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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 5.1930

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Rundschau
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RUNDSCHAU

DISKUSSION ÜBER DEN ZEILENBAU

Zur Problematik des Städtebaues

Zu meinem gleichartig überschriebenen Aufsatz
aus Heft 7/1930 der „Form" sind in Heft 9 einige
Meinungsäußerungen erfolgt, auf die ich zur Klarstei-
lung meiner Ausgangsabsichten um so mehr ein-
gehen muß, als die Diskussion zum Teil vom Wesent-
lichen und Entscheidenden ablenkt und zu einer gar
nicht notwendigen Rettung des Zeilenbaues Neben-
sächlichkeiten in den Vordergrund stellt. Professor
Alfred Fischer, Karlsruhe, betrachtet meine nach
Norden orientierte Kochnische des nach Süden ge-
öffneten Hauptwohnraumes als bedenklich und ge-
sundheitsschädlich! Was den ferner von ihm er-
wähnten Typ A betrifft, so sind, wie der Lageplan
ausweist, unter 101 Häusern nur 4 davon errichtet,
um große Raumeinheiten für Kleinwohnungen auszu-
probieren und den Bewohnern nach eigenem Bedarf
die innere Ausgestaltung, evtl. durch variable Wände
zu überlassen, zur Überwindung nämlich jener me-
chanistischen und kasernierenden Tendenzen, die
der moderne Siedlungsbau zweifelsohne reichlich
genug enthält. Hätten diese 4 Probehäuser ein
Steildach, so wäre die Treppe im 2. Obergeschoß so-
wieso da, und kein Hahn würde darum krähen. Die
oft zitierte Hausfrau wieder einmal an den Haaren
herbeizuziehen, liegt kein Grund vor. Ich breche eine
Lanze für den allzusehr vernachlässigten Hausherrn,
der ja auch schließlich Lebensrechte hat und dem
eine 25prozentige Ersparnis an Straßenbaukosten
nur angenehm sein kann. Abschließend darf es ge-
nügen, hier mitzuteilen, daß gerade diese 4 Probe-
typen A von den Bewerbern besonders begehrt
werden.

Auf der anderen Seite kann ich Walter Schwagen-
scheidt im wesentlichen nur zustimmen: er hat
sicherlich die Idee der Raumproportion in ihrer je-
weiligen Wandlung erfaßt und es freut mich, daß er
den gegenteiligen Stumpfsinn nicht auszudenken
vermag. Ich auch nicht.

Zuletzt bricht Dr. Lötz eine Lanze für die
Zeilenbauer, indem er betont, daß der Zeilen-
bau den augenblicklichen Forderungen in hohem
Maße entspricht. Ich danke ihm besonders, da sich
in meiner Siedlung Düsseldorf-Gerresheim nicht we-
niger als 7 Nord-Südzeilen für die sechsräumigen
Häuser und eine ost-westliche große Zeile für die
vierräumigen Häuser befinden. Aber bei ihm liegt
der Schwerpunkt auf dem Wort ..augenblicklich".
Wie er auch erwartet, „daß diese Siedlungskom-
plexe von neueren, späteren, die sicher nach einem
Qanz anderen System aufgebaut werden, wieder
durchsetzt werden"! Eine Problematik, um die ich

mich selbst nicht erst seit heute bemühe. Er attak-
kiert ferner ein wenig meine proportionalen Beden-
ken. Ich selbst meinte eindeutig das Verhältnis der
räumlichen Proportion in sich, das ein ästhetisches,
also ein ethisches Problem ist, von Menschen auf-
gestellt und nur für den Menschen überhaupt vor-
handen. Ist dieses Verhältnis in sich schlecht, dann
ist es auch notwendigerweise unter Einbeziehung
des menschlichen Maßstabes schlecht. So wird es
auch z. B. in der Dammerstock-Siedlung durch jenen
Einwand nicht erträglicher. Daß in dieser Siedlung
ein einzelnes Eckhaus mit einem ungeheuren Beton-
sturz am Dachgarten versehen ist, das ist wirklich
kein Gegenargument. Und auch sonst könnte ich
mehrfach eindringlich fragen: Wieso? Etwa zuletzt,
wenn er die Leute, die den Zeilenbau mit geschaf-
fen haben, in Schutz nimmt. Zeilenbauten in kon-
sequenter Abkehr von der zufälligen Bauflucht habe
ich bereits im Januar 1919 in meinen „Wohnstäd-
ten der Zukunft" vorgeschlagen, wo auch das Lau-
benhaus, das Doppelstockhaus und a. m. zu finden
sind, einschließl. der niedrigen Randbebauung durch
Läden. Büros usw. Aber ich freue mich, wenn mich
einmal jemand in Schutz nimmt! Eine historische
Übersicht über die Entwicklung des Zeilenbaues
befindet sich im Jahrgang 1929 von „Stein, Holz,
Eisen".

Aber, wie am Anfang gesagt, diese fachlichen
Detaildiskussionen lenken vom Wesenskern der
Sache ab. Es handelt sich letzthin um weltanschau-
liche Dinge ernstester Art, um den beginnenden Ab-
schluß eines übermechanisierten Zeitalters. Schluß
mit der Apotheose der Nummer, Schluß mit der An-
betung der Maschine. Götzendämmerung läßt sich
niemals aufhalten! de Fries

Zum Zeilenbau der Dammerstock-Siedlung

Vor etwa einem Jahr rief mich mein Buchhändler
an, ob es wahr sei, was man sich gerüchtweise er-
zähle — nämlich der Architekt Le Corbusier habe
..alles widerrufen"! Damals hatte Le Corbusier
irgendwo einen Artikel gegen die kunstfeindlichen
Tendenzen verschiedener jüngerer Architekten ge-
schrieben und schon ging ein Aufatmen durch die
kleine Welt: es ist also doch nicht so schlimm —.

Wenn ich den Artikel von Behne in Nr. 6 der
„Form" so lese, wie ihn jene kleine Welt liest, so
bin ich bloß froh, daß Adolf Behne nicht so berühmt
ist wie Le Corbusier. Sonst könnten wir heute
schon in allen Käseblättern lesen, mit dem Zeilen-
bau und dem Flachdach sei es nichts — der gute

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