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Franzius, Georg
Kiautschou: Deutschlands Erwerbung in Ostasien — 1898

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https://doi.org/10.11588/diglit.47948#0041
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Antwort des Gottes, welche nun gegen eine kleine Vergütung von dem
Priester ans dem Schicksalsbuche mitgeteilt wird. Hier sahen wir
auch Chinesinnen aus besseren Ständen ans kleinen Kissen vor den
Altären knieen, mit dem Kopfe wiederholt den Boden berührend und
die von den Priestern gekauften papierenen Nachbildungen vor: Gold-
und Silbermünzen verbrennend. Den Namen trägt der Tempel von
den in Nischen angebrachten Darstellungen der buddhistischen Hölle,
ein außerordentlich beliebter Schmuck vieler Tempel, an den: man sich
sehr bald satt sieht.
Hübscher als die Tempel erscheinen die Pagoden, jene turm-
artigen, bisweilen aus Marmor hergestellten Gebäude, von denen ich
nur die in 9 Geschossen etwa 50 in hohe Blumen-Pagode und die
fünfstöckige Pagode aus der Stadtmauer nennen will. Von letzterer
hat man einen schönen Blick auf die Stadt und Umgegend bis zu den
fernen Berg eil.
Den seltsamsten Eindruck machen auf uns die Examinationszellen,
in welchen alle 3 Jahre die Kandidaten für den zweiten literarischen
Grad geprüft werden. Mehr als 11 Tausend aus Steiu erbaute,
1,5 in lange und 1 nr breite vorn offene Hütten, in denen nur ein
Mensch Platz hat, sind in langen Reihen aus einem riesigen Hofraum
ausgestellt. Alle Kandidaten erhalten bei Tagesanbruch dieselbe Auf-
gabe lind müssen sie am nächsten Morgen abliefern. Drei Aufgaben
werden gestellt. Es sollen nur etwa 130 Kandidaten jedesmal die
Prüfung bestehen und später in Peking zur Ablegung eines Examens
für den dritten Grad zugelassen werden.
Dem in China noch gebräuchlichen barbarischen Gerichtsverfahren,
das die Folter in jeder Form verwendet, entspricht der Kerker. Mit
schweren Ketten belastete Verbrecher liegen in dunklen, schmutzigen
Räumen imd wir wenden ihnen schnell den Rücken. Auch der nah
gelegene Richtplatz, der zwar jetzt nicht gerade als solcher, sondern als
Trockenplatz für Töpferwaren benutzt wird, deutet mit seinen all den
Maliern lehnenden Holzkreuzen auf die qualvollen noch gebräuchlichen
Tvdesarteu. Überhaupt sieht man viel Unerfreuliches auch auf den
Straßen. So die unglaublich zerlumpten Bettler und die zahlreichen
Aussätzigen. Auch zahlreiche Blinde, die mit einem langen Stock
voraustastend überall allein umhergehen und dergl. mehr. Wir sind
daher ganz froh, als wir mit der Besichtigung der Stadt fertig sind,
machen dann der Insel Honam mit ihrem großen Tempel, in dem die
heiligen Schweine gefüttert werden, einen Besuch und den chinesischen
 
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