Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

NS-Frauen-Warte: die einzige parteiamtliche Frauenzeitschrift — 10.1941-1942

DOI Heft:
Heft 4
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.2783#0070
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
^>s/'

äei' bolLärevvisrisckien ckuAenck

Ein Tatsackenbcricht von G. F.

Wenn unsere Soldaten auf ihrem Siegeszug im Olien in öie von den volfchewilien qeräumten Städte unS Ortfchaften einrücten, f»nö fre Zeugen der unmenfchr
lichlien Sreueltaten. Vas ganze öeutfche volk wenöet srch ab mit Sraufen und Kbfcheu, nachdem es die Lerge grauenhaft entsiellter Leichen in öer Wochenfchau

unfere Aiänner unö Söhne mit dabeifein öurfen. Wohl nie srnö fre mi» uns 5rauen enger verbunden gewefen als ^etzt, wo fre zu Bewahrern wuröen alles öellen,
was uns öas Leben wert und teuer macht. Wie nie auch gilt das Tiietzscherlvort „(Zerechter Krieg macht zeöe Seele lebendig!- Aiit heil^em Herzen sind wir bei den
Kämpfenöen, unü mit Lefreiung unö Begeisierung hören wir von ^edem Sieg.

hier soll das Lchicksal von Minderjährigen geschildert werden. die durch den
furchtbaren und unmenschlichen Terror der Lolschewisten ;u einer Menschen-
gruppe wurden. die autzerhalb der menschlichen Gesellschaft steht. E; handelt
sich um Minderjährige oon IZ—I7 Zahren, tiinder beiderlei Geschlecht;, üie durch
die Reoolution ihre Eltern und klnverwandten verloren haben, aber auch um
solche liinder, die durch den Geist der Zeit verdorben wurden und die au; ttben-
teuerlust ihre Lltern oerlietzen, um die viel besprochene Zreiheit zu suchen. Man
nannte und nennt sie die „8<-;pri;»rn;e — die Unbeaufsichtigten".

Zch hatte Gelegenheit, al; Urzt eine Uolonie, besser ein iion;entration;Iager
der 8espiisoinz-e, die von der Miliz aufgegriffen worden waren, ;u besuchen.

Oie Unbeaufsichtigten — Lesprisoruxe — waren in einigen Baracken unter-
gebracht, die oon der Uinwelt durch Stacheldraht gesichert waren und die
ca. 4 Uilonreter oom nächsten Oorf entfernt lagen.

Oie Untersuchung ergab ein niederschmetternde; Lild. Oie Uinder waren in
einem unglaublich verwahrlosten Zustand, zerlumpt, verüreckt und oerlaust. ver
Gesundheit;;ustand war einfach fürchterlich, Unterernährung im höchsten Grade,
Skrofulose und Lungentuberkulose (einige mit offenen Zormen). Linige hatten
Geschlecht;krankheiten und waren eine grotze Gefahr für ihre Uameraden.

ver psgchische Zustand der Uinder war grauenhaft und wirkte geradezu ab-
stotzenü. Oer Llick dieser Uinder hatte fürwahr nicht; iiinüliche;, er war hinter-
hältig — heimtückisch und immer beobachtenü. Lchaute man ihnen in die Uugen,
so blickten sie zur Lrde und beobachteten einen oon unten heraus au; halb-
geschlossenen Uugenlidern. Zmmer wieüer muhte ich mir in; Gedächtni; zurück-
rufen, üatz ich Uinder oor mir hatte und mich nicht in einem Gefängni; mit
notorischen verbrechern befanü.

