Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 6.1931

DOI Artikel:
Schwab, Alexander: Anmerkungen zur Bauausstellung
DOI Artikel:
Lotz, Wilhelm: Kritik der Bauausstellung
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.13708#0224

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
men, das ist hier die Konkurrenz der Gedanken, der
Fachleute und ihrer Schulen. Und auch diese Kon-
kurrenz bleibt irgendwie verschleiert und unausge-
tragen. Deutlich wird allerdings eins: daß nämlich
die rein ästhetisch-formale Tendenz im deutschen
Städtebau entthront ist; Camillo Sitte würde diese
Ausstellung vermutlich höchst barbarisch finden,
während wir uns an den amüsanten Bildern, mit de-
nen Hugo Häring das hohle Pathos vor 1914 mit der
Gebrauchsstadt nach 1918 kontrastiert, erfreuen.

Aber von diesem Negativum abgesehen, läßt sich
nur ein einziger leitender Gesichtspunkt entdecken,
eine gewisse Sorte von Wissenschaftlichkeit, die
alles zu registrieren sucht, jedem sein Recht lassen
will und darüber vergißt, ein Ziel zu setzen oder
auch nur die Gegensätzlichkeit von Zielen heraus-
zustellen. Insofern hat der Gedanke der Lehrschau
auch hier versagt. Man hätte sich zum Beispiel
denken können, daß der Gegensatz zwischen der
Stahlhochhauspropaganda von Gropius und dem
sonst oft vertretenen Gedanken der Flachsiedlung
scharf herausgearbeitet worden wäre, sowohl rech-
nerisch als auch im Zusammenhang mit dem Lebens-
problem der Aufzucht von Kindern, und ähnlich wären
auch sonst zwischen vielen Abteilungen, die jetzt
isoliert nebeneinander stehen. Brücken zu schlagen
gewesen. Leider ist das nicht geschehen, so daß
die Fülle des Stoffes eher verwirrend als klärend
wirkt. Dennoch lohnt sich die Mühe, mehrmals durch,
die Halle I zu gehen und sich seine eigenen Gedan-
ken dabei zu machen.

Eine Würdigung von Einzelheiten ist im Augen-
blick noch nicht möglich. Es soll versucht werden,
das nachzuholen.

Bunte Schüssel,

Es hilt nichts, man muß durch das ..Deutsche
Dorf", wenn man auf das Freigelände will. Es
besteht aus lauter Wirtsstuben aus allen deutschen
,,Gauen'" mit stilgerechter Innenausstattung und alle
unter dem gleichen Strohdach, mit Kellnerinnen, die
sich in ihren Volkstrachten etwas komisch vorkom-
men. Speisekarte, Bier und Preise sind normales
Berliner Einheitsrestaurant. Eine scheußlich sin-
nige Attrappe, aufgebaut zwischen Funkturm und
Poelzigs Funkhaus. Man sage nicht, so etwas ge-
höre nach Kyritz an der Knatter. So etwas ist viel-
mehr nur in Berlin möglich.

Draußen steht dann u. a.. erbaut von Peter Beh-
rens, der „Ring der Fraue n". Richtiger wäre

,,Ring der Damen". Eine Angelegenheit von Berlin
WW, die Tageszeitungen sind voll von all den Wich-
tigkeiten, die dort vor sich gehen.

Leberecht Migge, dem Verfasser des „Grü-
nen Manifests", begegnet man immer wieder gern.
Seine Gartenbaukoje in Halle I faßt zusammen, mit
einer Mischung von Ernst und Ironie, die Entwicklung
vom Privatluxusgarten zum sozialen Grün.

Daß die Landwirtschaft und, in einem be-
sonderen Bau, das ländliche Siedlungs-
wesen breiten Raum erhalten haben, gehört
zu den besten Einfällen der Leitung. Die ver-
schiedenen bäuerlichen Gehöfte, die Hühnerfarm,
die drei Gärtnerstellen zeigen vorbildlich den
Zusammenhang zwischen rationeller Wirtschafts-
führung und planmäßiger Anlage. Damit werden
sie zu Sinnbildern der Tatsache, daß die mo-
derne Landwirtschaft nicht nur in der Form der
Getreidefarm, sondern auch in den vielerlei Ver-
edelungsproduktionen, die auf kleiner Bodenfläche
nahe der Stadt ihren wichtigsten Standort haben,
in technischer und geistiger Beziehung immer mehr
den Charakter einer Industrie bekommt, sagen wir:
zur biologischen Industrie wird. Die wissenschaft-
liche Ergänzung dieses Ausstellungsteiles, die hier
zum ersten Male gezeigte Siedlungswanderausstel-
lung, im wesentlichen geschaffen vom Preußischen
Landwirtschaftsministerium, ist ein Muster an klarer
und umfangreicher Informationsarbeit.

Zwischen all den nützlichen und verständigen
Dingen, Modellsiedlungen und Maschinen aller Art,
steht auf dem Freigelände noch manches andere.
So etwa eine Art von Tempel, der mit sakralem
Pathos darzutun bestrebt ist, daß man aus Beton
auch allerhand ganz wohnlich aussehende Dinge,
Wandplatten und dergleichen, machen kann. Das
mag schon sein, aber wenn der Propagandist uns
vom hohen Kothurn herab anpredigt, so ziehen wir
höflich den Hut und wenden uns weiter.

Sehr eindrucksvoll, nur leider etwas versteckt
untergebracht, ist die Sonderschau der freigewerk-
schaftlich organisierten Arbeitnehmer: Lei-
stungen der Baugilden, Unfallgefahr und Arbeitslo-
sigkeit der Bauarbeiter, starker Appell zur Organisa-
tion. Gut für diesmal. Ein nächstes Mal würde man
gern sehen, wie sich die Gewerkschaften die Ge-
samtgestaltung des Bauwesens unter ihrer Verant-
wortlichkeit vorstellen: die Zeit ist für solche Per-
spektiven wahrscheinlich reifer, als man es dort sich
vorstellt.

KRITIK DER BAUAUSSTELLUNG

WILHELM LÖTZ

1. Die Aufgabe.

Wenn man im Katalog der Ausstellung die Begrü-
ßungsworte und die näheren Erläuterungen des Aus-
stellungsgedankens durchliest, so hat man den
Eindruck, daß man bestrebt war, mit dieser Ausstel-
lung nicht eine reine Fachausstellung zu zeigen, die

vorwiegend von wirtschaftlichen und technischen
Gesichtspunkten bestimmt wird, sondern daß man
in Form einer Ausstellung eine kulturelle Kund-
gebung für das Gebiet des Bauens schaffen wollte,
man wollte die „grundlegende geistige und wirt-
schaftliche Wandlung unserer Zeit im Bau- und Woh-

212
 
Annotationen