Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Münsterbau-Verein <Freiburg, Breisgau> [Hrsg.]
Freiburger Münsterblätter: Halbjahrsschrift für die Geschichte und Kunst des Freiburger Münsters — 9.1913

DOI Artikel:
Kreuzer, Emil: Zur Deutung der Standbilder am Freiburger Münsterturm
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.2637#0027
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Kreuzer, Zur Deutung einiger Standbilder am Freiburger Münsterturm

21

ligen. Ganz entsprechend unserer Turmfigur hat erneuerte bayerische St. Georgsorden. Der Ritter-
schon viel früher u. a. ein Relief aus Grusien und bund des Georgenschildes in Süddeutschland zählte
viel später noch Donatello in seiner wundervollen ihm Jahre 1392 gegen 450 Mitglieder3. Die Württem-
Marmorstatue von Or San Michele (jetzt im National- bergische Ritterschaft ist in einen „St. Georgenverein"
museum) zu Florenz ihn dargestellt. Die Überein- zusammengeschlossen4. St. Georg ist der Patron
Stimmung der drei Bilder ist — abgesehen natürlich Englands; das Ordenszeichen des höchsten englischen
von dem verschiedenen Stil — geradezu frappant. (Hosenband-) Ordens ist ein Bild dieses Heiligen.
Detzel zählt noch eine Reihe von Bildern des hl. Georg Diese Verehrung in England ist uralt, schon zur Zeit
ohne das Attribut des Drachen auf. Es scheint über- der Normannenkönige bezeugt. Jahrhunderte hin-
haupt die Drachensage erst im 12. oder 13. Jahr- durch war das englische Feldgeschrei: England and

hundert, also um die Zeit
der Entstehung unserer
Statue, in die Legende des
hl. Georg aus derjenigen
des hl. Theodor übernom-
men worden zu sein1.

Es wurde schon dar-
auf hingewiesen, dass der
hl. Georg ein Hauptpatron
der Kreuzfahrer gewesen
ist. Er ist seitdem der
Patron des Rittertums ge-
blieben. Seit den ältesten
christlichen Zeiten ist er
in der Kirche des Mor-
gen- und des Abendlandes
einer der gefeiertsten Blut-
zeugen des Herrn. Das
Land Georgien trägt von
ihm seinen Namen, zahl-
lose Kirchen, Klöster, Al-
täre, Gemälde, Statuen,
Lieder in der ganzen Welt
geben Zeugnis von seiner
Verehrung. Insbesondere
war er auch am Oberrhein
hochverehrt-.

Unter seiner Anrufung
beschloss man den zweiten
vom hl. Bernard von Clair-
vaux auch in Freiburg ge-

Abbild. 14. Der hl. Georg. Relief aus Grusien.

(Nach Detzel, Ikonographie.)

St. George. 1222 führte
das Nationalkonzil zu Ox-
ford sein Fest als gebo-
tenen Feiertag für England
ein"'. Dass diese Vereh-
rung heute noch lebendig
ist, und zwar auch bei den
Anglikanern, beweist die
Widmung der Freiburger
englischen Kirche „St. Ge-
orge and St. Boniface" und
das von dem verstorbenen
englischen Oberst Roberts
gestiftete Glasgemälde ne-
ben der Segentüre des
Münsters. Das Herzschild
des russischen Staatswap-
pens zeigt das Bild des
hl. Georg.

Dass dieser hochver-
ehrte Heilige in der Kreuz-
fahrerzeit auch der Waffen-
patron Freiburgs, sein
Schild zum Freiburger
Feldzeichen geworden, ist
recht begreiflich. Wenig
verständlich dagegen wäre,
wenn neben dem Bild des
hl. Oswald nicht auch das
seinige am Münsterturme
Aufstellung gefunden hätte.

predigten Kreuzzug, zogen die Kreuzfahrer in den Die Statue am Strebepfeiler, zwischen dem vierten

Kampf. Die ritterlichen Genossenschaften wetteiferten, und fünften Joch der Nordseite des Münsters scheint

sich unter seinen Schutz zu stellen und sich nach mir ebenfalls St. Georg mit dem Drachen darzu-

seinem Namen zu benennen. Dreizehn ritterliche stellen, nicht St. Michael, wie Bär meint. War doch

Orden trugen denselben, darunter der heute noch auch noch die Spätzeit bereit, im und am Münster der

berühmte, auf die Kreuzzüge zurückreichende, 1729 großen Verehrung des Heiligen Ausdruck zu geben.

1 J. B. Aufhauser, Das Drachenwunder des hl. Georg (Leip-
zig Teubner 1911). Durch die gründlichen Nachweisungen
dieses Werkes ist ein für allemal die von gewissen Seiten
beliebte, aus der Drachensage abgeleitete Identifizierung des
hl. Georg mit dem mythologischen Perseus oder Horus abgetan,
der mythologischen Deutung unseres Heiligen Halt geboten.

- Vgl. Max Stork, „Sant Jörg am Oberrhein": Schauins-
land 32. Jahrlauf 1905 S. 1 ff.

8 Samson, Die Schutzheiligen. Paderborn 1889 S. 161 ff. —
Vgl. Schreiber, Urkundenbuch der Stadt Freiburg 2, 577: Ur-
kunde der „Vereinigung sanct Georgenschildes" vom 25. Juni
1488.

1 Der Württembergischen Ritterschaft St. Georgen-Verein
Wappenkalender für das Jahr 1900 (Stuttgart) gibt deren Wappen
in Farben.

5 Samson a. a. O. S. 163.
 
Annotationen