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Münsterbau-Verein <Freiburg, Breisgau> [Hrsg.]
Freiburger Münsterblätter: Halbjahrsschrift für die Geschichte und Kunst des Freiburger Münsters — 5.1909

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Kempf, Friedrich: Ein romanisches holzgeschnitztes Madonnenfigürchen aus dem Freiburger Münsterschatz
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https://doi.org/10.11588/diglit.2635#0060
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Kämpferfries vom Eingang der ehemaligen Magdalenenkapelle.

Ein romanisches holzgeschnitztes Madonnen-
figürchen aus dem Freiburger Münsterschatz.

Von

Münsterarchitekt Friedrich Kempf.

nter den Schätzen des Freiburger Mün-
sters befindet sich ein bisher sa gut

wie unbekanntes Figürchen, dessen
hohe künstlerische und kunsthistorische
Bedeutung es rechtfertigt, dass es aus
seiner Verborgenheit hervorgeholt und durch Wort
und Bild weitern Kreisen bekannt gemacht werde.
Das kleine Kunstwerk befindet sich noch nicht
lange im Münsterschatz. Woher es kam, kann nicht
mehr festgestellt werden; es soll von einem aus-
wärtigen Geistlichen „mit Reliquien" eingesandt
worden sein.

Es stellt eine thronende Madonna in strenger
Vorderansicht dar, auf deren Knien, ebenfalls ge-
radeaus schauend, in der gleichen Achse das Jesus-
kind sitzt, von der Mutter mit der linken Hand ge-
halten. Ihre rechte Hand, die angestückt war, fehlt
und dürfte ursprünglich ein Szepter, eine Frucht
oder sonst einen Gegenstand gehalten haben1. Das

1 Zur Erklärung der Bilder, in denen das Kind in der Mitte
thront, also vor der Brust der Mutter, welche dasselbe oft mit
beiden Händen umfasst, bemerkt St. Beiasel (Geschichte der
Verehrung Marias in Deutschland während des Mittelalters.
Freiburg 1909 S. 76), ist eine Miniatur des 11. Jahrhunderts
beachtenswert, welche sagt:

In gremio matris rector complectitur orbis.
„Im Schöße der Mutter findet sich der Regierer des Weltalls."

Freiburger Münsterblätter V 2.

Gesicht der Madonna ist oval, von den Augen kann
man jetzt den Eindruck gewinnen, als ob die Lider
geschlossen wären, weil die Zeichnung der Pupille
nur mehr schwach sichtbar ist; in Wirklichkeit aber
sind die Augen groß und weit geöffnet. Das
Haupt ist bedeckt mit einer Krone von einfacher
Form, ohne den sonst vorkommenden Blumenzierat.
Eigentümlicherweise sitzt sie direkt auf dem Haupt
auf, während sonst durchweg unter der Krone ein
Schleier untergelegt ist. Den Körper umhüllt ein tunika-
artiges, eng gefälteltes Kleid. Darüber liegt ein vor
der flachen Brust ohne Agraffe geschlossener Mantel;
er ist glatt und entbehrt der Fältelung, wie auch das
Kleidchen des Jesuskindes; unten zu beiden Seiten
des Thrones ist er in wirksamer Weise etwas umge-
schlagen. Unter der Tunika schauen die aristokratisch
gebildeten, leicht beschuhten Füße vor. Besondere
Beachtung müssen wir dem Haupthaar der Madonna
widmen: wir gewinnen durch dasselbe einen Haupt-
anhaltspunkt für die Datierung der Skulptur. Hinten
sorgfältig symmetrisch gescheitelt, fällt es in zwei statt-
lichen Zöpfen ohne eingeflochtenes Band über die
Schultern nach vornen; die Enden derselben reichen
bis zum Schoß herab und liegen einerseits hinter
dem Kinde innerhalb des rechten Armes, anderseits
neben der Seitenlehne des Thrones, außerhalb des
 
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