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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 8.1933

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Lotz, Wolfgang: Tierplastik
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https://doi.org/10.11588/diglit.13209#0307

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Vom Dom zu Worms, Ostchor, Mittelfenster. Um 1200.

Tierplastik

W. L O T Z, B E R L I N

Es ist eine Zeitlang unter den Kunsthistorikern sehr beliebt
gewesen, einzelne Motive durch Stilepochen hindurch zu unter-
suchen, wie etwa die Darstellung des Gekreuzigten, der Ma-
donna, der Anbetung oder in der neueren Kunst die Dar-
stellung des Arbeiters, des Stillebens oder des Interieurs. Nach
rein stilistischen Gesichtspunkten hin untersucht, übersteigt eine
solche Methode kaum die Grenze einer reinen Fachstudie. In
einer Zeit, die verkündet hat, daß das Was in der bildenden
Kunst dem Wie gegenüber höchst unwichtig sei, trat die Be-
trachtung nach dem Motiv wieder stark in den Hintergrund.
Unsere heutige Kunstauffassung, die zwar erst langsam im
Werden ist, mißt dem Dargestellten in seiner innigen Ver-
bindung mit der Art der Darstellung wieder besondere Be-
deutung bei. Wir erkennen wieder die treibende und form-
bildende Kraft des Stoffes. Die hier folgende kurze Dar-
stellung einiger Beispiele der Tierplastik in der romanischen
und der heutigen Zeit soll keine kunsthistorische sein. Es kommt
nicht auf eine stilgeschichtliche Verfolgung des Motivs an,
sondern auf eine Darstellung, wie das Wesen des Tieres an

diesen Beispielen in stärkster Reinheit und Eindringlichkeit seine
plastische Form gefunden hat. Es ist verständlich, daß wir in
der primitiven Kunst eines jeden Volkes in erster Linie der
Darstellung von Tieren begegnen. Die Kulturstufe des Jägers
oder des Tierzüchters bringt den Menschen das Wesen des
Tieres als eines Wesens der Natur nahe, mit dem er sich aus-
einandersetzen mußte. Die Besiegung des Jagdtieres ist
gleicherweise wie die Dienstbarmachung des Zuchttieres für
den primitiven Menschen nicht nur eine körperliche Arbeit,
sondern auch eine seelische Auseinandersetzung. Er sieht im
Tier die in ein Wesen eingefangene Naturkraft, er sieht bald
einen feindlichen, bald einen versöhnlicheren Gott in ihm.

Die Tierdarstellung des Nordländers, vor allem des Ger-
manen, grenzt sich deutlich gegen die Darstellungen anderer
Völker ab. Zwar sind die Formen, rein äußerlich genommen,
sich täuschend ähnlich, wenn man die Tierbilder verschiedenster
Völker der gleichen Kulturstufe vergleicht. Aber der sinnliche
Gehalt ist ein ganz anderer. Genau so wie der Sonnenkult
für den Nordländer einen viel tieferen Sinn hat, wie der rein

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