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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 8.1933

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Hopmann, Ernst: Fort mit dem nationalen Kitsch!
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https://doi.org/10.11588/diglit.13209#0265

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Fort mit dem nationalen Kitsch!

DIPL.-IN G. ERNST HOPMANN, KÖLN

Im Juni/Juli veranstaltete der Kampfbund für deutsche Kultur
zusammen mit dem Reichsverband bildender Künstler im Kölner
Kunstverein, der von der Reichsregierung ausgegebenen Parole
folgend, eine Ausstellung unter dem Motto: Fort mit dem
nationalen Kitsch. Man brachte ihn durch Massenanhäufung
zur Selbstkarikatur, veralberte ihn auf Bildtafeln, die von
Kölner Malern und Grafikern geschaffen wurden usw. Dem
stellte man Beispiele guter, einfacher Wohnkultur gegenüber,
ein ganz schlichtes Wohn-Schlafzimmer, einige Vitrinen mit
gutem, einfachen Gebrauchsgerät, schönes Spielzeug und ein
paar Beispiele einfacher Heimgartenkultur. Außerdem wurde
noch eine kleine kunstwissenschaftliche Schau angefügt, welche
zeigte, wie sparsam und ehrfurchtsvoll frühere Zeiten mit dem
Symbol umgingen und welch bedeutsame Rolle das Symbol
in alten Kulturen gespielt hat.

Im ganzen eine Ausstellung, die nicht für das kunstverständige
Publikum höherer Gesellschaftsschichten gemacht war, sondern
sich an das Volk wandte. Aber für den in Formfragen Interes-
sierten ist diese Schau doch in mehrfacher Hinsicht bedeutsam.

Eine kürzlich in den gleichen Räumen des Kölner Kunst-
vereins veranstaltete Gemäldeausstellung eines angesehenen
und geachteten Malers erreichte eine Besucherzahl von rund
100 Menschen. Hiervon muß man noch den Anteil der Kunst-
kritiker, Zeitungsreferenten und sonstiger rein fachlich interes-
sierten Leute abziehen, um sich klar zu machen, wie groß
die eigentliche Anteilnahme des Publikums war. Demgegen-
über hatte die Ausstellung „Fort mit dem nationalen Kitsch"
weit über 10 000 Besucher. Angesichts solcher Tatsachen muß
man doch fragen: Haben jene nur noch für eine ganz dünne
Schicht vorhandenen Veranstaltungen noch Sinn und Daseins-
berechtigung? Nicht allein vom Volke her muß man so fragen.
Nein, auch von den Künstlern selbst. Können die Künstier aut
die Dauer in dieser Vereinsamung überhaupt, und zwar nicht
nur materiell, sondern vor allem geistig noch leben? Die
im Reichsverband bildender Künstler zusammengeschlossenen
Kölner Maler, Bildhauer und Architekten wollten mit dieser
Schau einen Schritt aus ihrer Isolierung heraus tun. Aber noch
etwas anderes: Der Kampf gegen den Kitsch war eben bisher
stets Sache eines besonderen, an Formfragen interessierten
Kreises, hauptsächlich von Künstlern und Kunstverständigen.
Mit der Aktion gegen den nationalen Kitsch ist plötzlich etwas
ganz anderes, etwas völlig Neues da: Die Regierung oder
allgemeiner die nationale Bewegung sieht sich durch den

Wohn-Schlafzimmer in Kiefernholz, bestehend aus Schlafbank, Klappbett,
Ausziehtisch, 2 Stühlen, Geschirrschrank, Kleider-Wäscheschrank. Gesamt-
preis RM. 310,— bei handwerklicher Herstellung.

Die „gute Stube". Hakenkreuze überall. Sogar rote Hakenkreuztapete

Massenkitsch in ihrer Würde beeinträchtigt. Hierin liegt ein
außerordentlich bedeutsames Bekenntnis zur Geisligkeit der
Form. Denn dem Kampf der Regierung gegen den nationalen
Kitsch liegt offenbar die Erkenntnis zugrunde, daß die minder-
wertigen Darstellungen auch dann, wenn sie zunächst mit
Begeisterung aufgenommen werden, dennoch auf die Dauer
zersetzend wirken und dann das, was sie scheinbar erheben
in Wirklichkeit herabwürdigen und schädigen. Es liegt aber
auf der Hand, daß das nicht nur mit dem nationalen Kitsch
als Sondererscheinung so ist, sondern ebenso mit jedem andern
Kitsch. Jeder Kitsch ist kulturschädigend, auch wenn er nicht
so augenfällig wird, wie bei dem nationalen Kitsch.

Jedem Einsichtigen ist es selbstverständlich, daß man durch
eine kleine, vorwiegend kritisch eingestellte Ausstellung nicht
allzuviel Positives gegen den Kitsch erreichen kann, wenn auch
immerhin ein unmittelbarer Erfolg insofern festzustellen war, als
manche Artikel aus den Geschäften sofort verschwanden. Um
die geistige Wirkung zu vertiefen und zu verbreitern, müssen
weitere, und zwar auch positive Veranstaltungen folgen, die
auf eine ähnlich breite und volkstümliche Basis zu stellen sind.
Wenn die günstige Tendenz, welche sich auf Seiten des Staates
bei der Abwehr des nationalen Kitsches zeigte, ausdehnt aut
den Kampf gegen die gesamte, geistes- und kulturzersetzende
Verkitschung, so steht zu hoffen, daß diesem Kampf Erfolge
beschieden sein werden, wie sie in den vergangenen Jahr-
zehnten nicht erreicht werden konnten.

Klappbett aus Holz mit Sprungfedermatraze und Umbau, RM. 35,—, Kleider-
wäscheschrank RM. 108,—. Entwurf: Dipl.-Ing. Ernsf Hopmann.

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