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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 6.1931

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Ehmcke, F. H.: Lob der Grafik
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https://doi.org/10.11588/diglit.13708#0373

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Lob der Grafik

F. H. E H M C K E

Ein Bekenntnis zum Grafischen wird hier aus-
gesprochen. Nicht zum Grafischen im engeren
Sinne eines Spezialfaches, dessen tüchtige und
blendende Leistungen dem Sammeleifer unserer
Kupferstichkabinette willkommene Objekte sind,
sondern zum Grafischen im erweiterten und —
wenn man dieses abgegriffene Wort richtig ver-
stehen will — zeitgemäßen Sinne, dem Grafi-
schen, das nicht isoliert für sich betrachtet werden
kann, sondern das erst seinen Sinn erhält in seiner
Beziehung zum Ganzen und zum Einzelnen, in
seiner allem Lebenden verbundenen Mannig-
faltigkeit.

Nicht umsonst nehmen in unseren modernen
Kunstschulen die grafischen Abteilungen den ge-
wichtigsten Raum ein, stehen unter den Berufs-
schulen die grafischen im Vordergrund des all-
gemeinen Interesses. Das ist kein Zufall, sondern
in folgerichtiger Entwicklung ist das Grafische
immer mehr zum eigentlichen Kern unserer Kunst-
erziehungsmethoden geworden. Hat doch sein
Wirkungsbereich in unserer Zeit sich weit über
jene Grenzen erweitert, die ihm ehemals ge-
zogen waren: es ist über ein bloßes Gebiet lieb-
haberischer Tätigkeit hinausgewachsen zu einer
Lebensmacht, die in alle anderen Gebiete der
Kunst, der Form, der Gestaltung einzugreifen be-
stimmt ist.

Ihre tiefste Ursache hat diese Entwicklung in
der Erweiterung des menschlichen Bewußtseins,
in der Steigerung aller überlegenden Tätigkeit
und in dem neuen Werdeprozeß bildnerischer
Gestaltung der immer mehr zur Teilung der
Arbeit, in Kopf- und Handarbeit geführt hat. Die
Unmittelbarkeit, mit der der Handwerker ehemals
in der Eingebung des Augenblicks aus dem
Material schuf und formte, hat einem Schaffen
nach planvoller Überlegung auf Grund vorge-
bildeter Entwurfszeichnungen weichen müssen;
denn die Unterordnung des handwerklich Aus-
führenden unter eine übergeordnete Leitung
machte die Zeichnung für die Verständigung un-
entbehrlich. Man mag das beklagen als einen
Verlust von Ursprünglichkeit mit allen Reizen, die
gerade ihr entsprießen, die Tatsache dieser Ent-
wicklung ist nicht wegzuleugnen.

Wohl suchte auch ehemals bei baukünstleri-
schen Aufgaben der Architekt mittels der Zeich-

nung sich und anderen klarzumachen, wie ihm
die gewollte Schöpfung vor dem inneren Auge
stehe, wohl diente verhältnismäßig früh schon
bei Zeitereignissen die Zeichnung dazu, den ge-
sprochenen oder geschriebenen Bericht eines
Augenzeugen zu ergänzen; ja sie war überall
wohl früher da als die Schrift, gleichsam als ihr
Vorläufer. Aber im allgemeinen wurden doch
landläufige Bauten — wie auch heute noch auf
dem Dorf —, wurden vor allem die Dinge des
täglichen Bedarfs ohne Zuhilfenahme des Stiftes
wie der bildsame Ton von des Schaffenden Hand
zur Form gestaltet.

In dem Maße, wie die maschinelle Herstellung
die Handarbeit verdrängte, ist auch die Bedeut-
tung des Grafischen gewachsen. Es bekommt
mit der zunehmenden Mechanisierung immer
weitere Wichtigkeit und ist aus dem modernen
Arbeitsprozeß nicht mehr wegzudenken. Und
gerade die Massenhaftigkeit des Herzustellen-
den macht die Modellzeichnung höchst gewichtig,
weil höchst folgenschwer. Dazu kommt die Ent-
stehung und Entfaltung neuer Techniken, die als
fotografische oder chemigrafische darstellend
oder ausführend einer massenweisen Verviel-
fältigung verbesserte und verfeinerte Methoden
bieten.

Die gelehrte Forschung besonders macht sich
diese Neuerungen zu Diensten. Die wissenschaft-
liche Grafik umfaßt ein weites Gebiet. Es sei er-
innert an die Zeichnungen für medizinische
Werke, an die topografischen Planzeichnungen,
an das Bildermaterial archäologischer, natur-
geschichtlicher, kunstwissenschaftlicher Werke, vor
allem an die große Bedeutung, die der grafischen
Darstellung auf dem weiten Feld der Statistik
zugefallen ist. Gewiß hat das Mittelalter reizende
Beispiele alter Kräuterbücher hinterlassen, gibt es
aus der Barockzeit medizinische Werke mit selt-
samen Darstellungen, aber das alles ist naiv, ist
vor allen Dingen der Menge nach gering, ge-
messen an dem Unmaß heutiger Produktion, die
nicht nur dem Fachgelehrtentum dient, sondern
im weitesten Sinne auf Massenbelehrung und
Aufklärung zielt. Die eigentliche Buchgrafik, die
anderen als bloß wissenschaftlichen Zwecken
dient, umfaßt eine Reihe von Techniken, von
denen in früheren Zeiten jeweils nur eine oder

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