Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Münsterbau-Verein <Freiburg, Breisgau> [Hrsg.]
Freiburger Münsterblätter: Halbjahrsschrift für die Geschichte und Kunst des Freiburger Münsters — 1.1905

DOI Artikel:
Sauer, Joseph: Das Freiburger Münster im Licht der neuesten Forschung
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.2395#0053

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Kleine Mitteilungen und Anzeigen

43

gleich wie bei Grünewald sind auch bei ihm die Spuren
seines Schaffens fast die einzigen Dokumente, und da
ist es namentlich sein Hauptwerk, unser Hochaltar, bei
dessen Herstellung seine Züge für uns greifbarer und
fasslicher werden. Schon bald nach dieser Periode
leuchtet nur dann und wann sein Bild noch aus dem
wirren Dunkel der Zeit heraus und, was noch be-
achtenswerter ist, die so gesunde und kraftvolle Künstler-
natur wird mehr und mehr unfruchtbar; und was sie
noch schafft, reicht an Frische und lebendiger Kraft
nicht an die in Freiburg entstandenen Schöpfungen
heran. Eingewirkt haben auf seine Ausbildung im
Zeichnen und Komponieren ohne Zweifel Dürer, viel-
leicht sein direkter Lehrer, jedenfalls ihm eng befreun-
det, auf sein Kolorit ganz besonders Grunewald. Einen
guten Namen hatte sich Baidung sowohl durch Holz-
schnitte wie durch Gemälde schon gemacht, als ihm
1512 von den Freiburger Münsterpflegern der ehren-
volle Auftrag wurde, für den eben fertig gewordenen
Hochaltar ein Tafelwerk zu schaffen. Den Mittelpunkt
der verschiedenen dargestellten Szenen wie überhaupt
des Altars bildet die Krönung der Gottesmutter. Es
ist richtig, dass dem Bilde die religiöse Weihe und die
feierliche Innerlichkeit fehlt, die die Italiener und auch
Dürer in selche Darstellungen zu legen wussten, auch
dass diesen derben Alltagsgestalten, vielfach in den ge-
wagtesten Haltungen, „die geistige Hoheit" und die
Anmut Dürerscher Typen abgeht; ob aber der Verzicht
auf Höhenentfaltung in der Komposition wirklich als
ein solch schwerer Fundamentalfehler anzusehen ist,
wie Baiimgarten annimmt, kann doch wohl bezweifelt
werden. Nicht der „Eigensinn" der Münsterpfleger,
auch wohl nicht das Ungeschick des Meisters scheinen
schuld zu sein, dass man das Himmelfahrtsmotiv preis-
gab und sich bloß auf den letzten Akt des Vorgangs,
auf die Krönung beschränkte, was in jener Zeit häufig
genug der Fall ist1, sondern in erster Linie die
Rücksicht auf den Chorraum. Eine Höhenentwicklung
der ganzen Szene, wie sie notwendig geworden wäre
im Falle der Auflösung des Vorganges in die zwei
Akte der Himmelfahrt und Krönung, hätte unausbleib-
lich das zur Folge gehabt, was Baumgarten mit Recht
an dem jetzigen Aufbau des Hochaltars tadelt, die
„Versperrung des freien Einblickes in den Chorumgang".
Die Anbringung der Apostel zuseiten der Mittelszene
beweist durchaus nicht, dass „Baidung die beiden
Szenen offenbar vereinen wollte". Die Apostel sind
hier nicht in historischem Sinne, als an dem Vorgang
beteiligt angebracht; das beweist schon der Umstand,
dass sie großenteils die Leidenswerkzeuge bez. ihre
sonstigen Attribute tragen. Dadurch wird ihnen eine
viel allgemeinere, mehr idealistisch-liturgische Bedeutung
zuerkannt; der Künstler hat damit zu der alten Dar-
stellungsweise, die die Apostel als ebenfalls schon in

1551. „ mer 8 lib. 12 ß 6 4 dem Baidung moler zu Straussburg.
1553. „ „ 8 „ 12 „ 6 „ „

Die Auszahlung der ganzen Rente mit 17 Pfund 5 Schil-
ling geht bis uf cireumeisionis domini — bis zu diesem Tage,
bez. bis Weihnachten oder bis zum 24. Juni reichen jeweils die
Rechnungsregister; vgl. oben S. 37 — also bis 1. Januar 1546,
wodurch die Beanstandungen Baumgartens a. a. O. S. 12 Anm. 29

hinfällig werden. „. c . .,,., ..

