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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 8.1933

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Zum Thema "Neues Bauen"
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https://doi.org/10.11588/diglit.13209#0113

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Zum Thema „Neues Bauen"

Wir haben in den letzten Jahrgängen neben einzelnen Bauten
des Auslandes auch Querschnitte durch das „Neue Bauen"
in anderen Ländern gezeigt. Trotz der gemeinsamen Formen-
sprache treten deutlich überall nationale Züge hervor, und
das ist selbstverständlich, denn Blut, Menschen und Landschaft
lassen sich im Werk nicht verleugnen. Absichtlich hervorkehren
lassen sich diese Werte ebensowenig, wie man absichtlich
Kunst machen kann. Sie sind vorhanden, und je stärker sie sind,
desto deutlicher zeigen sie sich im Werk. So ging es mit allen
großen Stilen, Renaissance, Barock und Klassizismus: Gleich-
artigkeit und doch eindeutige Markierung volksmäßiger Eigen-
tümlichkeiten. Wie die Wissenschaft ihre Ergebnisse austauscht
in allen Ländern, so wurden auch die Ideen und die Grundlagen
des Neuen Bauens überall besprochen und durchgearbeitet.

Wir zeigen auf der gegenüberstehenden Seite die Wandlung
in Rußland zum Klassizismus an einigen augenfälligen Bei-
spielen. Hier folgen einige bemerkenswerte Zeilen und Doku-
mente zu der Diskussion um das „Neue Bauen".

Kunst im Dritten Reich. Aus dem gleichnamigen Artikel
von Bruno E. Werner, Berlin, in der „Deutschen Allgemeinen
Zeitung", Berlin, vom 29. März d. J.

„Wir wären also, auch ohne die Hoffnungen, die wir auf die
Herren Goebbels, Rust und Hinkel und nicht zuletzt auf die
kunstinteressierte Persönlichkeit des Reichskanzlers selber setzen,
nicht besorgt, daß die jugendfrische Kraft dieser Bewegung
sich auch auf künstlerischem Gebiet durchsetzen wird. Aller-
dings kann es dann nicht mehr möglich sein, daß man die
Holzskulpturen von Ernst Barlach als Dokumente ostischen
Uniermenschentums anspricht, daß man Maler wie Marc,
Nolde, Hofer, Klee, weil sie keine glatten idealisierten Bilder
malen, als Juden abtut, (was sie gar nicht sind), daß man
Architekten wie Poelzig oder Mies van der Rohe, weil sie
unter anderem auch Flachdachhäuser bauen, als Bolschewiken
brandmarkt.

In der Kunst ist in den letzten Jahrzehnten viel Unfug ge-
lrieben worden, und es wird wichtig sein, gerade die Künstler,
die die charakteristischen deutschen Wesenszüge in ihren
Werken verkörpern, zu unterstützen. Aber man soll sich hüten,
das klassizistische Ideal Winkelmanns, wie es heute in völliger
Verwässerung vom Sofakitsch bis zum Seifenplakat zu finden
ist, als die deutsche Kunst anzusprechen. Die größte Zeit der
deutschen Kunst lag vor dem 16. Jahrhundert. Und wenn eine
Reihe Maler und Bildhauer in den letzten 25 Jahren gerade
hier anzuknüpfen versuchten, so geschah dies in der Besinnung
auf das beste Volkserbe und deutsche Eigentum. Es geschah
mit einer bewußten Front gegen das im Grunde wesensfremde
Renaissance-Ideal, und ein Blick ins Museum könnte jeden be-
lehren, daß die Angreifer von Barlach und Nolde ebenso die
Meister Bertram, Multscher, Witz und viele andere der großen
deutschen Künstler in die Untermenschenkiste tun müßten.

Wie der Nationalsozialismus im Politischen einiges von
Italien gelernt haben dürfte, so sei auch hier wieder auf das
von uns so oft zitierte Verhalten des Fascismus zur bildenden

Kunst hingewiesen. Seit seiner Machtergreifung hat Mussolini
die Förderung der jungen italienischen Kunst sich höchst an-
gelegen sein lassen. Und es befinden sich darunter höchst
„wilde Männer". Die Folge war, daß heute nicht nur alle
italienischen Künstler von Rang den fascistischen Organisa-
tionen angehören, sondern daß Italien eine Malerei hat, die
so lebendig und interessant ist, wie sie seit dem 18. Jahrhundert
nicht mehr war. Geistig konsequent hat der Fascismus in der
Kunst nicht an das liberale 19. Jahrhundert angeknüpft, sondern
an die frühere künstlerische Blütezeit Italiens. Etwas anders
lag zunächst der Fall der Architektur. Die moderne
schmucklose Architektur wurde bis vor kurzem als tipo tedesco
(deutsche Art! . . .) für wesensfremd, ja für landesverräterisch
angesehen. In der offiziellen Kundgebung der Mailänder
Triennale, die soeben durch die italienische Presse geht, be-
kennt sich jedoch nun auch der Fascismus zum erstenmal
öffentlich in einer sinnvollen ausführlichen Begründung zu
dieser bisher verschrienen Bauweise." (Siehe nächste Seite.)

Situation Anfang 1933 Aus dem gleichnamigen Artikel
von Peter Meyer, Zürich, im Februarheft d. J. der Monats-
schrift „Das Werk", Zürich.

„Es war ja sehr verlockend, die zähen Widerstände des Tra-
ditionalismus, Nationalismus und Individualismus kurzerhand zu
überspringen, indem man die neuen Architekturideen mit den
revolutionären Ideen der Politik zu verkoppeln suchte, in der
Meinung, eine Revolution, wie sie anno 1918 vielen als Wunsch-
bild vorschwebte, könne auch den neuen Architekturideen den
Weg bahnen und die ihnen entgegenstehenden Widerstände
von außen her niederschlagen, ohne daß man sich erst die
Mühe nehmen müßte, sie von innen her aufzulösen.

Selbstverständlich lassen sich Berührungspunkte mit der kom-
munistischen Theorie unschwer aufdecken, weil beides Lösungs-
versuche real vorhandener Gegenwartsprobleme sind, so daß
das Objekt der Bemühungen zum Teil das gleiche ist. Aber
diese Berührungspunkte liegen in einer Ebene weit unterhalb
aller parteimäßigen Praxis im rein Menschlichen, das der ge-
meinsame Grund aller Parteiprogramme ist oder wäre, sofern
sie zu Ende gedacht würden. Zur Werkbundforderung der
Qualitätsarbeit kommt man zentripetal von allen erdenklichen
kommunistsichen, demokratischen und aristokratischen Stand-
punkten aus. Gerade die moderne Architektur, der es um
diesen menschlichen Grund zu tun ist, hätte peinlich vermeiden
müssen, sich den politischen Parteien anzubiedern, aber man
widerstand der Versuchung nicht, und so belastete eine unge-
schickte Propaganda die Ideen und Formen der modernen
Architektur ganz unnötigerweise mit dem Odium des Bolsche-
wismus — wobei man nicht einmal bedachte, daß selbst eine
Revolution mit den vorhandenen Menschen hätte gemacht
werden müssen. Der Mißerfolg dieser Verkoppelung liegt heute
klar zutage: nicht nur für den legendären „Spießbürger",
sondern fast schon für jeden, der sich nicht gerade intensiver
mit Architekturtheorie befaßt, ist die moderne Architektur zum
Ausdruck bolschewistischer Gesinnung geworden; von wirklich

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