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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 6.1931

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Pilewski-Karlsson, Leonie: Neuer Wohnungsbau in der Sowjetunion
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Neurath, Otto: Kommunaler Wohnungsbau in Wien
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https://doi.org/10.11588/diglit.13708#0118

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Moskau. Wohnhaus der Mitarbeiter des Finanz-Volkskommissariates. Architekten: Ginsburg und Milimis

Moscou. Maisons d'habitation des collaborateurs du Commissariat des finances du peuple
Moscow. Dwelling house of the members of the Financial People's Commissariat

Urbanisten an die Ausführungen von Professor
Gropius bei dem Brüsseler Kongreß für Neues
Bauen. Das Endziel der ,.Desurbanisten" ist eine
vollkommene Auflösung der Städte, von der Stadt
Moskau soll nur ein Park mit Baudenkmälern er-
halten bleiben.

Das schnelle Wachstum der Hauptstadt bereitet
schon heute eine große Sorge. Es haben mehrere
Aussprachen von Politikern. Wirtschaftlern, Archi-
tekten und Arbeitern stattgefunden, an denen auch
Stadtbaurat May teilgenommen hat. Die meisten
von ihnen, sogar Hygieniker. haben sich für ein
weiteres Wachstum der Stadt bis zu einer Bevölke-
rungsziffer von 3 Millionen und für die bisher üb-
liche Bebauung ausgesprochen. Im Gegensatze
dazu verlangten die Arbeiter des größten Moskauer

Werkes ,.Dynamo", ohne die Theorie der Trabanten-
städte zu kennen, daß die neuen Wohnbauten in
beträchtlicher Entfernung von der Stadt, durch weite
Grünflächen voneinander und von der Stadt ge-
trennt, angelegt werden. Hernach setzte sich May
an Hand der Theorie über die Trabantenstädte für
das sofortige Unterbinden des Bevölkerungszu-
wachses im Rahmen der alten Stadt ein und für eine
ringförmige Anlage der neuen Siedlungen um Moskau
in einer Entfernung von 10 bis 35 Kilometern von
der Stadt. Die Resonanz bei der Moskauer Ar-
beiterschaft ist ein Zeichen dafür, daß erst durch
die Erfahrungen des bedeutenden westeuropäischen
Städtebauers, verbunden mit dem Massenwillen zum
neuen Lebensstandard, die praktische Durchführung
dieser gewaltigen Bauaufgaben ermöglicht wird.

KOMMUNALER WOHNUNGSBAU IN WIEN

OTTO NEURATH

Es muß uns nachdenklich stimmen, daß dort, wo
besonders entschlossene Architekten neue Wege
des Gestaltens gehen, die Wohnbaupolitik oft alles
andere, wie radikal ist: dem Architektenradikalis-
mus entspricht keineswegs immer ein sozialer Ra-
dikalismus, der das Leben breiter Massen wirklich
neu gestaltet.

Dadurch, daß einzelne Baublöcke in fortgeschrit-
tener Architektur gebaut werden, sind noch lange
nicht Neuwohnungen für die Bewohner der Elends-
quartiere gesichert, noch lange nicht eine entschie-
dene Verbesserung der Wohnkultur. Ja, die neue
Bauform ist in der Tat oft nur eine Art Kulisse, die
vielen Menschen die Tatsache verbirgt, daß die
wirklichen Wohnungen selbst in solchen modernen
Baublocks nicht selten durchaus vergangene Le-
bensformen beherbergen, altmodische Möbel und
altmodisches Dasein. Die fortschrittliche Form ist

dann nicht Ausdruck einer Wandlung der wirklichem
Lebensgestaltung.

In Wien hat der Architektenradikalismus infolge
verschiedener Umstände wenig Boden gefunden.
Die Neubauten zeigen die verschiedensten Formen*
wie sie eben entstehen, wenn in toleranter Weise
die breiten Scharen der freischaffenden Architek-
ten sich betätigen können und die Bauverwaltung
selbst nicht eine bestimmte moderne Richtung be-
vorzugt. Dennoch sind die so entstandenen Neu-
bauten als Ganzes genommen eine neuartige so-
ziale Leistung, die mit einer tatsächlichen Umfor-
mung des Lebens breiter Massen verbunden -ist.
Beglückende Neuerungen begegnen uns auf Schritt
und Tritt, wesentliche Wandlungen der wirklichen
Wohnkultur, der gesamten Lebenshaltung.

Diese mäßig neuartigen Neubauten umschließen
zwar nur mäßig neuartige Wohnungen, aber die Um-

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