Zn brutaler Oeutlichkeit wurdc mir zum Bewutztsein gebracht, datz zwischen
den Lrziehern und den biindern eine beiderseitige hatzerfüllte Keindschaft be-
stand, üie üurch nicht; mehr zu überbrücken war. — Zuerst versuchte man, die
tiinder zu beeinflussen, dann züchtigte man sie durch körperliche Lestrafung und
Linsperren, und zuletzt entzog man ihnen die an sich schon unzureichende Nah-
rung. Man wäre bei der körperlichen Lestrafung geblieben, aber die lLinder
erwiesen sich al; üie Stärkeren. Wenn irgendeine; der iiinüer bestraft worden
war, so wurde diejenige person, die diese Bestrafung veranlatzt oder durch-
geführt hatte, bei passender Gelegenheit überfallen und mitzhandelt. Oa; be-
stätigte da; entstellte Gesicht de; Leiter; der lLolonie, der berichtete, datz die
Lc-8prisornzie ihn so zugerichtet hätten. E; hatte sich bei den liindern ein groh-
artig angelegte; Bbwehrsgstem herau;gebildet, da; jede Ourchführung von 8e-
strafungen einfach unmöglich machte, da sonst die Lrzieher üer Gefahr au;-
gesetzt waren, al; Bacheait hierfür mitzhandelt zu werden. kluch die al; Strafe
zur Knwendung kommende Nahrung;entziehung erwie; sich al; undurchführ-
bar, weil solche Mahnahmen Revolten zur Zolge hatten. Oa da; personal der
iLolonie sich fürchtete, mit den iiinüern in näheren iLontakt zu kommen, hatten
üie lLinder keinen Schulunterricht mehr und waren sich in ihren Bufenthalt;-
räumen, in denen sie eingesperrt waren, selbst überlassen. Zch lernte so einen
Leiden;weg oon liindern kennen, der für Lrwachsene in seiner Schwere un-
oorstellbai ist. Oie oft brutal erscheinenden handlungsweisen der biinder waren
nichts anderes als Bbwehrmahnahmen, zu denen sie das Leben zwang, und
Methoden, die sich die iiinder au; üem Zeitgeist aneigneten. Sie waren nur zu
gelehrige Schüler, welche die ausgegebenen Lagesparolen der Neoolution, wie
;. 8. „Raubt das Geraubte", auf ihre Weise und zur Bache an denen anwende-
ten, die ihnen am nächsten waren und die mit Schuld hatten an ihrem Unglück.

Oer Uufenthaltsraum, den ich zuerst betrat, war ein kleine; Zimmer mit
zwei Zenstern. Zn diesem Raum lebten 20 Unaben zusammen! Oie Luft war
grauenhaft und ekelerrcgend. Sie war geschwängert mit Zigarettenrauch und
allen möglichen menschlichen Uusdünstungen. Bei meinem Lintritt herrschte
oollkommene Buhe. Uuf meinen Grutz erhielt ich keine Untwort. Zwanzig tückische
Uugenpaare waren beobachtend auf mich gerichtet und verfolgten jede meiner
Lewegungen. Schon oiel Llend hatte ich gesehen, aber wa; ich hier sah, ist kaum
oorslellbar und übertraf alles. Uberall Schmutz, die Uinder lagen auf Lumpen
dicht gedrängt auf der Lrde, die Wände waren mit blutigen Spuren oon ge-
töteten Wanzen übersät, der iiübel für üie verrichtung der Notdurst war halb
gefüllt und stank bestialisch. Oas Zimmer hatte nur drei kNöbelstücke, -,nen roh
gezimmerten Tisch unü zwei Schemel. Zch hielt nun an üie iLinder eine kurze
Unsprache und erklärte ihnen, dah ich Nrzt sei, ihnen helfen wolle, sie mützten
mir aber oertrauen und offen meine Zragen beantworten und mir ihre Wünsche
bekanntgeben.

Leilage, Xezeptdienft Leil II - Scbnitlmulterbvgen im nächsten Heft
pvstaufgabevrt: leipzig - Auslands- u. KreuzbaNd-preise steke letzte önnenleite
Hmzelpreis 27 pfg., bei Zrei-yaus-lieferung Z0 pfg. - Mvnatlich 2 Hefte

Während meiner Unsprache waren alle zwanzig Uugenpaare auf mich ge-
richtet. ver Llick der tiinder und ihr Gesichtsausdruck blieb vollkommen unver-
ändert. Zch hatte üas Gefühl, als ob die iiinder Greise wären. Lei Leendigung
meiner Lnsprache hörte ich plöhlich lilopfzeichen, und ich verstand gar bald, datz
hier eine verständigung mit irgendeiner person stattfand. Nach einer gewissen
Zeit trat üann ein Nnabe heroor, der mir etwa folgendes sagte: „vie Ninder
wützten wohl, dah ich kein Nusse sei, und sie glaubten an meine Nufrichtigkeit,
aber ihr Nnführer lieh mir sagen, die beste hilfe für sie sei die, wenn ich mich
nicht in ihre Nngelegenheit einmischen würüe und au; dem Lager verschwände,
solange ich noch heil sei!" vie Worte des Nnaben, üer etwa 13 Zahre alt sein
mochte, waren durchwoben mit hätzlichsten russischen Schimpfworten. Beim Nn-
hören üer Worte dieses Nnaben hatte ich üie Lmpfindung, als spräche ein Lr-
wachsener zu mir, der ein an Lebenserfahrung schweres Lcben hinter sich und
den das Leben zum Menschenhasser gemacht hatte, so wenig kindlich waren die
Worte und das Gebaren de; Nnaben. Oer Gesichtsausdruck bestärkte diese Lmp-
finüung, der ölick des Zungen war tückisch und oo» entschlossener wut.