Die Schnftleitung.

Vgl. nur Pacher an dem berühmten Altar von St. Wolfgang.

die Freuden des Jenseits eingegangene Zeugen der Ver-
herrlichung Maria schildert, zurückgegriffen.

Manches wäre hier noch zu sagen gewesen über
die Anordnung der Apostel, vor allem über die Stellung
des hl. Petrus zur Linken, des hl. Paulus zur Rechten
des Herrn. Gibt sich schon in dem prononzierten
Heraustreten der beiden Apostelfürsten aus der Schar
der übrigen fast nur als Statisten behandelten Apostel
das Nachklingen der sehr alten Tradition von Petrus
und Paulus zuseiten des Herrn zu erkennen, so liegt
das ohne weiteres auf der Hand bei diesem in der
frühchristlichen und frühmittelalterlichen Kunst so häu-
figen Stellungswechsel der zwei Apostel.

Die vier auf den Seitentafeln angebrachten Weih-
nachtsbilder übertreffen unstreitig das Mittelbild in vielen
Stücken, zunächst durch eine gewisse Anmut der Figuren
oder der ganzen Auffassung und dann vor allem durch
die kunstgeschichtlich bedeutsame Betonung der Licht-
effekte auf dem Verkündigungs- und Geburt-Christi-Bild.
Der Verfasser hat wohl recht, wenn er den Nieder-
ländern jener Zeit besondere Vorliebe für solches Hell-
dunkel zuschreibt. Will man einen Begriff davon be-
kommen, welch raffinierte Probleme diese Meister lange
schon vor Correggio zu lösen versucht haben, so sehe
man sich das um 1500 entstandene Triptychon einer
Gefangennahme Christi in der Dresdener Galerie an2.
Für Baidung selbst kam die Anregung und das Vorbild
für dieses ausgesprochen moderne Motiv von Grüne-
wald her. Sachlich vorbereitet war es jedenfalls schon
durch die ganze theologische Auffassung des Mittel-
alters. Ob man technisch zuerst in den Niederlanden
„darauf verfallen sei", weiß ich nicht; nur möchte ich
darauf hinweisen, dass es mindestens ein viertel Jahr-
hundert vor den ältesten von Baumgarten namhaft ge-
machten niederländischen Beispielen schon in einem
Bilde Gentiles da Fabriano in der Accademia delle
Belle Arti zu Florenz begegnet3.

Wenn Baidung inbezug auf Lichtbehandlung und
Kolorit von Grünewald sehr vorteilhaft sich beeinflussen
ließ, so lässt sich das weniger von der Komposition im
allgemeinen sagen. Die wuchtige, einfache Großzügig-
keit des fränkischen Meisters fehlt bei ihm fast völlig.
Am meisten empfindet man das angesichts der Kreu-
zigungsdarstellung, mit der die Rückseite des Freiburger
Hochaltars geschmückt ist. Hier hat uns Baidung wie
bei allen andern Wiederholungen der gleichen Dar-
stellung die traditionelle Auffassung wiedergegeben,
wobei der ganze legendarische Zuschauerschwarm noch
auftritt und die weihevolle Ruhe und die Wirkung der
Szene endgültig zerstört. Jedenfalls lassen sich in der
Behandlung dieses typischen Nebenapparates in der zeit-
genössischen Kunst bestimmte Gruppen unterscheiden,
wie auch Baidung selbst,' den Vorgang nicht immer in
derselben Weise wiederholt hat. Mit den vier Heiligen,
die zuseiten der Kreuzigungsgruppe auf den Flügeln
angebracht sind, sollen offenbar Beziehungen angedeutet
werden, welche das Münster und seine Interessen mit
gewissen Persönlichkeiten oder Institutionen verknüpften.
So wie an der Predella der Rückseite die vier Münster-
pfleger Sebastian von Blumneck, Ägidius Has, Ulrich

- Ausgestellt in Düsseldorf 1904, abgebildet im Katalog
No. 195.

3 Abgebildet in der Gazette des Beaux Arts 1904, S. 91.
 
Annotationen