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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 5.1930

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Rundschau
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BILLIGE TAPETEN

Bauhaus-Tapeten, Rolle 0.90 und 1.10 RM. Hersteller: Gebr. Rasch & Co., Bramsche b. Osnabrück

Papier-tentures projete par le „Bauhaus"
Wall-paper designed by the „Bauhaus"

Diese Abbildungen sind dem Buch „Wie richte ich meine Wohnung ein ?", Verlag Hermann Reckendorf G.m.b.H., Berlin SW 48, entnommen

Die Tapete wurde eine Zeit lang von den moder-
nen Architekten vernachlässigt, man zog es vor, dem
Innenraum einfach einen Anstrich zu geben. Das
zeigte sich besonders bei der Weißenhof-Siedlung in
Stuttgart, und die Folge war, daß die Tapetenindu-
strie sich laut zum Protest meldete. Mit Recht
konnte man diesen Protest mit dem Hinweis beant-
worten, daß es keine Tapeten gibt, die dem Sinn des
modernen Innenraums entsprechen. Die aufdring-
liche Musterung, ob sie nun in großen Blumen, in Chi-
noiserien oder in modernen Zickzacklinien gehalten
war, gibt dem modernen Raum eine unangenehme
Begrenzung und zerstört die ruhige und klare Wir-
kung der modernen Möbel. Die endlose Wieder-
holung des Rapports auf jedem Stück Wand, das zu
sehen ist, wirkt ermüdend und muß jede Empfäng-
lichkeit für die Feinheit eines Ornaments ausschlie-
ßen, selbst wenn das Ornament gut sein sollte
Genau so ist es mit der Farbe, die Tapeten sind bis-
her in recht starken wenn auch gebrochenen Far-
ben gehalten und eine mechanische einheitliche
Färbung aller vier Wände ertötet jeden Wert und
jede Wirkung einer Farbe. Verständlich ist es daher,
daß die modernen Architekten dem Raum nur eine
Ganz helle Farbigkeit mit dem Anstrich gaben, ja
allermeist reines Weiß bevorzugten oder Teile der
Wände in bestimmten Farbflächen hielten. So ist
es möglich, eine Farbe, etwa ein helles Gelb, in der
Quantität anzubringen, die dem Gehalt der Farbe
und ihrer Wirkungsmöglichkeit entspricht.

Nun hat die Tapetenindustrie sich aber allmählich
auf diese modernen Bedürfnisse eingestelllt, voran
diejenigen Firmen, die besonders teure Tapeten her-
stellen. Die ganz einfarbige helle Tapete benötigt
Ja auch ein verhältnismäßig hochqualifiziertes Mate-
r|al und beste Drucktechnik, und ganz einfarbige
Tapeten sind daher viel zu teuer. Wegweisend auf
diesem Gebiet waren die Erzeugnisse der Firma

Salubra, Grenzach, und Gustav Carl Lehmann in
Köln, es folgten bald einige Firmen mit billigeren
Tapeten, die hellere Töne mit ganz einfacher Muste-
rung herstellten. Dies konnte vor allen Dingen er-
reicht werden durch Zusammengehen mit Baugesell-
schaften, die ihren Mietern die Auswahl unter den
Karten einer Firma vorschrieben. So entstand die
Gruppe der sogenannten Siedlungstapeten.

Nun hat das Bauhaus zusammen mit der Firma
Gebr. Rasch & Co., Bramsche bei Osnabrück, eine
Karte von modernen Tapeten herausgegeben, die
sich besonders durch ihre Billigkeit auszeichnet.
Hier ist nun ein Weg beschritten worden, der sehr
vernünftig und richtig ist. Man mußte bei der Billig-
keit von der gänzlich ungemusterten Einfarbigkeit
abgehen, wollte aber sehr helle Tönungen bringen.
Hier herrscht ein ähnliches Prinzip wie bei dem billi-
gen linoleumartigen Stragula, von dem auch keine
ungemusterten einfarbigen Flächen hergestellt wer-
den können. Man hat bei den Bauhaustapeten ganz
feine Strichmuster gewählt, die nicht Muster sein
sollen, sondern nur der Farbe in ähnlichem Sinn
einen Charakter geben, wie eine Aufrauhung oder
Körnung der Oberfläche.

Die Farbstellung ist mit Rücksicht auf ihren Effekt
in dieser feinen Musterung gewählt und man hat
seine Freude an der zurückhaltenden hellen Farbig-
keit. Die Farben sind nicht verwaschen oder bis zur
NichtWirksamkeit gebrochen und vertönt, sondern
behalten ihren bestimmten gewünschten Farbwert.

Es ist beachtenswert, daß gerade das Bauhaus
sich mit der Tapete beschäftigt hat. Nach dem Er-
gebnis zu urteilen, darf man annehmen, daß es dabei
sich nicht von irgendwelchen Faktoren hat bestimmen
lassen, bei denen es seine Prinzipien hätte zurück-
stellen müssen, sonderndaß eswirklich ernst an diese
Aufgabe herangegangen ist, um eine billige aber gute
moderne Tapetenkarte auf den Markt zu bringen. L.

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