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Stehlin, Über die alten Baurisse des Freiburger Münsterturms

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Die Umänderung nach diesen Gesichtspunkten Sechseck mit drei begleitenden Tabernakeln und
setzte zweierlei voraus: Erstens, dass der Übergang endlich einer sechseckigen Fiale, ist die getreue Über-
zum sternförmigen Grundriss schon unterhalb der setzung des viereckigen Turmes ins Dreieckige. Diese

Galerie stattfinde und zweitens, dass die Strebepfeiler
Gleichfalls schon unterhalb der Galerie zu Ende ge-
führt würden. Das eine wie das andere ließ sich
erreichen durch Beibehaltung des Uhrgeschosses.
Wenn beides, wie in der Einleitung erörtert worden
ist, nicht in tadelloser Weise durchgeführt wurde,
so lag der Grund wohl in ökonomischen Erwägungen;
es waltete bei der endgültigen Feststellung des Planes
offenbar das Bestreben ob, die Veränderungen am
Uhrgeschoss und an den Strebepfeilern auf das alier-
notwendigste zu beschränken. Deshalb beginnt die
Überleitung in den Sterngrundriss erst mit derjenigen
Quaderschicht, bei welcher der Verband der Taber-
nakel mit den Strebepfeilern aufhört; möglich, dass
ein eingreifenderes Projekt im Sinne von Fig. 1
vorangegangen ist, das dann dem jetzigen Kom-
promissgebilde weichen musste. Dieselbe Tendenz,
das Bestehende zu schonen, erkennt man im weiteren
daran, dass die dreikantigen Ecken des Sterns auch
oberhalb der Galerie noch mit dem Achteck ver-
wachsen bleiben. Diese Anordnung hängt nämlich
ohne Zweifel mit dem Glockenstuhl zusammen. Wir
haben schon oben daran erinnert, dass nach Adlers
interessanter Beobachtung der Glockenstuhl früher
als die Mauern des Uhrgeschosses errichtet sein
muss. Für uns bedeutet diese Tatsache, dass der
Glockenstuhl mit zu den Bauten gehört, welche zur
Zeit der Planveränderung bereits bestanden. Nun
ist derselbe auf viereckigem Grundriss errichtet und
hätte daher beseitigt werden müssen, wenn der
Innenraum des Turmes schon in der Höhe der
Galerie ins Achteck überging. Dadurch aber, dass
man die Ecktürmchen einstweilen noch nicht vom
Achteck lostrennte, gewann man die Möglichkeit, das
Innere noch so hoch als Viereck weiterzuführen, bis
der Glockenstuhl nicht mehr im Wege stand.

Die Verlegung der sternförmigen Galerie an den
Fuß des Aufbaues hatte zur Folge, dass die zweite
Galerie weggelassen werden konnte. Der eminente
Vorteil dieser Veränderung liegt darin, dass die
Nebentürmchen nicht mehr die horizontale Gliede-
rung des Achtecks mitmachen müssen, sondern
selbständig entwickelt werden können. In dieser
Entwicklung erkennt man deutlich die Absicht, an-
nähernd die gleichen Proportionen wie am Haupt-
turme innezuhalten. Um eine genaue Wiederholung
aller Höhen- und Breitendimensionen kann es sich
natürlich nicht handeln, aber das Verhältnis der Ge-
samthöhe zur Breite der Basis kommt dem des Haupt-
turmes sehr nahe, und der Aufbau in drei Stufen:
erstens einem geschlossenen Dreieck, zweitens einem

Behandlung der Ecktürmchen bildet nächst dem
Sterngrundriss wohl einen der hauptsächlichsten Vor-
züge des Bauwerkes.

Merkwürdig ist es, dass ungeachtet der Hinauf-
schiebung der ersten und der Weglassung der zweiten
Galerie der Fuß des Helmes und die Turmspitze1
fast genau die gleiche Höhenlage haben wie im
ersten Entwurf. Wie es scheint, galten diese beiden
Abmessungen als von vornherein gegeben, und dies
lässt der Vermutung Raum, es könnten trotz unserem
oben geäußerten Zweifel die Höhenmaße vielleicht
doch nach irgend einer Proportionsformel aus der
Turmbreite abgeleitet sein.

Von den Verfechtern des einheitlichen Turm-
planes wird es als besonders weise Ökonomie des
Erbauers gepriesen, dass er den Unterbau mit Ab-
sicht verhältnismäßig schlicht und kahl gehalten habe.
Im allgemeinen ist die gute Kontrastwirkung gewiss
nicht zu verkennen, welche durch die reichere Aus-
gestaltung des Oberbaues hervorgerufen wird. Allein
der Rahnsche Aufriss belehrt uns, dass der damalige
Projektverfasser die Gegensätze doch nicht in dem
Maße ausgeprägt wissen wollte, wie sie heute be-
stehen. Mit den ornamentalen Zutaten, welche er
am Unterbau anbringt, verfolgt er offenbar den Zweck,
den Kontrast bis zu einem gewissen Grade zu mil-
dern. Auf die Tabernakel der Strebepfeiler setzt
er Fialen von solcher Höhe, dass die des ersten den
Fuß des zweiten erreicht, während die des zweiten
sich bis nahe an die Galerie erstreckt; dadurch wird
die Kantenlinie fast in ganzer Höhe von Ziergliedern
eingefasst. Der gleichen Absicht dient die Einfügung
von Konsolen und Baldachinen an den Strebepfeiler-
seiten neben dem Portal, sowie die Ausstattung des
Portalwimpergs mit Krabben und einer Kreuzblume,
deren mächtige Dimensionen wohl nicht nur auf
Rechnung des Kopisten zu setzen sind. Die Motive,
welche zur Umänderung des ersten Ausbauprojektes
führten, erheischten keineswegs das Fallenlassen
dieser Zutaten. Es ist im Gegenteil wahrscheinlich,
dass die etwas verstärkte Dekoration des Unterbaues
auch in das endgültige Projekt überging und ihre Aus-
führung nur aus Gründen der Sparsamkeit unterblieb.

1 Die Höhe der Turmspitze lässt sich für beide Projekte
nur ungefähr ermitteln. Im Rahnschen Aufriss kann sie nur
durch Ergänzung der Zeichnung bestimmt werden. Vom be-
stehenden Turm gibt die Meydenbauersche Messbildauftragung
ohne Zweifel das zuverlässige Maß; inwieweit dasselbe aber
der beabsichtigten Höhe entspricht, ist nicht ganz sicher, weil
der Helm bekanntermaßen große Ungenauigkeiten der Aus-
führung zeigt und überdies die Spitze bei der Reparatur nach dem
Blitzschlag von 1561 möglicherweise etwas verändert worden ist.
 
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