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NS-Frauen-Warte: die einzige parteiamtliche Frauenzeitschrift — 10.1941-1942

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Heft 17
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https://doi.org/10.11588/diglit.2783#0346
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Weltfahrt tm Nrieae

17on

^elicitaB von Nezniceck

Ein halbes Zahr geht ichnell zu Lnde, und es ist Zeit, an die heimreise zu
üenken,

heimreise, warum nicht? Man setzt sich auf deu nächsten Oampfer unü fährt
nach hause — normalerweise, E; ist aber <knde Mai 1946, und der tirieg in
ikuropa tobt sich in einer jener Schlachten aus, -ie;u einer vorentscheidung
führen sollte. Ver lkintritt Ztaliens in das völkerringen dürfte nur noch eine
Zrage von Tageit sein. Schon geben die italienischen Schiffahrtslinien nur be-
dingte kkuskünste,

Klso heim? Za, aber wie?

tkuf einem Sonntagnachmittagsspaziergang an den Ufern des pazifisckjen
Dzeans wird diese Zrage hin und her besprochen, unü schliehlich wirü die kkeise-
route festgelegt. Über Gstasien soll es gehen, über Zapan, lNandschukuo, Sibirien,
Ooch damit war ich noch lange nicht so weit, stuch andere INenschen waren
aus üen Gedanken gekommen, und als ich harmlos auf der Nippon tsusen Naisha
erschien, mußte ich erfahren, dah es keineswegs sicher sei, ob ich eine Nabine
bekommen könne. vielleicht würd« noch etwas ftei, Zm Nugenblick sei man
ausverkauft,
vas war am 15. lNai.

Nm 16. oersuchte ich es wieder und wurde auf den Nachmittag oertröstet, an
dem e; immer noch keine bindenü« Nuskunst gab. Nuch am 17. und 18. war
nichts entschieden. Möglich, dah eine vorbestellung nicht eingehalten würde.
Ich solle am anderen vormittag wieder nachfragen.

Später! vas Lpäter war schliehlich der 24. lNai um 1 Uhr nachmittags, und
ich dantte meiner weisen voraussicht, die mich einen Teil der Noffer schon
vorher hatte packen lassen.

Vann ging alles recht schnell. Zch hatte den Sailing permit im letzten Kugen-
blick eingeholt, was man eigentlich nicht tun soll. „k'or xvur prvteetion:
plesse süivise me kive ck»z^8 in »ckvanoe ot )'0ur ckepsrturo . . . föitte teilen Sie
mir fünf ilage oorher ihr« Kbreise mit.) vie; ist der letzte Satz im Srief ües <kmi-
grations-vepartments, mit dem man mir gestattet hatte, ein weiteres halbes
Zahr in Kmerika zu bleiben.

Uber wenn man nicht weih, ob man abreist? So tat ich es eben erst achtzehn
Stunden oorher. Kuherdem muh ich gestehen, dah ich dachte, e; sei nur „kor-
bickcken", es scheint >edoch, dah es „strietlv korbickcken" ist.

Eine letzte wilde hetzjagd. Bis ein Uhr nachts packen, um neun Uhr ftüh ein
Ubschiedsbesuch auherhalb der Stadt, und um viertel nach elf war ich an Bord.
ver Oampfer gina um zwölf Uhr mittags.
lfteine klufmerksamkeiten erhalten die Zreundschast!

Ich kann mich nicht üarüber beklagen, dah man zu mir nicht ausmerksam ge-
wesen sei. Sech; herren und eine vame statteten mir einen stbschiedsbesuch
in der stabine ab. Sie wollten sich scheinbar davon überzeugen, ob ich auch be-
stimmt nicht vergessen hätte, meine Xoffer richstg zu packen. Kls sie alle offen
waren, meinten sie, sie wollten mich nicht weiter stören, unü ich brauchte bei
ihrer „Krbeit" nicht anwesend zu sein. Zn der Zwischenzeit könne ja der pah-
beamte in der Nebenkabin« meinen paß durchsehen.

vas fand ich nun meinerseits wieder zuoiel des Lntgegenkommens und
schlug vor, einen der herren des Xonsulats, die am pier standen, zur Unter-
stützung herbcizurufen, doch meinten die netten Besucher, sie wollten niemand
unnötig bemühen.

<ks ging dann auch so. KIs ich nach nur wenigen Minuten zurückkehrte, haste
der Zührer der liebenswürdigen stbschiedsdelegation seine ganze llosche voll
mit meinen INanuskripten und Lriefen, oon denen er meinte, sie würden mich
unnötig beschweren unü meine Xoffer zu sehr füllen. kluf meine bescheidene
llnstage, ob ich oielleicht wissen dürfe, was er da alles oerstaut habe, berief er
sichaüf üas Seichtgeheimnis.

