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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 8.1933

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Rückert, Otto: Die Darstellung des Werkstoffes Putz
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https://doi.org/10.11588/diglit.13209#0321

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farbige Erscheinung der Mauerflächen wird durch die erwähnte
Struktur, die von der Körnung und der handwerklichen Be-
arbeitung der Oberfläche abhängig ist, Stärkstens beeinflußt.
Ein gleichfarbiger z. B. weißer Putz wird in verhältnismäßig
glattem Zustande intensiver farbig erscheinen als im rauhen,
da die grobe Körnung die Schattenbildung begünstigt und
damit die Kraft der Reflexion bedeutend herabmindert. Auf
die farbige, von der Struktur des Putzes bedingte Erscheinung
geht übrigens bis zu einem gewissen Grade die Anwendungs-
möglichkeit der einzelnen Arbeitsverfahren zurück. Man
kann bei einigem Nachdenken ohne Mühe feststellen,
daß alle Fassaden (und auch Innenräume mit großen Aus-
maßen), deren einzelne, für die Gliederung und damit für
die künstlerische Wirkung entscheidende Teile auf eine be-
tonte Schattenwirkung abgestellt sind, eine tunlichst helle und
klare Färbung erfahren müssen. Tiefe Farbtöne neigen dazu,
selbst ausgeprägte Schatten zu verschlucken und in Angleichung
an diese Erkenntnis muß darauf hingewiesen werden, daß die
Übung, reichgegliederte Barockbauten tunlichst glatt zu ver-
putzen, ihre tiefe innere Berechtigung besitzt. Schlichte moderne
Fassaden, die hauptsächlich durch die geschickte Anordnung
der Maueröffnungen ihr besonderes Gepräge erhalten und
völlig unprofiliert in Erscheinung treten, eignen sich daher für
den Einsatz solcher Arbeitsvorgänge, die auf eine lebhaft
geartete Struktur des Putzes abzielen, weitaus besser, wobei
allerdings zu beachten ist, daß auch die Maßstäbe der ver-
schiedensten Fassaden mit der Struktur des Putzes in Einklang
gebracht werden müssen. So erscheint es, um nur ein Beispiel
herauszustellen, als ein Unding, ein Land- oder Siedlungshaus
mit bescheidenen Ausmaßen mit einem grobkörnigen oder leb-
haft gearteten Putz zu verkleiden.

Die handwerkliche Verarbeitung des Mörtels führte, bedingt
durch den Einsatz der verschiedensten Werkzeuge, zu einer
ganzen Reihe von technischen Verfahren, die zum Teil als
konservative, d. h. von den alten Handwerkern übernommene,
zum Teil als moderne bezeichnet werden müssen. Zu den
ältesten Putztechniken zählt man den Spritzputz, der mit Hilfe
eines Reiserbesen vorgenommen wird, jedoch infolge seiner
dünnen Beschaffenheit sehr bald verwittert, den sogen, alt-
deutschen Putz (Münchener Rauhputz) und den Kratzputz, der
in jüngster Zeit die allergrößte Verbreitung erfuhr. Eine Abart
des Rauhputzes ist der sogen. Messelputz, dessen unregel-
mäßige Struktur eine lockere und doch unauffällige Belebung
der Wandfläche verbürgt. Zu den modernen Verfahren, die alle
darauf abgestellt sind, die handwerklichen Möglichkeiten tun-
lichst zu erweitern, gehört vor allem der in Westdeutschland
aufgekommene Nesterputz, der dadurch zustande kommt, daß
der ungleichmäßig mit der Kelle angeworfene Putz rund ver-
rieben wird. Durch diese Übung bilden sich unregelmäßig
verteilte Putznester, die besonders dann eine ausgezeichnete
Wirkung versprechen, wenn der Untergrund eine andere
Färbung besitzt wie der letzte Bewurf. Die verschiedenen
Kellenstriche (Spritzkellenstrich, senkrechter Kellenstrich,
Fächerputz, grober Kellenwurf), der Raupenputz, dessen
Struktur durch das Eindrücken der Holzscheibe herbei-
geführt wird, und die Spachtelstriche vervollkommnen das Bild

5 Kalkschlämme auf Verblendern.

der modernen Putzverfahren. Einigen derselben kann mit
bestem Willen eine gewisse unruhige Wirkung nicht abgespro-
chen werden und es wird gut sein, den Grad der Körnung
und das auf dem Gebrauch des Werkzeuges beruhende Aus-
sehen des Putzes stets auf ihre optischen und maßstäblichen
Beziehungen zu dem Bauganzen sorgfältig nachzuprüfen. Zu
den Darstellungsmöglichkeiten des Werkstoffes Putz können
auch alle jene technischen Vorgänge gewertet werden, die auf
die ornamentale Weitergestaltung der Putzfläche abzielen. Die
sogenannten Kratzmalereien, die besonders im Gefüge der
Fachwerkhäuser vorzukommen pflegen, dürften als die primi-
tivsten Versuche bezeichnet werden. Die Sgrafittomalerei, die
in Italien zur Höchstblüte entfaltet wurde, ist ebenfalls in das
Bereich dieser Möglichkeiten zu zählen. Diese technischen Vor-
gänge dienen aber als Mittel zur Darstellung künstlerischer
oder künstlerisch gemeinter Einfälle und verlieren in demselben
Augenblicke an überzeugender Kraft, in dem sie im kunst-
gewerblichen Sinne gewissermaßen mechanisch von dem Ent-
würfe auf die Wandfläche übertragen werden. Bei Erfüllung
der künstlerischen Voraussetzungen muß aber dem Sgrafitto
schon aus dem einen Grunde gegenüber dem Fresko der Vor-
zug gegeben werden, als seine technischen Eigentümlichkeiten
eine weitaus größere Haltbarkeit versprechen. Und diese Halt-
barkeit ist nächst der Wirtschaftlichkeit der Verfahren auch im
vorliegenden Falle der Ausgangspunkt aller Erwägungen, die
das sogen, schönheitliche Schaffen, wie es durch die einwand-
freie Darstellung der Werkstoffe zum Ausdruck gelangt, zum
Ziele haben. Und dieses Ziel kann nur dadurch erreicht werden,
daß der mit der Arbeit betraute Handwerker auf spielerische
Dinge, die im gewissen Sinne im Widerspruch mit der Derbheit
des Stoffes stehen, verzichtet und sich darauf beschränkt,
wenige aber durchaus geeignete Verfahren zur vollen Reife
zu entfalten.

(Die Abbildungen wurden von dem Deutschen Kalkbund und
dem Verband Deutscher Edelputzwerke zur Verfügung gestellt.)

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