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Münsterbau-Verein <Freiburg, Breisgau> [Hrsg.]
Freiburger Münsterblätter: Halbjahrsschrift für die Geschichte und Kunst des Freiburger Münsters — 1.1905

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Flamm, Hermann; Albert, Peter P.: Ordnungen und Satzungen der Freiburger Münsterkirche
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https://doi.org/10.11588/diglit.2395#0077

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Flamm, Ordnungen und Satzungen der Münsterkirche

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und der Apostel Petrus und Paulus, und auf dem
Fronleichnamsaltar. Dieser erste Teil des Gottes-
dienstes soll beendet sein, wenn es zur Frühmesse
zusammenläutet.

Während des Frühamtes zelebrieren zwölf Ka-
pläne auf den Altären der hl. Margarete, dem Kreuz-
altar, in der Kapelle der hl. Maria Magdalena, auf
den Altären der hl. Katharina, Johannes' des Täufers,
dem Kreuzaltar, Fronleichnamsaltar, in der Kapelle
der Apostelfürsten, der hl. Maria Magdalena und
nochmals auf dem Altar Johannes' des Täufers.
Schon die Bezeichnung der Altäre beweist, dass diese
zwölf Messen zum Teil nacheinander gehalten wur-
den. Dieser zweite Akt des Gottesdienstes soll bis
zum ersten Läuten oder ersten Glockenzeichen des
nun folgenden „öffentlichen" Amtes zu Ende sein.

Noch vor Beginn dieses Amtes werden, zum Teil
nacheinander, auf sechs verschiedenen Altären elf
Messen gelesen, die bis zum Zusammenläuten been-
det sein sollen. Während des nun folgenden Amtes
werden dann nochmals zehn Messen auf neun Al-
tären gehalten.

Damit ist der Altardienst zu Ende. Mittags wird
dann die Vesper gehalten, die heute, obwohl das
Münster Domkirche ist, nur noch an Sonn- und
Feiertagen gemeinsam gebetet wird. Des weitern
wird die Teilnahme am Breviergebet streng einge-
schärft und dabei die würdige Lesung der Matutin
und der Tagmesse in der St. Nikolauskirche der
Vorstadt Neuburg, die gleichzeitig mit der Tagmesse
im Münster gehalten wurde, erneut vorgeschrieben.

Die große Zahl der täglich im Münster darge-
brachten Messopfer — es waren ihrer in runder Zahl
vierzig Messen — führte im Jahr 1400 zu einer gänz-
lichen Umgestaltung jenes Teils der Statuten, der
die Gottesdienstordnung enthielt; der pfarramtliche
Gottesdienst wurde indes davon nicht berührt. Der
abnehmende Betrag der täglich eingehenden Opfer
hatte, wie geklagt wird, bei der Verteilung unter die
einzelnen Kapläne zu wenig abgeworfen. Die Zahl
der Kapläne war eben viel zu groß' und gleichzeitig
mit den heiligen Messen im Münster fand auch noch
in den andern Kirchen der Stadt und den Klöstern
Gottesdienst statt. Dem Übelstand suchte das Statut
vom Jahr 1400, das allem Anschein nach bis weit

1 Im Jahr 1390 (Schreiber, Geschichte d. Stadt Freiburg 2,
S. 203) zählte Freiburg allein 77 Weltgeistliche. Eine Liste von
1385, die nur die untere Altstadt und die ganze Neuburg um-
fasst, also die obere Altstadt mit der Pfaffengasse (Herren-
straße), wo die Pfründhäuser lagen, nicht einschließt, führt
30 Weltgeistliche mit Namen auf, die Zahl 77 ist also durch-
aus glaubhaft.

in das 16. Jahrhundert hinein in Kraft blieb, in einer
Weise abzuhelfen, die für das kirchliche Leben ver-
hängnisvoll wurde. Um die große Zahl der täglichen
Messen zu mindern, wurde ihre Gesamtzahl auf einen
vierwöchentlichen Zyklus verteilt. Von den Kaplänen,
deren Zahl über 40 ging, zelebrierten täglich nur
noch elf oder zwölf und zwar dieselben Kapläne je
eine Woche lang auf den hierfür bestimmten Altären.
In der zweiten Woche kamen etwa ebensoviel andere
Kapläne an die Reihe, und so die Zahl der Pfründ-
ner durch, bis in der fünften Woche wieder die
ersten Kapläne zum Zelebrieren gelangten. Die bis-
herige enge Verbindung mit dem pfarramtlichen
Gottesdienste wird aufgegeben; für die Aufeinander-
folge der einzelnen Messen gilt nur noch die Be-
schränkung, dass keiner zu zelebrieren beginne, ehe
nicht sein Vormann bei der heiligen Wandlung die
geweihte Hostie in die Höhe gehalten hatte.

Das neue Statut hatte den großen Fehler, dass
es den Kaplänen zu viel freie Zeit gewährte. Auf
eine Woche mit Altardienst folgten jeweils drei
Wochen, in denen der Kaplan, falls der Stiftungs-
brief seiner Pfründe nicht ausdrücklich genaue andere
Vorschriften enthielt, nur am Breviergebet teilzu-
nehmen hatte. Wohl wird die Verpflichtung dazu
erneuert, und es wird auch eingeschärft, dass kein
Pfründner außerhalb Freiburgs ein weiteres Benifizium
übernehme, das ihn veranlassen könnte, sich zeit-
weilig von der Stadt zu entfernen, aber diese Vor-
schriften wurden nicht immer energisch durchge-
führt. Dies war oft auch beim besten Willen nicht
möglich, denn der Ertrag mancher Pfründen reichte
zum Lebensunterhalt des Pfründners nicht aus. Die
Folge war, dass die wochenlang unbeschäftigten Ka-
pläne, die über viel zu viel freie Zeit verfügten,
sogar in Handwerken Nebenverdienst suchten und
auch auswärtige Pfründen zu erlangen strebten. Dar-
unter litt natürlich nicht nur der tägliche Chordienst,
sondern das kirchliche Leben überhaupt. Zu diesen
unerfreulichen Zuständen aber hat gerade die Gottes-
dienstordnung von 1400, die zwar gut gemeint ge-
wesen sein wird, doch die rechtliche Grundlage gelegt.

Im folgenden erscheint der Abdruck der beiden
Statuten, von 1364 und 1400 und daneben eine deut-
sche Übersetzung, die sich nach Möglichkeit dem
lateinischen Original anschließt. Dieses oder viel-
mehr seine Abschrift ist, wie schon erwähnt, im
ältesten Ratsprotokoll der Stadt (1386—1426) erhalten
und steht dort S. 29—48. Sie ist in schöner kräf-
tiger Schrift, aber mit sehr vielen Abkürzungen ge-
schrieben. Die Originalurkunden sind nicht erhalten.
 
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