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Münsterbau-Verein <Freiburg, Breisgau> [Hrsg.]
Freiburger Münsterblätter: Halbjahrsschrift für die Geschichte und Kunst des Freiburger Münsters — 5.1909

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Zur Deutung der alten Maße an der Vorhalle des Münsterturms
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https://doi.org/10.11588/diglit.2635#0049
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Kleine Mitteilungen und Anzeigen

Zur Deutung der alten Maße an der Vorhalle des Münsterturms

hat Dr. Hermann Flamm im vorigen Jahrgang der
Münsterblätter S. 88 den Nachweis geführt, dass der
dort abgebildete Zuber zum Messen nicht des Ge-
müsekohls, wie vielfach angenommen wird, sondern
der Holzkohle bestimmt war, die im Gewerbebetrieb
des Mittelalters bekanntlich eine ungleich größere
Rolle gespielt hat als heutzutage. Zur Stütze seiner
Erklärung hat Flamm zwei urkundliche Belegstellen
aus Freiburg selbst beigebracht, die der Mitte des
vierzehnten Jahrhunderts entstammen, also zeitlich
mit der Entstehung der Inschrift ziemlich nahe zu-
sammenfallen. Seine Ausführungen sind so über-
zeugend, dass sie weiterer Beweise kaum bedürfen.
Indes sind solche noch in so erklecklicher Anzahl
vorhanden, dass es um des Gegenstandes willen nicht
ganz unnütz erscheinen möchte, einige der bemerkens-
wertesten hier zur Veröffentlichung zu bringen.

1. Dass der Ausdruck „Kohl" für Kraut in Frei-
burg wie überhaupt am Oberrhein im Mittelalter eben-
so ungebräuchlich war wie heute, dafür möge von den
zahlreichen zeitgenössischen Markt- und Zollbestim-
mungen nur die Verordnung des Bischofs Heinrich
von Basel, die zwischen den März 1264 und den
24. Dezember 1269 fällt, sprechen, in der den Gärt-
nern, Obstlern und Händlern in der Stadt Basel die
Errichtung einer Zunft gestattet, der «unrechte oder ver-
boten kouf, ez si an krute oder an obse oder an hünren»
oder andern wandelbaren Dingen aber bei drei Schil-
ling Buße verboten wird1.

2. Welch ein viel gebrauchtes Maß der Zuber
im mittelalterlichen Bauhandwerk war, erhellt unter
anderm aus folgender Vorschrift des Freiburger Stadt-
rats vom Jahr 1400 über das «zieglerrecht», das die
Beobachtung der Norm am Münster einschärft, wo
auch für das gesamte Bauwesen, nicht allein für die
Ziegelbereitung, nicht minder wie für den Markt-
verkehr die gesetzlichen Bestimmungen zu jeder-
manns Gebrauch öffentlich in allgemein verständ-
licher und dauerhafter Form angeschlagen waren. Das
«zieglerrecht», von dem die amtlichen Maße an der
südlichen Strebewand der Vorhalle eingemeißelt sind,
besagt: «Das gewege uf dem ziegelhofe sol wegen
4 72 zentner und 45 pfund, und sol man den grund mit
der houen wol bereiten und den ziegeln vier berri [d. i.
Längen] tuon, daz sint vor ziten siben berri gewesen,
und söllent die ziegler dis sweren ze tuonde und söl-

1 Urkundenbuch der Stadt Basel 1 (1890), S. 315 f.

lent die ziegel obertach-, undertach- und flachtach-, mut-
ziegel und estrichziegel machen nach der form, die an
dem münster gehouen stat, und sönt den zuber nüt ge-
verden [d. i. nicht betrügerisch handhaben], nüt naß
machen ä».

3. Am deutlichsten drückt sich eine einer Frei-
burger Schmiedeordnung des 15. Jahrhunderts (1477)
angehängte Verfügung «die kolen belangenfd]» aus, in-
dem sie sagt: «Item welcher ein wagen kolen kauft, der
soll drei zuber denen, so das begeren, davon geben; wa er
das nit tat, der bessert ein schilling pfening. Welcher auch
ein zuber kolen ongemessen intregt, da bessert der meister
und koler, ein jeder ein schilling pfening. Es soll auch
dhein schmid noch koler den zuber under den wagen
oder karren stellen und die kolen darin lassen laufen,
sonder mit der schuflen darin schöpfen: welcher das
tut, der bessert ein schilling pfening»3.

4. Nach Zubern wurden die Holzkohlen nicht
allein in Freiburg, sondern auch anderwärts gemessen,
z. B. in Ettlingen, laut einer schon 1441 dort in Gel-
tung befindlichen Kohlenordnung, die diese Zuber
gewissermaßen als amtliches Eigentum der Schmiede-
zunft erwähnt, wie dies B. Schwarz in seiner «Ge-
schichte der Stadt Ettlingen» (1900) S. 155 des nähern
ausgeführt hat.

5. Von entscheidender Bedeutung für den tatsäch-
lichen Gebrauch des Zubers beim Messen der Kohlen
ist eine Stelle aus einem «Verzaichnus deren materialia,
so maister Matheus Haselman angeben, welche zum kütt
in U. L. Frauen bau notwendig herzugetan und in be-
raitschaft sollen gehalten werden» vom 1. April 1641,
als es galt, das im Laufe der Zeit stark ausgebröckelte
Kittwerk im Chor zu erneuern. Der dazu aus Mar-
kolsheim berufene Meister Haselmann verlangte
Leinöl, gutes Wachs, Harz, Terpentin, ungelöschten,
aber ganz zermahlenen Kalk, Rehhaare, Feilspäne,
Essig, Kupferwasser, 200 Eier und Galläpfel, «Item
ein paar zuber kohl», heißt es dann wörtlich weiter,
«und tägliche arbeiter, so bständig handreichung tun
und das kütt helfen machen und beschlagen» usw"1.

6. Die Kohlen wurden bei großen Mengen auf
Wagen und Karren verladen, bei kleineren in Fässer
und Zuber; so sagt eine Rechnung des Stadtwechsels
auf Weihnachten 1510: «Item XVIII y umb ein vaß
gladen kolen ins gaden5».

2 Stadtarchiv: Ratsprotokoll 1 (1386-1426), S. 11.
:' Vgl. K. Hartfelder, Die alten Zunftordnungen der Stadt
Freiburg i. Br. Freib. 1879 S. 9.

4 Stadtarchiv: Kirehensachen. Bauherstellungen am Münster
(1490) —1666.

5 Stadtarchiv: Stadtwechsel-Rechnung 1507—1762.
 
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