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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 7.1932

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Renner, Paul: Verkehrswerbung, deutsche Lebensform und Kulturpropaganda
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Garagenbauten
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https://doi.org/10.11588/diglit.13707#0291

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könnte doch von ihnen nicht verlangen, daß sie auch
in allen Fragen der bildenden Kunst auf dem Laufen-
den seien. Und da sind wir nun wirklich um eine Ant-
wort verlegen. Denn der gute Wille, den ja niemand
bestreiten wird, hilft hier nicht allein. Daß an der
Spitze aller Ämter dem Modernen aufgeschlossene
Persönlichkeiten stehen sollten, wird mehr und mehr
eingesehen. Aber ein Rezept, wie man solche Per-
sönlichkeiten ausfindig machen kann, ist schwer zu
geben. Jedenfalls kann man nicht mehr auf die Wahr-
heit des Sprichwortes bauen, daß der liebe Gott
jedem, dem er ein Amt verleiht, auch den dazu nöti-
gen Verstand mitgibt. Je mehr Ämter wir bekommen
haben, um so kleiner scheint die Verteilungsquote ge-
worden zu sein. (Und das ist wohl der ernsteste Ein-
wand, den man gegen staatliche Planwirtschaft er-
heben kann.)

Wir müssen zum Schluß eilen: es hat sich ergeben,
daß einer nach modernsten wissenschaftlichen Metho-
den betriebenen Fremdenverkehrswerbung Aufgaben
zufallen würden, deren Lösung man von einer Be-
hörde nicht erwarten darf. Denn die Grenzen zwi-
schen einer solchen Verkehrswerbung und einer syste-
matischen Kulturpropaganda sind kaum zu ziehen.
Wir haben uns nicht gescheut, einen Blick auf dieses
weitere, umfassendere Aufgabengebiet zu werfen,
weil sich daraus Richtlinien ergeben für die näheren
Ziele einer reinen Verkehrswerbung; und weil eine
richtig verstandene Kulturpropaganda ja auch zu den
Aufgaben gehört, die noch zu lösen sind. Es ist viel-
leicht gar nicht so wichtig, daß bei der Kulturpropa-
ganda nach einem zentral geleiteten Plan gearbeitet
wird. Man braucht sie deshalb nicht allen Zufällen
preiszugeben. Es kommt hier wie überall nur darauf
an, daß ein möglichst großer Kreis von wesentlichen
Menschen um die Aufgabe weiß und von der Not-
wendigkeit ihrer Durchführung überzeugt ist. Auch die
so erfolgreiche Kulturpropaganda Frankreichs wird

Garagenbauten

Zu den Bildern auf den folgenden Seiten

Der Garagenbau ist eines der jüngsten baulichen At-
tribute des modernen Stadtbildes. Die Garage am oder
im Einzelhaus, die Garagenbauten in den Siedlungen, die
Großgaragen gehören in Städte und Stadtteile genau so
gut wie Wasserwerk, Kaufhäuser oder Verwaltungsge-
bäude. Gegenüber dem Fabrikbau hat die Garage einen
Vorteil in der Entwicklung, sie ist noch nicht belastet mit
architektonischer Tradition. Es gibt kaum Versuche wie
beim Fabrikneubau, die Garage äußerlich in den Formen-
zierrat der Umgebung einzupassen. Trotzdem ist damit
eine Aufgabe gestellt, die auch in der architektonischen
Gestaltung Rücksichten auf Umgebung und Eingliederung
erfordert. Wir zeigen zwei Beispiele: eine Garage in einer
Großstadtstraße und eine Garagenanlage in einer Land-
schaft, die eine starke und charakteristische Eigenart hat.
Beide Lösungen sind als Architektur sehr zweckhaft und

ja nicht von einer Zentralstelle aus geleitet. Ein äußerst
wirksames und charakteristisches Werbemittel war die
Ausstellung des Gesamtwerkes von Henry Matisse,
die im vorigen Sommer in Basel zu sehen war und
jetzt durch Amerika reist. Die Franzosen sind auf ihre
alte Kultur ebenso stolz wie wir auf die unsere; aber
sie vergessen niemals, die Führerrolle und damit die
Exportfähigkeit ihrer modernen Kunst zu betonen. Viel-
leicht war diese Ausstellung aus irgend einem Fonds
finanziert, der für die französiche Kulturpropaganda
zur Verfügung steht. Aber sie war nur e i n Werbe-
mittel unter tausenden, die immer gleichzeitig wirken
und unmöglich von einer zentralen Stelle aus in Be-
wegung gesetzt werden können. Das Geheimnis des
Erfolges dieser französichen Kulturpropaganda ist,
daß jeder Franzose in jedem Augenblick, der ihn mit
Fremden in Berührung bringt, von dem Bewußtsein
erfüllt ist, daß er hier und jetzt Frankreich zu reprä-
sentieren habe. Die Welt ist ein großes Gemeinwesen.
Es ist nicht nur für den Charakter des Einzelnen und
seineLebensgestaftung gefährlich, wenn er sich isoliert,
sondern erst recht für ein ganzes Volk. Auch der Volks-
charakter wird erst im Zusammenleben mit anderen
Völkern geformt und gehärtet. Je früher unsereJugend
mit der Jugend anderer Völker in Berührung kommt,
um so reiner wird sie ihr eigenes Wesen entfalten.
Wenn man jeden Deutschen dahin brächte, daß er
bei der Begegnung mit Ausländern bemüht wäre, die
besten Seiten seines Volkes zu zeigen, ohne Krampf
und ohne jede Vertreter-Beflissenheit, würde das nicht
nur dem Rufe Deutschlands in der Welt, sondern auch
dem Deutschen selbst zugute kommen. Damit würde
der Deutsche zugleich dem Fremdenverkehr gute
Dienste leisten, und umgekehrt könnte der Fremden-
verkehr, in dessen Namen bei uns so viel gesündigt
wird, dem Deutschen durch nichts besser dienen, als
daß er ihm die Gelegenheit bietet, ihm und sich selbst
diesen Dienst zu erweisen.

rein konstruktiv gelöst. Und trotzdem stehen beide
Schöpfungen ausgezeichnet in ihrer Umgebung. Schon die
Aufgabestellung gibt eine bindende Einheit, im einen Fall
eine Art Turmgarage, im anderen Fall eine breite Hallen-
anlage, bei der die Boxen nebeneinander liegen. Es sei
besonders darauf hingewiesen, daß die Rückseite der
Großgarage in der Kantstraße in ihrer konstruktiven Ein-
fachheit sehr schön ist und daß diese Rückseite nicht für
das Auge gedacht ist, denn sie hat keine Straßenfront,
sondern steht gegen die Gleise der Stadtbahn. Wie stark
es aber bei einer solchen Eingliederung auf die Form letzt-
hin ankommt, auf das Gefühl für Material und für Pro-
portion, zeigen unsere Aufnahmen der Postkraftwagen-
halle in Hindelang ganz besonders eindringlich. Hier ist
eine schlechthin vorbildliche selbstbetonte Eingliederung
eines modernen Zweckbaues in ein schönes Stück Land-
schaft gelungen.

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