Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Englands keramische Tiles.

»

Grossbritannien hat zu allen Zeiten der Fliesenkeramik grosse Liebe geschenkt. Im Mittelalter excel-
lirte England durch ungewöhnlich schöne inlaid tiles, im XVIII. Jahrhundert durch seine bedruckten
«Liverpooltiles » und im XIX. Jahrhundert hat England sowohl prächtige «moderne» Fliesen, als auch
einige schöne Publicationen über diese Themata gezeitigt.

Die älteste Fliesenkeramik Englands geht mit derjenigen Frankreichs und Belgiens parallel. Hier wie
dort sehen wir erst figurenlose, einfach glasirte Mosaikfliesen, dann, daraus hervorgegangen, die incrustirten
Fliesen, in England inlaid tiles genannt, im XII. Jahrhundert auftauchen und im XIII. Jahrhundert das
ganze Gebiet beherrschen.

Die Technik dieser « eingelegten Fliesen » ist genau die der französischen carreanx incruste's, so dass
ich, unter Hinweis auf die vorangegangenen Kapitel, hierauf nochmals einzugehen, füglich unterlassen kann.
Im Allgemeinen aber ist die Ausführung der englischen Fliesen eine sorgfältigere und weniger «fabrik-
mässige». Damit parallel geht eine wesentlich reichere, künstlerisch höher stehende Zeichnung. Die Ornament-
rosetten sind mehr in's Detail ausgearbeitet; das Rankenwerk reicher und abwechslungsvoller. Ganz besonders
aber kommt die höhere künstlerische Stufe in den vielen Figurenfliesen zum Ausdruck. Vorzüglich gezeichnete
kämpfende Ritterfiguren wechseln ab mit Heiligengestalten und mit Figuren aus der alten Geschichte;
Chimären der verschiedensten Art gesellen sich zu heraldisch vorzüglichen Wappen — alles in weit reicherer,
sorgfältigerer und detaillirterer Ausführung, ah sie die festländischen Parallelen aufweisen. Henry Shaw hat
i85o in seinem heute bereits selten gewordenen Werke Specimens of tile pavements, drawn from existing
authorities (London, Pickering, i858) die schönsten und interessantesten dieser Muster zusammengestellt
daraus Fig. n5—120 und Tafel V als besonders instructive Beispiele entnommen sind. Besonders schöne, noch
dem XIII. Jahrhundert angehörige inlaid tiles haben das Westminster Chapter house, die Jervaulx Abbey in
Yorkshire, das Kapitelhaus der Salisbury Cathedrale, die Cathedrale zu Worchester und ganz besonders die
Ruinen der Chertsey Abbey in Surrey geliefert. Hier hat man anno 1787, dann um 1820, i853 und
in den folgenden Jahren die prächtigsten inlaid tiles gefunden, welche uns das Mittelalter je überliefert hat.
Shaw hat sie in der oben genannten Publication zusammengestellt und darnach sind hier die eben citirten
Abbildungen wiedergegeben.

Die schönsten Mittelalter Fliesen hat England im XIII. Jahrhundert gezeitigt. Bereits jene des
XIV. Jahrhunderts, wie z. B. die übrigens sehr interessanten von Malmesbury Abbey (im Britischen
Museum), mit Affen- und Eichhörnchenfiguren zeigen eine weniger strenge und correcte Zeichnung.

Wo der Fliesenbelag sich unverändert bis auf uns erhalten hat, zeigt er wie in Frankreich bald
kreis-, bald kreuz-, bald streifenförmige Anordnung oder Eintheilung in Quadratbilder. Der Boden von V/est-
minster Chapterhouse, dem XIII. Jahrhundert angehörig, ist in breite vertikale Streifen zerlegt; zwei Streifen
zeigen in fortlaufender Wiederholung das englische Wappen mit den Leoparden. Andere Streifen sind durch
stete Repetition von Kreismustern, andere durch gegeneinander gestellte Löwenfiguren, wieder andere durch
Vierpassrosetten gebildet. Jervaulx Abbey (Yorkshire) besitzt Fliesenböden des XIII. Jahrhunderts mit kreis-

1 Proben von Malmesbury bei Marryat, I. p. 372, und bei Nicholls, Examples of decorative tiles, p. 17 (London, 1845).

7
 
Annotationen