Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

NS-Frauen-Warte: die einzige parteiamtliche Frauenzeitschrift — 11.1942-1943

DOI Heft:
Heft 15
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.2782#0258
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
VLS 6MS5e

ven üeutlchen frauen rum

Nleine Mutter ist schon zwölf Zahre tot, aber ich habe heute noch nicht ihren
verlust oerschmerzt. Lin wenig Lrde oon ihrem Srabe ruht in meinem Schreib-
tisch, auf dem ich alle meine Vichtungen schreibei ihrem kferzen verdanke ich alle
Glut und Jnnigkeit meiner Seele, und oft ist mir, als sei auch das Licht, das
ich nach ihrem Tode auf ihrer Stirn leuchten sah, in mein wesen übergegangen
und erhelle mein Leben, besonders dann, wenn alles dunkel ist, wenn grotze
Lntscheidungen kommen oder wenn ich nicht weitz, was gut oder böse ist. Sie,
die oiele Arme in ihr haus einlud und ihnen von ttind an half, indem sie noch
als kleine; lNädchen, von ihrem Lerghof in der Zrühe herabkommend, vor dem
Schulbeginn mit ihren Schweftern den ttranken des vorfe; die Betten richtete
und ihnen ttaffee kochte, sie hat es durch ihr veispiel bewirtt, datz ich heute
noch in jeder alten Zrau die Mutter sehe und ihr helfe, als sei es meine eigene
Mutter.

So verdanke ich der heitzgeliebten Mutter nicht nur mein körperliches Leben,
meine behütete tundheit und das ttotz allen Anfällen gesunde ölut, ich oer-
danke ihr auch jenes Übermatz von zarter und kästiger Liebe zum Mitmenschen,
zum ganzen volke, für da; ich mein Leben lang gearbeitet habe. Dhne das
Leispiel ihres grotzen mütterlichen herzens hätte ich nicht die tiraft dazu ge-
habt/ ich habe ihr mein Leben anoerttaut und weitz, datz sie über mich wacht,
ich werde nie aufhören, ihr ttind zu sein, obwohl nun auch schon das ttlter meine
Schläfen streift. Za, ich weitz, datz sie mir ihre hand in der jetzten Stunde reichen
wird, wie schon einmal, als ich glaubte, sterben ;u müssen.

lvarum schreibe ich das alles? Sollte ich es nicht für mich dehalten, oder
e; höchstens meinen eigenen Söhnen erzählen, die nun als Soldaten im tiriege
stehen?

kvenn ich jetzt meine Mutter um kkat ftagen würde, sie würde mir gewitz
die hand führen und mich heitzen weiterzuschreiben. venn auch sie hat die Not
de; ttrieges gekannt: oier ihrer Söhne standen im Zeld, der beste von ihnen
ist gesallen, und sie hat damals oor Schmer; ihr lileid zerrissen, eine Men-
schenmutter, die ihre liinder leidenschaftlich liebte, einer wurde schwer oer-
wundet, die beiden anderen blieben heil, aber der Mutter Sorge hötte Tag
und Nacht nicht auf.

_ Ich weitz also, wie einer Mutter ums her; ist,' ich weitz, was deutsche Mütter

SUd»r»«Mr,!c«>nung »on XiSig in diesem liriege geopsett haden, und datz kein wott, kein venkmal, kein Sieg

ausreicht, um das Gpfer der Mütter auszuwiegen, das sie täglich bringen. <kin
una Ii»t>»nci» Socg, »ür <ti» r,miii, un-t 6»n ttat Mutterher; kann nicht vergessen, denn immer ist e; ja ein lleil ihres eigenen

N,t>»n >t», r»>ck,n in <t„ ^ntiitr <t,< s»u»<in ,,p<»gt Lebens, das sich auf dem Schlachtselde für da; Leben des ganzen volkes dar-

bringft sie hat üieses Leben in ihrem Schoh gettagen, hat am Sette ihres
Ninde; gewacht, sie sah es wachsen und reifen, und wenn sie nun die hanü
nach der Zrucht ausstreckt, um endlich den tausendfach oerdienten Lohn ihrer

6ine ^iutter lchreibt an ibren 8olin

folgend wortgetreu unsei'en Lefeeinnen mitteilen, weil uns aus ihm das unbe.
zwingbare deutfche Mutterheez entgegenfchlägt. vie Schriftleitung

Mein lieber Seppl!

