukapital in Frage kommt, bei der allgemeinen Ver-
fassung des deutschen Kapitalmarktes der Nach-
kriegszeit überhaupt nicht so bald wieder in den
Bereich der Wahrscheinlichkeit tritt. Die Knapp-
heit, die an diesem Markt — gleichgültig aus wei-
chen Gründen — bis auf weiteres andauern wird,
verbindet sich mit einer veränderten psychischen
Einstellung, die mehr auf raschen Umschlag und
hohe Rente als auf Sicherheit sieht (und bei der
enormen Verschärfung des Existenzkampfes auch
sehen muß), so wird das übersteigerte Zinsniveau
aller langfristigen Kapitalanlagen, vor allem aber
der Baukapitalien, mit einer Zähigkeit festgehalten,
die mit normalen Vorkriegsverhältnissen nichts mehr
gemein hat.

Diese Lage wird zwar offiziell nicht zugegeben,
ein wenig aber hat man ihre Schwierigkeit doch wohl
gefühlt, und so will man denn, um den toten Punkt
zu überwinden, mit verschiedenen Maßregeln die
Wirtschaft „ankurbeln", in der Hoffnung, daß sie
sich dann schon selbst weiterhelfen wird.

Das Schlüsselgewerbe.

In den letzten Wochen fand sich daher die Bau-
wirtschaft, nicht ohne eine gewisse Überraschung,
plötzlich mitten im Scheinwerferlicht der hohen
Politik. Leider hat dieses Licht, wie das nun einmal
bei Scheinwerfern ist, fast nur Oberflächen beleuch-
tet, ohne die innere Struktur plastisch hervortreten
zu lassen; ja es hat zeitweise mehr geblendet als
erhellt.

„Urplötzlich auf dem Felde draus" begehrte man.
das Baugewerbe solle wieder in die Lage versetzt
werden, seine Funktion als Schlüsselgewerbe wirk-
sam auszuüben. Und dabei dachte man nicht nur
an Kanäle, Straßen und Eisenbahnen, sondern sogar
an Wohnungen. Ein zusätzliches Programm von 35-

bis 45 000 Wohnungen wird versprochen, das etwa
150 000 Bauarbeitern Beschäftigung geben und
durch den Bedarf an Rohstoffen und Halbfabrikaten
die Wirtschaft beleben soll. In ihrem Aufruf ver-
spricht die Regierung, für dieses Bauprogramm
Gegenden auszusuchen, in denen nicht gerade ohne-
hin ein baldiger Uberfluß an Wohnungen vorauszu-
sehen ist. Das ist sehr gütig, wenn man bedenkt,
daß ja wohl irgendjemand diese Wohnungen wird
verwalten und für die Verzinsung aus den Mietsein-
gängen wird aufkommen müssen. Und damit nicht
der Inlandsmarkt für das Baukapital in Anspruch
genommen werden muß, will man sogar Auslands-
gelder heranholen.

Das Sanierungsprogramm der Regierung hat man-
cherlei herbe Kritik erfahren; dieser Teil jedoch,
seltsamerweise, am wenigsten. Vergessen ist, bei
der Regierung wie bei ihren Kritikern, alles, was
Dr. Schacht seinerzeit, gleichgültig ob mit Recht
oder mit Unrecht, gegen die Verwendung von Aus-
landskapital für den Wohnungsbau gesagt hatte:
vergessen allerseits der konsumtive Charakter der
Wohnungswirtschaft, vergessen alle Bemühungen —
anläßlich der Programmvorarbeit für die Berliner
Bauausstellung — zu klären, was der Begriff „pro-
duktives Bauen" bedeuten könne. Vergessen auch,
daß die Städte nicht freiwillig, sondern unter außer-
ordentlichem Druck jene scharfen Maßnahmen zur
Konsolidierung ihres Kredits ergriffen hatten, unter
denen heute der Baumarkt seufzt. Vergessen, daß
die Regierung — nicht nur die jetzige sondern bisher
noch jede — zahlreiche schwere Unterlassungs-
sünden auf dem Gewissen hat, daß noch niemals
die Richtlinien für die Verteilung der Hauszinssteuer
rechtzeitig fertig waren, daß die oft wiederholte
Anregung, das Haushaltsjahr auf den 1. Januar zu
verlegen, noch niemals ernstlich geprüft worden ist,
daß die öffentlichen Aufträge niemals im Sommer
in genügendem Umfange zurückgehalten, im Winter
und in der Krise in genügendem Umfange eingesetzt
worden sind.

Schließlich: vergessen, daß es eine Reichsfor-
schungsgesellschaft gibt, die eigentlich schon längst
die Probleme einer wirksamen Ankurbelung des Bau-
marktes hätte klären müssen. Davon noch später.

Produktiver Wohnungsbau.

Es ist gar nicht ausgeschlossen, daß man unter
Umständen den Wohnungsbau als produktive Kapi-
talsanlage gelten lassen und infolgedessen auch
aus ausländischen Anleihen finanzieren kann. Nur
kommt alles darauf an: unter welchen Umständen.
Die Frankfurter Wohnungstagung hat auf ihre Weise
versucht, diese Frage zu beantworten, indem sie
auf die Industrie-Umsiedlung hinwies. Man kann den
Resultaten dieser Tagung mit großer Skepsis gegen-
überstehen und z. B. — wie der Referent — der An-
sicht sein, daß man in Frankfurt mit einer im
Grunde politischen Ideologie gearbeitet hat; trotz-
dem wird man bedauern müssen, daß die Regierung

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