NIs ich dem linaben üann geantwortet hatte, dah ich entschlossen sei, ihnen
;u helfen, auch gegen ihren willen, teilte der Nnabe mir mit, datz es am zweck-
mähigsten sei, wenn ich mich in den Nufenthaltsraum ihre; Nnführers begeben
würüe, um mit diesem selbst zu verhandeln. — Oer Naum, in den ich mich nun
begab, war in dem gleichen Zustand wie der eben geschilderte. Nuch hier richteten
sich auf mich über zwanzig Nugenpaare und beobachteten mich mit den gleichen
abwägenüen tückischen Llicken. Nuch hier sah ich dieselben unnatürlichen und
unkindlichen, undurchdringbaren Nindermienen.

Gleich nach meinem Lintritt trat mir ein Nnabe entgegen, der etwa 15 Zahre
alt sein mochte,- er war ebenso zerlumpt wie alle anderen Ninder. vieser Nnabe
hatte scharf geschnittene, sgmpathischr Gesichtszüge. — Zch wiederholte nun,
datz ich ihnen helfen wolle und dazu das vertrauen der Ninder beanspruche.
Oer Nnabe antwortete mir etwa folgendes: „Lr glaube an meinen guten Willen,
schon allein deshalb, weil ich Oeutscher sei. Lr mache mich aber daraus aufmerk-
sam, daß ich mein Ziel nie erreichen würde, da die heutigen Nlachthaber in
Nutzland alle verbrecher unü Lumpen seien und üatz ihnen die elternlosen
Ninder nur im Wege stünüen und eine Last wären. Ls bedinge üer Selbsterhal-
tungstrieb, üatz die Lesprisornxe ihr Schicksal selbst in die hand nähmen und
sich gegen ihre vernichtung zur Wehr setzten. vie Lehandlung der Lesprisornze
oon seiten aller Lrwachsenen sei menschenunwürdig. vas Lssen sei ungenietzbar
und zu wenig. Zum beoorstehenden Winter würde die verpflegnng noch schlechter,
und dann sei für üie LospriWinxe üer Zeitpunkt gekommen, selbständig zu
handeln. Nleidung und Wäsche habe man ihnen nicht gegeben. Seit Nlonaten
verweigere man üen Nindern das Lad, ja sogar Wasser zum täglichen Waschen.
Seife kenne man nur noch dem Namen nach."

Oie Worte des Nnaben waren in ihrer Nusdrucksweise und in ihrem Nufbau
erstaunlich gut gewählt. Nus allem mutzte gefolgert werden, datz der Nnabe
bi; zur Nevolution eine sehr gute Lrziehung gehabt haben mutzte. — Zn weite-
ren späteren Unterreüungen hatte ich immer wieder Gelegenheit, die geistige
Uberlegenheit dieses Nnaben feststellen zu können. Zhm gehorchten alle ke-
spiisoinzie in unbedingter Weise, und er war von allen vorkommnissen in der
Nolonie immer unterrichtet. Ls war für mich autzerordentlich interessant fest-
zustellen, mit welcher Treffsicherheit er über das personal urteilte und mit
welch feiner Zronie und auch beitzendem Spott er die Leute karikierte. Nber mit
grötztem Lrschrecken und Leid mutzte ich seststellen, wie dieser Nnabe mit einem
geraüezu inbrünstigen hatz da; personal der Nolonie oerfolgte und bis zu wel-
chem Grade da; Leben aus diesem Nnaben einen Nlcnschenhasser gemacht hatte.

Nur böser wille oüer Unoernunft unü Oummheit konnte die Lehauptung
aufstellen, datz die Ninder des Lagers pathologisch-erdlich belastet seien und ;u
der Gruppe der geistig defektiven Ninder gehörten. Gewitz, es mögen unter den
iiindern viele schwer erziehbare Ninder gewesen sein, aber bei richtigen und
normalen Lebensbedingungen und oernünftigen pädagogischen Nlethoden wäre
es wohl möglich gewesen, aus diesen Nindern wertvolle Nkenschen heranzu-
ziehen!

Welche Nnklage aus einem Nindermund fllr diejenigen, die für da; Ge-
schehen dieser Zeit verantwortlich sind, liegen in den Worten eines vierzehn-
jährigen Nindes als Nntwort auf meine Zrage, wer seine Lltern seien: „Wer
meine Lltern sind? Was weiß ich - sie waren vielleicht ebensolche Lumpen
wie überhaupt alle Lrwachsenen! Ls ist gut, datz ich sie nicht ienne, nicht weitz,
wo sie sinü, so brauche ich wenigstens nicht;u fürchten, sie auch als Lumpen

Zoitsehung auf Seite Sv
 
Annotationen