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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 5.1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.13711#0663

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in der Gotik, besteht dieses Bedürfnis offenbar dieses Ethos ist, desto großartiger äußert es sich

nicht, — weil da der Raum aus einer ganz anderen im Bau, — sicherlich nur durch die Vermittlung des

seelischen Einstellung heraus gestaltet wird. Ich künstlerischen „Talents", das aber offenbar durch

würde nicht wagen, deshalb der Gotik die Harmonie, irgendeine sehr geheimnisvolle Verknüpfung mit der

die Vollkommenheit der Gestaltung abzusprechen, ethischen Lage seiner Zeit verbunden ist.

weil man diese Harmonie nicht eigentlich klar sehen, Sie verweisen zum Beweise dafür, daß religiöse

sondern nur beim Durchschreiten des Raumes ahnen Erhebung allein nichts hilft, auf die Kümmerlichkeit

kann. Ich würde nicht einmal in solchen Fällen be- der Kirchenbauten der Romantik. Mir will jedoch

denklich sein, wo, wie beim Parthenon, der Figuren- scheinen, als seien bei diesen Bauten der stark

fries so angebracht war, daß er in seiner eigent- vom Klassizismus beeinflußten „Neugotik" gerade

liehen künstlerischen Realität niemals gesehen wer- jene „Bedürfnisse des Auges" nach klarer Erkennt-

den konnte, oder wo, wie beim Boro Budur auf Java, nis des Raumes sehr wohl befriedigt, — besser als

das Auge des Besuchers ein unentwirrbares Chaos in der echten Gotik. Aber trotzdem taugen die mei-

vor sich hat, während sich dem Blick aus dem sten dieser Bauten nichts, weil ihre Formensprache

Flugzeug eine ganz strenge architektonische Form ohne innere Kraft und bar jedes Elementaren ist,

enthüllt. — genau so. wie es auch der Religiosität jener Zeit

In allen diesen Fällen scheint mir die künstlerische an echter Kraft und Unmittelbarkeit fehlte.

Aufgabe trotz der Vernachlässigung der Augenbe- Goethe hat sich einmal gegen die übliche Ausle-

dürfnisse restlos gelöst zu sein, — weil der innere gung der aristotelischen Poetik gewandt: „Die Voll-

Sinn des Werks Gestalt geworden ist, wie sich der endung des Kunstwerks in sich selbst ist die ewige

„Sinn" eines Baumes, der durch seine Natur be- unerläßliche Forderung! Aristoteles, der das Voli-

stimmt ist, in seiner „Gestalt" erfüllt. Und wie vor kommenste vor sich hatte, soll an den Effekt ge-

dem Baume ist es auch vor dem Bauwerk das dacht haben! Welch ein Jammer!"

Auge, dem sich dieser „Sinn" erschließt. Dieser Ich glaube immer, Goethe hat auch diesmal recht!
„Sinn" aber scheint mir beim Bauwerk allerdings

bestimmt zu sein durch die seelische Haltung, das Mit herzlichen Grüßen!

„Ethos", der Menschheit, die baut. Je gewaltiger Ihr Riezler

RUNDSCHAU

Wir entnehmen diesen Aufsatz über Adolf Loos dem soeben im Verlag Hermann Reckendorf G. m. b. H..
Berlin SW 48, erschienenen Buch von P. Westheim: „Helden und Abenteurer. Welt und Leben der Künstler."

LOOS

Unpraktisches kann nicht schön sein

,,Die scharfe amerikanische und englische Luft hat alle Voreingenommenheit gegen
die Erzeugnisse meiner eigenen Zeit von mir genommen. Ganz gewissenlose Menschen
haben es versucht, uns diese Zeit zu verleiden. Stets sollten wir rückwärts schauen,
stets uns eine andere Zeit zum Vorbilde nehmen. Wie ein Alp ist es nun von mir
gewichen. Jawohl, unsere Zeit ist schön, so schön, daß ich in keiner anderen leben
wollte. Unsere Zeit kleidet sich schön, so schön, daß, wenn ich die Wahl hätte, mir
das Gewand irgendeinerZeit auszuwählen, Ich freudig nach meinem eigenen Gewände
griffe. Es ist eine Lust zu leben."

Loos ist oder vielmehr war bedeutsamer Anreger. den „Indianerstandpunkt" zu nennen pflegt. Er ist

Weniger eigentlich durch das, was er gebaut hat — gegen den Architekten, noch mehr gegen den Kunst-

was nicht an ihm liegt, denn in Wien hat man ihn gewerbler und für — den Griechen. „Ungriechisch"

an sichtbarer Stelle nur ein einziges Mal bauen las- sagt er in seinen kämpferischen Betrachtungen, die

sen: die Fassade am Michaelerplatz, die so ganz gesammelt unter dem Titel „Ins Leere gesprochen"

phrasenlos, so ganz und gar sachlich glatt war, daß im Jahre 1921 als Buch erschienen sind. Erschienen

selbst bei dem phäakengemütlichen Wiener ein für in deutscher Sprache in dem Pariser Verlag Cres,

allemal die Gemütlichkeit aufhörte — entschiedener weil sich weder in Österreich noch in Deutschland

Anreger vielmehr durch die Kritik an dem, was er ein Verlag fand, der diese Essays zu drucken ge-

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