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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 8.1933

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Lotz, Wilhelm: Die Maschine in der Produktion
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https://doi.org/10.11588/diglit.13209#0166

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Die Maschine in der Produktion

WILHELM LOT Z, BERLIN '

In dem Aufsatz „Stoffe und Materialien" im vorhergehenden
Heft wurde dargestellt, daß der Produzent von heute einer
Menge von Materialien gegenübersteht, unter denen er das
wählen kann, was er für seine Produktion verwenden will, was
für seine Arbeit und seine Erzeugnisse am geeignetsten ist. Der
primitive Mensch besaß nur die unzugerichteten Naturmateri-
alien. Der heutige Verfertiger aber hat auch noch einen
weiteren großen Vorteil, die Reichhaltigkeit und Differenziert-
heit seiner Werkzeuge. Er hat seine Maschinen. Er kann sie
sich konstruieren lassen, so wie er sie am besten gebrauchen
kann. Stellen wir uns nur einmal vor, in wievielerlei Maschinen
sich das einfache Prinzip des Hammers, für die der primitive
Handwerker nur einige Werkzeuge hatte, heute vervielfältigt
und differenziert hat. Dieser einen Tatsache der Dif-
ferenzierung des Werkzeugs in der Erscheinung der Maschinen
steht die andere zur Seite, daß der Mensch heute seine Ma-
schinen nicht mehr mit der Kraft und Geschicklichkeit seines
Körpers leitet und bedient, wie er früher das Werkzeug hand-
habte. Es gibt Maschinen, die nichts anderes als Automaten
sind, in die auf der einen Seite das Material eingeführt wird,
das auf der anderen Seite als Fertigerzeugnis herausfällt. Eine
solche Maschine ist natürlich eine Kombination von ver-
schiedenen Arbeitsgängen, wie etwa eine moderne Zeitungs-
rotationsdruckmaschine, die mehrere Bogen druckt, auch in
mehreren Farben, Beilagen einlegt und faltet. Diese Maschine
braucht in zwei Punkten den Menschen und seine Arbeit.
Einmal muß sie als Maschine gebaut werden und dann muß
sie auf die Arbeit eingestellt sein, auf das Produkt, das sie
erzeugen soll. Nehmen wir eine Stanze als Beispiel. Die Ma-
schine selbst muß konstruiert werden, dann aber müssen auch
die Prägeplatten, Pfaff und Gesenke geschnitten und einge-
richtet werden. Alle gestaltende Arbeit wird vor den eigent-
lichen Arbeitsgang gelegt. Praktisch natürlich muß stets eine
Bedienung der Maschine, ein Auslösen der Funktion und eine
gewisse Bewachung und Kontrolle stattfinden.

Aber ist das beim handwerklichen Schaffen wesentlich und
prinzipiell anders? Auch der Handwerker geht mit einer be-
stimmten Vorstellung an seine Arbeit, in seinem Kopf ist das
Erzeugnis schon vorhanden, ehe er das Werkzeug in die Hand
nimmt. Seine Hand mit dem Werkzeug ist nur das Mittel der
Reproduktion seiner Vorstellung. Aber dennoch findet bei
seiner Arbeit, in je stärkerem Maße, je künstlerischer sein
Schaffen ist, ein ständiges Zufließen neuer Vorstellungen und
Einfälle statt, die wieder durch die Arbeit und das ständige
Ein- und Miterleben im Material und in der Arbeit befruchtet
werden. Dennoch, das dürfen wir nicht vergessen, für den
Durchschnitt des Handwerks ist das nicht der Fall gewesen.
Aber das starke Verhältnis zu Material und Arbeit während
des Flusses der Arbeit gab der Ausführung eine größere
Lebendigkeit und Wärme, die auch in der Darstellung zum
Ausdruck kommt. Wenn nun der französische Metallarbeiter

Ausführungen sind, ebenso wie die über „Stoffe und Materialien"
in Heft 4, einem bisher unveröffentlichten Buchmanuskript entnommen.

Dubreuil von einem Triumph der Handarbeit bei Ford spricht,
und von der Anwendung der Handarbeit bei der Herstellung
der Stanzen und Maschinen begeistert ist, so muß man doch
nicht vergessen, daß der Stahlgraveur Formen der Stanzen, aber
nicht die Objekte selbst herstellt. Das ist ein ganz anderes
Verhältnis zum Schaffensprozeß. In seinem neueren Buch „Und
trotzdem vorwärts" widmet Ford ein ganzes Kapitel dem
Thema „Die neue Handwerkskunst". Er spricht dort von dem
Anteil auch des Denkens und der fühlenden, vom Gehirn ge-
leiteten Hand beim Maschinenbau und bei der Arbeit und
Leistung im Betrieb. Vor allem legt er Wert auf den Anteil
der gefühlvollen Handarbeit zur Erreichung höchster Genauig-
keit. Jedenfalls ist dabei keine Freiheit der Gestaltung und
Bearbeitung möglich, die Präzision ist eine bindende Vor-
schrift, die alles Individuelle ausschließt.

Die Maschine ist in ausgesprochenem Maße exaktes Ver-
vielfältigungsmittel des Modells.

Nun pflegt man oft die Behauptung aufzustellen, daß die
Maschinenarbeit eine eigene Formensprache beanspruche. Das
ist nur sehr bedingt richtig, denn mit der Maschine läßt sich
jede Form reproduzieren. Eine Stanze kann jede Unebenheit
der Handarbeit kopierend auf eine ganz große Menge von
Erzeugnissen übertragen. Aber die Maschine kann etwas, was
die Handarbeit zwar immer erstrebte, aber nur in einigen Ge-
werben erreicht hat, nämlich größte mathematische Exaktheit
mit Leichtigkeit hervorbringen. Aber auch hier wieder mit
Einschränkungen, denn eine vollkommen runde Bergkristallkugel,
wie sie der Schleifer in Oberstein schleift, wird von der Leistung
einer Maschine nicht übertroffen. Bekannt ist ja auch, daß die
feinsten Instrumente, die besten Uhren und die besten Solinger
Klingen mit der Hand hergestellt werden oder wenigstens
die letzte Exaktheit durch die Handarbeit erhalten. Auch das
schildert Ford in dem schon erwähnten Kapitel in sehr anschau-
licher Weise. Aber bei den meisten Gegenständen erreicht die
Maschine eine größere Exaktheit mit leichterem Aufwand als
die Hand. Aber genau besehen ist es nicht die Maschine, die
der Maschinenarbeit das Gepräge gibt, sondern die Frage der
einfachsten und daher billigsten Herstellung. Doch dazu
später. Wichtig ist, daß bei der Maschinenarbeit jeder Dekor
und jedes Spiel und jeder Reiz der ungewollten Unexaktheit
ihren Sinn verloren haben. Die Maschine kann glatte, ebene
Flächen leicht fertigen, sie kann exakte mathematische Kurven
reproduzieren und gravierend oder schneidend herstellen.
Allerdings auch hier wieder eine Einschränkung! Kürzlich sah
ich mit Staunen in einer Fabrik für maschinell hergestelltes
Silbergerät, daß die Tabletts, wenn sie gestanzt aus der Ma-
schine kommen, mit der Hand nachplaniert, das heißt geebnet
werden müssen.

Die Maschine und ihre Eigenart gibt uns jedenfalls noch nicht
überzeugend den Schlüssel für das Wesen der modernen

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