Nun oergina mir doch langsam die gute Laune, und ich machte eine Se-
merkung des Znhalts, -ah ich in Nmerika immer etwas oon „Zreiheit" und
„vemokraste" gehört hätte, womit ich den velegastonsführer sichtlich verbittette
und einen seiner jungen Untergebenen im gleichen Ntahe erheiterte. ikrstaun-
licherweise durste ich nach diesem Zntermözzo doch noch an den pier gehen und
mich von meinen Zreunden verabschiedcn — kur; und schmerzlos
Nun ift es so weit. cluf dem spiegelglatten pazifischen Gzean schwimmen
wir ftiedlich, zunächst nach hawai, und dann nach bsokohama.

Zriedlich schwimmen wir, friedlich nach auhen. Vie See ist ruhig, und an Sord
herrscht ein Settteb, als gäbe es keinen lirieg. Natürlich haben jene nicht gefehlt,
die etwas von englischen Nrieasschiffen flüsterten, aber so recht glaubt keiner
daran, denn die energischen Schritte der Zapaner, als sich einmal ein Lingriff
in ihre Nechte ereignete, machen eine Mederholung unwahrscheinlich.

Natürlich haben mich die klufmerksamkeiten bei der Llusreise ein wenig be-
üenklich gemacht, so fehl am platz sie auch waren. Zmmerhin soll ich in honolulu
alles zurückbekommen. Solange es alles ist und nicht mehr, will ich zuftteden
sein.

<kin buntes völkergemisch auch diesmal an Sord. vergnügungsreisende sind
nicht oorhanden. Nlehrere amerikanische Schriftsteller und Zournc listen fahren
nach dem Zernen Dsten, und dpnn gibt es vettreter jener Nohstoffe, die die
welt regieren, einen Saumwollmann, einen Glmagnaten. Zch bin die einzige
veutsche und werde zunächst mit vorsicht genossen, sitze auch an einem «kinzeltisch.

Unser versammlungsplatz befindet sich beim Radio, wo wir zu allen Tages-
und llbendstunden herumlungern und Stationen hereinzubekommen versuchen,
wobei ich ost sehr «lfolgreich bin.

Gibt's eine Neuigkeit, dann sind auf einmal alle da. ein englischer viplomat,
ein holländischer Napitän, mit einer Zranzösin oerheiratet, die „Nazi-Saroneh"
und der Nest der Zahrgäste, besonders üie Zournalisten.

vie Ntmosphäre Üieser „Gemeinschastsempfänge" wird mir unvergehlich
bleiben. Es wurde gsrade die Zlanüernschlacht geschlagen, und -ie Neuigkeiten
brachten wahrhaftig Gntscheidungen. SchweiAend wurde die klnsage hingenom-
men, niemand machte eine Semerkung, unü i«der vermied es, dem anderen ins
Gesicht zu sehen, damit der nicht glaube, er wolle in seinen Zügen lesen. Nein
Nlihton wurde in unsere Zahrt hineingetragen, üenn wir wuhten alle, dah wir
für vierzehn Tage aufeinander angewiesen waren. Nur eine ältere, schon einige
Zeit oerwitwete amerikanische Laög, oerkürzte die Langweiligkeit ihrer Tage
mit Spionentiecherei und wurde allerüing; von niemand ernst genommen.

ves österen erschien sie zu spät beim Lautsprecher und traf mich mehrere
Male allein dort an. von ihr geftagt, ob es etwas wichtiges gäbe, erstattete
ich kommentarlos Settcht, und mein Gnglisch scheint keinen deutschen klkzent
u haben, denn — entsehlich! — die gute Nlistreh „fiel auf mich herein". Sie
eklagte sich später bitter, dah sie mich nie für eine veutsche gehalten hätte
und ;u klnfang ganz nett gefunden habe. Nachüem sie allerdings mein düsteres
Geheimnis ergründet hatte, wurd« es gan; anders.

ver grauenhafte vorsall ereignete sich auf folgende weise: Grmutigt durch
unsere Nundfunkbeziehungen lieh sie sich kurz vor honolulu mit mir in eine
private Unterhaltung ein. Sie ftagte mich, wohin ich reiste. wahrheitsgemäh
teilte ich ihr mit, dah ich nach einem kurzen klufenthalt in Zapan über Sibirien
heimfahren werde.

Lodernder verdacht stieg in ihren klugen auf. „wohin?" Sie hatte nun schon
den Ton eines Untersuchungsrichters.

„Nach veutschland", erwiderte ich unschuldsvoll.

-G Gott", ssteh sie atemlos hervor. „Oann sind Sie oermutlich eine Nazi!"
„vann bin ich oermutlich eine Nazi."

„Doooh" (Übergänsehaut), „sind Sie mit allem einverstanden, was passiert?"
„Zch weih wirllich nicht alles, was passiett, aber glauben Sie denn, dah es
in Zeiten so groher Lreignisse einen Sinn hat, über Ginzelheiten ein eigenes
Urteil haben zu wollen?"

