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Galerie Franz (Berlin, West)
Otto Ritschl — Berlin: Galerie Franz, 1948

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https://doi.org/10.11588/diglit.70426#0006
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also durch eigengesetzlich verbundene und von jeder speziellen darstellung los-
gelöste linien und färben, versichtbarung des unsichtbaren: das
ist das tiefste anliegen dieser malerei. so entstanden um die mitte der dreißiger
jahre die großen kompositionen, wo bedeutungsträchtige formen breitzügig be-
wegt in einem unendlichen raume zu schweben scheinen: eiformen, kreisformen,
wellenbänder, doppelschleifen, sternzacken, unregelmäßige vielecke —, ohne fixierte
bezüglichkeit, aber unerschöpflich an beziehungen untereinander, die fügung des
mannigfaltigen zu einer harmonischen ausdruckseinheit leitet durch versenkung in
die empfundene form zur meditation. die großflächig rhythmisierten färben, un-
bekümmert um jede theorie, klingen in seltenen und fremdartigen akkorden zu-
sammen. obwohl sich kaum allgemeine regeln angeben ließen, nach denen dieser
künstler vorginge, empfängt man doch auf schwer zu erklärender weise den ein-
druck des „richtigen" in einer gleichnishaft kosmischen verbindung von freiheit und
notwendigkeit. die malerei wurde von neuem zur künderin uralter entrückungen.
sie erlöst uns aus dem verhaftetsein des menschlichen Interesses an die einzelfälle
des lebens zur freien schwebe des geistes.
etv^a zehn jahre später genügen dem maler diese freien rhythmen nicht mehr,
deren schwankende dynamik bei aller geschlossenheit der komposition doch den
bildrahmen zu sprengen schien, ein neues ziel dämmert immer klarer herauf: das
monumentale figurenbild. die vielfalt der abstrakten formen soll statisch verbun-
den werden zu einer einzigen bildhaften gestalt, um dieses ziel zu erreichen,
dient ein hilfsmittel, das in den letzten jähren auch andere abstrakte künstler
verwenden: ein scheinbarer rückgriff auf gegenständliche erinnerungen. der auf-
bau des bildes lehnt sich gleichnishaft an alltägliche realitäten an wie den zeitungs-
 
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