Zn ein paar Tagen ist veine Gebirgsjäger-Ausbildung nun vorbei. vann wird'; wohl gleich ohne Urlaub und ohne wiedersehen an die
Zront gehen. 5o herzlich gerne hätte ich vir nochmals in Veine tteuen klugen geschaut und vir ein herzliches ,.Eott befohlen!" gesagt. Nber
ich weitz, dah jetzt keine Zeit mehr oersäumt werden darf, denn üas vaterland rust lauter denn je, und so wollen wir stark und muttg
alles nehmen, wie e; sein muh.

vu hast mir bei veinem letzten Sesuch soviel Zreude gemacht, Seppl, als vu sagtest mit stolzem, sttahlendem Gesicht: ..Mutter, ich bin einer
der besten Scharfschützen, es ift so, wie vu mir schon immer sagtest, ich hab' a bihl vaters und Grotzoaters Zagerbluit in mir, und jeht
kann ich's gut brauchen, auf die wilden Sussen schieh' ich lieber als auf wilde Tiere." Und als ich die Zrage stellte, ob vu denn keine Nngst
hättest, wenn vu gleich in die oorderfte Linie kämest, gabst Vu fest entschlossen die klntwort: „Nein, Mutter, wenn schon, dann will ich ja
dott stehen, wo ich auch viel treffen kann, für klngst hat man jetzt doch keine Zeit mehr." Seppl, diese wotte haben veiner Mutter alles
gesagt, wa; si« von vir wissen will, um gerne veine Mutter ;u sein! So wünsch' ich mir auch die anderen sechs iLinder, pflichtberoutzt
und tapfer und hatt, wenn es sein mutz! vas sind wir unserem Zührer schuldig, und wir wollen ihm nun beweisen, datz wir ihm nicht
blotz treu waren, als er uns durch seine edlen Einrichtungen half, sondern auch jeht, wo e; hatt auf hatt geht.

Zch bin glücklich, Seppl, datz Zhr inzwischen nun so herangewachsen seid, datz ich mit dem vater gleich drei ttinder in den vienst des
vaterlandes sür den Gndsieg ftellen kann. — Ztag nun nicht, wer die Nrbeit macht und den Nachbarn aushilst, was Zhr bisher tatet. Sei
den klachbarn werden schon Mittel und Wege gefunden werden, es gibt ja so viele Gesangene. Und bei uns, da setz' ich meine oollen
Nräfte ein für haus, Stall unü Zeld, und Nosl wird von der Schule ftei für üie Nleinen und kann mir schon viel behilflich sein. Und die
versorgung für Guch vier sällt mit der Nrbeit weg, und Sommergäste kommen nicht mehr. Und vu weitzt ja noch, Seppl, datz ich vor
7 Zahren auch die meifte Nrbeit allein tun muhte unü nur Lure ttinderhände mir halfen, als vater kank war. wohl bin ich ein bitzl
älter geworden, aber ich fühle mich kästiger als >e. vas Sewutztsein, um was es geht, stärft meine Seele und meine hände. vamals hatte
ich di« hoffnung und das vettrauen schon oerloren und glaubte nicht mehr daran, datz sich.der Zustand noch einmal bessette, und dos Lssen
war damals viel schmaler und einseitiger als heute.

So habe keine Sorge um mich, Seppl, ich bleibe aufrecht stehen und erfülle nur Pflichten, und sie helfen mir über das plötzlich zer-
rissene Zamilienleben hinweg, denn hätte ich nicht so oiele Arbeit, dann würde ich Luch oier doppelt oermissen und würde auch nachts
nicht schlafen können. Nber dann mützte ich mich ja schämen oor all den Müttern, welche ihr« Nkänner und Söhne schon seit Seginn des
iirieges missen oder schon in ftemder Lrde wissen.

Veshalb empfinde ich diese Mobilisierung keinesweg; als Last, sondern nur als pflichtersüllung, denen endlich auch zu hilfe eilen zu
könnrn, welche schon so lange diese Zront gehalten haben. — wo veine Schwester und vein jüngerer Sruder hingestellt werden, weitz ich
noch nicht, aber es ist ganz gleich, wo sie ihre pfticht tun. Zür vater hoffe ich, datz er nicht mehr ;u schwerer Nrbeit geholt wird, er ist
ja so abgerackett, und auch sein her, ist schwach, aber e; gibt ja auch leichtere posten.

So, mein Seppl, sagen wir un; alle „Gott mit uns!" und hoffentlich sehen wir uns alle in unserer heimat wieder. vie Zreude, dah
auch wir zum Lndsieg beittagen konnten, wird dann unbeschreiblich sein!

Zch drücke im Geiste noch einmal recht herzlich veine Nechte und blicke tief in veine reine Nindesseele und empfehle vich heute schon
der gütigen vorsehung für all« schweren und grohen Stunden.

Zn herzlicher Liebe und Lreue

veine INutter.
 
Annotationen