Nlein unglückliches Dpfer segelt« wie ein verscheuchter vogel über da; pro-
menadendeck und scheute oon da an jedesmal hestig zurück, wenn sie mich von
weitem sah. Zedem an Sord hatte sie sofort üie fürchterliche Neuigkeit mitzu-
teilen, unü da unter üen amerikanischen Zeitungsleuten einige sehr junge und
lusstge Nlenschen waren, geriet sie damit in Teufelsküche. Zrgendwie muh man
auf einem Schiff doch seinen Spah haben, und nun wußten wir wenigstens,
wie man das anfangen könne.

Sald waren Greuelmärchen oon deutschen Unterseebooten, hilfskeuzern und
„pooket bsttleslups" unterwegs, und meine liebe Zreundin hatte ganz er-
schreckliche kluftegungen. Man konnte doch nicht wissen!

ver heilige Llödsinn hatte sich gütigst meiner wieder angenommen und half
mir über Nbschiedsschmerz, bebende Grwartung dem Nommenden gegenüber
unü Ungewihheit der Zukunft hinweg, denn die Überfahtt hatte nicht nur eine
heitere Seite. Unsere Zahtt war eine Nriegsreise über üen Gzean und wär
unoollkommen gewesen, wenn nicht gelegentlich Gerüchte oon englischen
Nriegsschiffen umhergeschwirtt wären. Oieser oder jener meinte, ein nettes
plätzchen in Nustralien oder iianada harre meiner doch noch, und e; lieh sich
nicht vermeiden, dah die Geschichte der „kisama Nlaru", die oon einem englischen
Nriegsschiff angehalten worden war, hie und da in den Gesprächen austauchte.
Nlan hatte damals eine nicht unbeträchtliche klnzahl Oeutscher heruntergeholt.
vie Zapaner allerüings waren sehr besstmmt oorgegangen, und auch auf meinem
Schiff oersicherte mich der Napitän sofort seines Schutzes. Schon am ersten
Nlorgen lieh er sich mir oorstellen und am klbend kam die reizende Zrau des
japanischen Generalkonsuls oon Genf, einst Sotschaftsrat in Serlin und nun
auf der heimreise, an meinen Tisch. Sie berichtete mir, der Generalkonsul in
San Zranstsco, Sato, habe ihren Nlann gebeten, sich meiner in jeder hinsicht
anzunehmen. lsanai konnte sich wohl lebhast vorstellen, dah mir die kiufmerk-
samkeiten der Hankees in den letzten wochen grünülich auf die Nerven gegangen
seien und beruhigte mich bezüglich meines Aufenthaltes in Zapan.

„Sie werden sehen, üah die Veutschen dort beliebter sind."

Zetzt liegt klmerika endgülstg hinter uns, und entschlossen wendet die „Tatuto
Nlaru" nach westen — dem Zernen Dften zu.

vann war der Sonnabendmorgen da, und die erste Spitze Zapans, seit neun
Tagen das erste Lanü, da; wir sahen, taucht« auf.

Zreudig bewegt eilten die Söhne und Töchter Nippon; zur Reling und blickten
sehnsüchtig zu ihrer heimat hinüber. 8ald darauf lernte ich die japanische Land-
schaft kennen und verstand, noch mehr als zuoor, warum die Zapaner sie so
innig lieben. wohl nirgends sieht man so oiele Schattierungen herrlichen Grüns,
dunkle Mälder, blaugrüne Neisfelder und dazwischen blühende Sträucher und
Süsche in ollen Nuancen.

vie letzte Stunde, ehe wir am pier anlegen, ist mit dem llusfüllen oon Zrage-
bogen oergangen. Nur hier unü da, zwischen den Gintragungen in üie Vevisen-
erklärung und dem Zusammensuchen der Suchsttel habe ich Zeit, einen Slick
auf üie grohzügige haftnanlage zu werfen, in der recht lebhafter Settieb herrscht,
laufen doch hier augenblicklich üie Zäden der internationalen handelsbeziehun-
gen zusammen. va drüben liegen die DstasiendaTTipfei des Norddeutschen Llogd,
dort in der Gcke, grau angesttichen, ankert ein Gngländer, der noch heute nacht
oerstohlen da; weit« suchen wird — weih man doch nie, ob nicht irgendein
deutscher hilfskeuzer unterwegs ist und ihm zum verhängnis werden kann.

hauptsächlich aber sieht mon natürlich die vielen Schiffe mit dem Zeichen der
aufgehenden Sonne, die auch jetzt noch nach allen Teilen der Grüe reisen. Zapan
hat passagier- und Zrachtoerkehr nach Nord- und Südamerika, nach Nustralien,
llftika unü Guropa.

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