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Münsterbau-Verein <Freiburg, Breisgau> [Hrsg.]
Freiburger Münsterblätter: Halbjahrsschrift für die Geschichte und Kunst des Freiburger Münsters — 1.1905

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Kempf, Friedrich: Ein "Barmherzigkeits"-Bild Lukas Cranachs des Älteren von 1524 in der Freiburger Münster-Sakristei
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https://doi.org/10.11588/diglit.2395#0027

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Laubwerk am Tympanon der Vorhalle.

Ein „Barmherzigkeits"-Bild
Lukas Cranachs des Altern von 1524

in der Freiburger Münster-Sakristei.

Von

Münsterarchitekt Friedrich Kempf.

5W?CG^n ^er Sakristei des Freiburger Münsters
/)■(?/ befindet sich ein Tafelgemälde, das, ob-
)■ (TS won' bisher so gut wie unbekannt, als ein
yfH^W Meisterwerk ersten Ranges sich erweist.
Es ist nichts weniger als eine Schöpfung
Lukas Cranachs des Altern, darstellend den über sei-
nem Grabe sitzenden Heiland als Mann derSchmerzen.
In der reichen Literatur über den Meister findet
sich das Bild, abgesehen von Marmons kurzer Notiz1
nirgends erwähnt. Auf der im Jahre 1899 in Dresden
veranstalteten Lukas Cranach-Ausstellung waren fast
alle bekannten Werke des Künstlers, die weit ver-
streut in Privatbesitz und öffentlichen Sammlungen
verwahrt sind, zu gemeinsamem Genüsse vereinigt.
Wäre unser Bild damals bekannt gewesen, so würde
man es zweifellos für jene Ausstellung erbeten haben.
Auch in dem von Eduard Flechsig, dem bewährten
Cranach-Forscher, zusammengestellten großen Tafel-
werke vermissen wir unser Bild. Wenn wir aller-
dings bedenken, dass das Gemälde an einem nicht
leicht zugänglichen Orte aufbewahrt wird, so ist dies
begreiflich. In dem Buche „Freiburg im Breisgau,
die Stadt und ihre Bauten" 2 habe ich es in
meinem Münsteraufsatze kurz besprochen und bin,
obgleich mir damals das nötige Vergleichsmaterial
nicht zur Hand war, auf Grund der typischen Auf-

1 Jos. Marmon, Unserer Lieben Frauen Münster zu Frei-
burg i. Brg. Freiburg 1878. S. 98.
3 Freib. 1898. S. 324.

Freiburger Münsterblätter I, 1/2.

fassungsweise des Bildes und seines bestimmt aus-
gesprochenen Stils zu der Ansicht gelangt, dass es ein
Werk Cranachs des Altern sein müsse. Diese An-
nahme hat sich bestätigt, als das Bild zur Reinigung
von seinem Platze herabgenommen wurde. Nach-
dem dasselbe nämlich von seinem Staubschleier be-
freit war, zeigte sich links unten, unmittelbar über
dem Rahmen, die Jahreszahl 1524 mit dem zwischen
ihr befindlichen Monogramm des Meisters: die be-
kannte Schlange mit stehendem Fledermausflügel.

Museumsdirektor Dr. Oskar Eisenmann in Kassel,
dem ich diesen Befund unter Vorlage einer photo-
graphischen Aufnahme zur Kenntnis brachte, er-
widerte mir darauf, dass er das Bild schon seit
vier bis fünf Jahren bei seinem Aufenthalt in Frei-
burg regelmäßig besichtige; das Bild stamme ohne
Frage von Lukas Cranach und sei eines der besten
Werke aus dessen guter mittlerer Zeit; ein seltener
Gegenstand der Darstellung allerdings, der aber auch
von andern Altdeutschen zuweilen gemalt wurde3.

J Museumsinspektor Dr. Ed. Flechsig in Braunschweig, der
erfahrene und berufene Cranachforscher, dem ich auf Wunsch
Photographien des Bildes sandte, hat sich für dasselbe sehr leb-
haft interessiert und bedauert, dass das Gemälde auf der Cranach-
Ausstellung in Dresden 1899 nicht zu sehen war, da es dort
wegen der Bezeichnung eine sehr wichtige Rolle gespielt und
ihm manche mühsame Untersuchung erspart haben würde.
Flechsig misst dem Bilde eine große kunstgeschichtliche Be-
deutung bei, weil es in beredtester Weise Aufschluss über die
Entwicklung des Meisters gibt, über die wir noch nicht genügend
unterrichtet sind.
 
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