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Münsterbau-Verein <Freiburg, Breisgau> [Hrsg.]
Freiburger Münsterblätter: Halbjahrsschrift für die Geschichte und Kunst des Freiburger Münsters — 1.1905

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Kempf, Friedrich: Ein "Barmherzigkeits"-Bild Lukas Cranachs des Älteren von 1524 in der Freiburger Münster-Sakristei
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https://doi.org/10.11588/diglit.2395#0028

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Kempf, Ein „Barmherzigkeits"-Bild Lukas Cranachs des Altern

Die gesamte Maltätigkeit Lukas Cranachs des
Altern zerfällt bekanntlich in drei Hauptabschnitte,
deren mittlerer mit dem Jahre 1504 beginnt, sich von
hier an bis etwa zum Jahre 1520 in aufsteigender
Richtung bewegt, dann längere Zeit auf der Höhe
stehen bleibt, um später allmählich, jedoch fast un-
merklich abzunehmen.

Geboren 1472 zu Kronach in Oberfranken, nannte
sich der Meister, dessen eigentlicher Familiennamen
Müller oder Sunder gewesen sein soll, nach seiner
Vaterstadt, wie dies sein ursprüngliches Künstler-
zeichen L. C. ausspricht. In Wittenberg, wo er 46Jahre
lang tätig war, hieß er nur Lukas Maler. Sein Vater
soll gleichfalls Maler gewesen sein und seinem Sohne
die erste Ausbildung gegeben haben. Doch ist die
Jugendzeit des Künstlers in Dunkel gehüllt, das sich
erst um das Jahr 1500 zu lichten beginnt.

Die ersten datierten Werke, die wir von ihm
kennen, sind mehrere Holzschnitte, die aus den Jahren
1502 und 1503 stammen. Dass er eine Zeitlang in
Österreich, vermutlich in Wien, und zwar vor 1504
gelebt hat, ist beglaubigt. Im Jahre 1504 erfolgt seine
Übersiedlung nach Wittenberg, wohin ihn Kurfürst
Friedrich der Weise als Hofmaler berief. Hier entfaltete
er eine überaus reiche Tätigkeit. Aus der fränkischen
Schule hervorgegangen, galt er in der damaligen Zeit
nach Dürer und Holbein als der einflussreichste Maler
und wurde, wenn auch nicht der Begründer, so doch
der Führer der sächsischen Schule. Mit Gelehrten
der Wittenberger Universität und andern einfluss-
reichen Persönlichkeiten stand er in inniger Freund-
schaft, zumal mit Luther, den er vielfach porträtiert
hat. Im Jahre 1508 verlieh Friedrich der Weise dem
Künstler ein persönliches Wappen, nämlich „ein gelen
schilt, darinnen ein swarz slangen, habend in der
mitt zwen swarz fledermausflügel, auf dem haupt ein
rote cron und in dem mund ein gülden ringlein, dar-
innen ein rubinsteinlein . . ." Dieses Wappentieres
bediente sich Cranach zur Bezeichnung seiner künst-
lerischen Arbeiten seit 1509'. Im Jahre 1508 weilte
er mehrere Monate in den Niederlanden, wohl auch
am Hofe der Regentin, deren achtjährigen Neffen,
den späteren Kaiser Karl V., er damals malte. 1519
wurde er in den Rat der Stadt Wittenberg gewählt,
dem er längere Zeit angehörte. Zweimal, 1537 und
1540, war er auch Bürgermeister der Stadt, um deren
Wohl er sich die größten Verdienste erworben hat.

Seine Kunst hat ihm überall Ansehen und be-
trächtliche Reichtümer gebracht, so dass er in der
Lage war, mit seinem Kapital eine Apotheke und
Buchdruckerei mit Buchhandel zu erwerben: eine
vorteilhafte Anlage seines Vermögens, ohne dass er

1 Eduard Flechsig, Cranachstudien I. Teil. Leipz. 1900.
S. 28—31.

selbst aus der Sphäre seines idealen Schaffens in das
Gebiet der profanen Materie herabzusteigen brauchte.

Von Cranachs zwei Söhnen wurde das gleiche
Künstlerzeichen wie von ihrem Vater geführt. Der
ältere, Hans, der neuerdings als identisch mit dem
in der Kunstgeschichte als Pseudo-Grünewald oder
Simon von Aschaffenburg genannten Künstler be-
zeichnet wurde, starb schon 1537 zu Bologna, wohin
er zu seiner weiteren Ausbildung gegangen war. Der
1515 geborene Sohn Lukas, der Stammhalter der
noch heute blühenden Familie Cranach, erfreute sich
als Maler und Bürger zu Wittenberg höchsten An-
sehens und starb im Jahre 1586.

Das Verhältnis Cranachs zu seinen Fürsten blieb
stets ein ungetrübtes. Er hat jederzeit eine Vertrauens-
stellung bei ihnen eingenommen. Seine Treue und
Anhänglichkeit gegen seine fürstlichen Gönner war
so groß, dass er im hohen Alter von 78 Jahren dem
Kurfürsten Johann Friedrich dem Großmütigen, der
nach der Schlacht bei Mühlberg von Karl V. besiegt
und gefangen genommen wurde, auf wiederholtes
Bitten nach Augsburg in die Gefangenschaft folgte
und diese mit ihm teilte. Von hier zog er mit seinem
Herrn nach Innsbruck und im Jahre 1552 zurück
nach Weimar, wo Cranach im Hause seiner Tochter
Barbara am 16. Oktober 1553 im Alter von 81 Jahren,
mitten in der Arbeit an einem großen Altarwerk für
die Weimarer Stadtkirche, gestorben ist.

Lukas Cranach war einer der fruchtbarsten Künst-
ler seiner Zeit. Er wird von zeitgenössischen Ge-
lehrten als der „schnellste" Maler gefeiert. Da er
stets eine Menge Aufträge hatte, beschäftigte er in
seiner Werkstatt zu Wittenberg, wo er während der
Jahre 1504 bis 1550 ununterbrochen seinen Wohnsitz
hatte, eine große Anzahl Gesellen. Zu des Meisters
besten Leistungen gehören seine zahlreichen Holz-
schnitte, deren Auffassung und Zeichnung bisweilen
an Dürer und Grünewald erinnern, die er jedoch,
was Erfindung anlangt, nicht erreichte. Vielfach war
er auch mit der malerischen Ausschmückung von
Innenräumen fürstlicher Schlösser beauftragt. Leider
sind diese Wandmalereien untergegangen, da die
Schlösser im Laufe der Zeit umgebaut oder zerstört
worden sind.

Groß ist auch die Zahl seiner Tafelgemälde kirch-
lichen und profanen Charakters, von denen uns viele
erhalten sind und zu deren hervorragendsten die
Altarwerke in Zwickau, Grimma und Halle zählen.

Sehr bemerkenswert ist sodann seine Tätigkeit
für Leipziger und Wittenberger Drucker. Eine An-
zahl der schönsten Titeleinfassungen rührt von ihm
her. Auch zur Illustration des Gebetbuches des
Kaisers Maximilian vom Jahre 1515 war der Künstler
herangezogen worden.
 
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