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Münsterbau-Verein <Freiburg, Breisgau> [Hrsg.]
Freiburger Münsterblätter: Halbjahrsschrift für die Geschichte und Kunst des Freiburger Münsters — 9.1913

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Kreuzer, Emil: Zur Deutung der Standbilder am Freiburger Münsterturm
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https://doi.org/10.11588/diglit.2637#0012
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Kreuzer, Zur Deutung einiger Standbilder am Freiburger Münsterturm

das Pluviale war ursprünglich mit Kapuze ausge-
stattet, an welche heute noch der reichverzierte Schild
erinnert, der den Rücken der heutigen Rauchmäntel
bedeckt.

Es wäre nun geradezu töricht von dem Bild-
hauer gewesen, wenn er, um einen Dominikaner dar-
zustellen, nicht die dem Orden eigentümliche Mantel-
form gewählt, sondern dem Mantel eine Form ge-
geben hätte, welche in Verbindung mit dem Stabe
den Beschauer sogar an der Zugehörigkeit des Dar-
gestellten zum Predigerorden irre machen musste.
Da der Stab unverkennbar den Dargestellten als
Prälaten kennzeichnete, so hätte um so schärfer, um
auf bischöfliche Würde hinzudeuten, zum Ausdruck
kommen müssen, dass der Prälat dem Predigerorden
angehöre, also zwei Eigenschaften in sich vereine,
welche regelmäßig nicht vereint
sind. Der Predigerorden hat keine
Prälaten oder Oberen, welche sich
als solche des Hirtenstabes be-
dienen.

Vielleicht hat auch die Tonsur,
welche unser Prälat trägt, zu der
Meinung beigetragen, es handle sich
um einen Dominikaner. Sie hat
aber die Form der sogenannten Co-
rona oder Tonsura s. Petri, welche
im 13. Jahrhundert die für Priester
allgemein vorgeschriebene war1.
Ein Blick auf die auferstehenden
Priester und Mönche im Tympanon
des Hauptportals zeigt, dass z. B.
der Franziskaner diese Tonsur ge-
nau so trägt, wie der mit dem
Messgewand geschmückte Welt-
priester. Sie bildete also nicht einmal ein unterschei-
dendes Merkmal des Ordenspriesters als solchen.
Noch über hundert Jahre nach der Entstehung unserer
Statue stellt Fra Angelico da Fiesole Weltpriester
und Ordenspriester aller Orden mit dieser kranz-
förmigen Tonsur dar'2. Aus der Tonsur lässt sich
somit bei unserer Statue nichts zugunsten des Pre-
digerordens ableiten. Insbesondere war diese Tonsur-
form auch bei den Zisterziensern üblich, und zwar
noch am Ende des 15. Jahrhunderts.

Die Gewandung unserer Figur, soweit sie unter
dem Mantel sichtbar wird, enthält gleichfalls nichts,
was auf das Ordensgewand der Dominikaner hin-
deuten würde.

In geraden Falten fließt ein langes, weites Ge-
wand völlig ungegürtet zur Erde.

Zwar machen bei oberflächlicher Betrachtung

Abbild. 3.

1 Kirchenlexikon, Artikel „Tonsur" 11, Sp. 1876 f.
" Vgl. z. B. Einschaltbild S. 58/59 bei Supino.

zwei Falten rechts und links zunächst den Eindruck,
als ob sie die Ränder eines Skapuliers darstellten.
Dem ist indessen nicht so; es müsste dann zudem
rechts und links die Giirtung der Kutte sichtbar sein.
Überdies war das Skapulier kürzer als die Kutte3.
Am untern Teile der Figur zeigt sich deutlich, dass
es sich hier nicht um Skapulier und Kutte, sondern
um den ungebrochenen Faltenwurf eines einzigen
Gewandes handelt. Das stimmt nicht mit der Ordens-
tracht der Dominikaner, wie sie bereits beschrieben
wurde, und wie sie der Bildner zweifellos wieder-
gegeben hätte, wenn es ihm um die Darstellung eines
Predigermönches zu tun gewesen wäre. Ein mittel-
alterlicher Bildhauer machte in dieser Beziehung
keine Schnitzer, wie sie heutzutage namentlich bei
akatholischen, leider aber auch bei katholischen Ma-
lern und Bildhauern in der Dar-
stellung von Ordenstrachten und
sogar der liturgischen Gewänder
von Priestern und Bischöfen an
der Tagesordnung sind. Unserm
Steinmetzen aber musste überdies,
wie schon erwähnt, wenn er Albert
den Großen darstellen und dessen
bischöfliche Würde etwa durch
den Stab ausdrücken wollte, be-
sonders daran liegen, eine Ver-
wechslung durch klare Hervor-
hebung des Dominikanergewandes
auszuschließen.

Die Gewandung unserer Statue
spricht ganz entschieden und un-
zweideutig für die Zugehörigkeit
des dargestellten Prälaten zur gro-
ßen Gesamtordensfamilie des hl.
Benedikt. Unter dem Pluviale nämlich sehen wir
nichts anderes als die Kukulle, das dieser Ordens-
familie eigene weite Obergewand für den Chordienst4.
Die Annahme, es sei etwa eine Albe, das lange
weiße liturgische Untergewand, ist gleichfalls aus-
geschlossen. Auch die Albe verlangt unbedingt eine
Gürtung und lässt zudem nach ihrem Schnitte im
13. Jahrhundert keinen geraden ungebrochenen Falten-
wurf zu, da sie unterhalb des Gürtels sich nach
unten stetig und beträchtlich erweiterte und in der
Mitte auch etwas enger war als weiter oben5. Über-
dies würde sie in Verbindung mit dem Pluviale auch
die Stola erfordern, von der nichts zu sehen ist.

:i Vgl. die Bilder bei Viollet-Le-Duc a.a.O. S. 417; Beissel
S. 43; Supino S. 34 und 35.

' Vgl. die Abbildung bei Viollet-Le-Dur a. a. O. S. 95.

8 Jos. Braun S.J., Die priesterlichen Gewänder des Abend-
landes nach ihrer geschichtlichen Entwicklung (71. Ergänzungs-
Heft zu den Stimmen von Maria-Laach, Freiburg 1897) S. 30 ff.
Derselbe, Handbuch der Paramentik. Freiburg 1912 S. 93 ff.

Siegel des hl. Bernard von
Clairvaux.

(Nach Vacandard.)
 
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