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Münsterbau-Verein <Freiburg, Breisgau> [Hrsg.]
Freiburger Münsterblätter: Halbjahrsschrift für die Geschichte und Kunst des Freiburger Münsters — 9.1913

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Kreuzer, Emil: Zur Deutung der Standbilder am Freiburger Münsterturm
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https://doi.org/10.11588/diglit.2637#0029
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Kreuzer, Zur Deutung einiger Standbilder am Freiburger Münsterturm

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Zeichens. Trotzdem ist es nicht schwer, zu einer nannt Unser Lieben Frauen Altar"3. Das heilige

begründeten Vermutung über ihre und ihres ver- Grab war zwar damals noch nicht nach außen „für-

lorenen Gegenstückes Bedeutung zu gelangen. Ich gebrochen", aber offenbar bereits beim Muttergottes-

bin der Meinung, dass der hl. Nikolaus und der hl. altar. Am Strebepfeiler zwischen dem fünften und

Martin hier dargestellt waren. sechsten Joch der Südseite steht eine Bischofsfigur,

Zwar schiene der Gedanke an den hl. Lambertus welche zweifellos ebenfalls den hl. Martin darstellt,

näher zu liegen. Die Reliquie des
letzteren ist schon zwischen 1168
und 1191, also nicht allzu lange vor
der Erbauung des Turmes nach
Freiburg gelangt, nachdem sie wohl
den Bischof von Lüttich, Rudolf
von Zähringen, auf dem Kreuzzuge
nach Palästina begleitet hatte1. Aber
diese Reliquie befand sich noch
lange Zeit hindurch nicht im Mün-
ster, sondern in der Burgkapelle;
erst 1485 scheint sie ins Münster
gekommen zu sein, vielleicht aber
auch schon bei dem Übergang der
Herrschaft an Österreich 1368. Ein
Benefizium des hl. Lambert auf dem
Fronaltar wird 1482 mit der Orga-
nistenstelle verbunden2. Erstmals
1514 wurde diese Reliquie in dem
heutigen silbernen Büstenreliquiar
bei der Fronleichnamsprozession
mitgetragen. Dafür aber, dass St.
Lambert schon im 13. Jahrhundert
in der Stadt bezw. im Münster be-
sondere Verehrung genossen habe
oder gar Stadtpatron gewesen sei,
besteht nicht der geringste Anhalts-
punkt.

St. Nikolaus und St. Martin
dagegen hatten von Anfang an Al-
täre an bevorzugten Stellen des
Münsters, jener in der besondern
ihm geweihten Kapelle unter dem
südlichen Hahnenturme, während
diesem der jetzige Muttergottesaltar
im sogenannten Frauenchörlein
(südliches Seitenschiff an der Quer-
hauswand) geweiht war. Auf letztere

Abbild. 16. Hl. Sigismund.

dessen Altar zunächst diesem Pfeiler
stand. Schon 1325 und 1382 wur-
den auf den Altar des hl. Martin
im Münster Pfründen gestiftet.

Marmon1 hat die Meinung aus-
gesprochen, der frühere Münsterbau
sei vielleicht dem hl. Nikolaus ge-
weiht gewesen. Er stützt sie dar-
auf, dass im Festverzeichnis des
Münsters vom Ende des 15. Jahr-
hunderts die Nikolauskirchweihe
vorkommt. Das dürfte sich aber
auf die St. Nikolauskirche in der
Vorstadt Neuburg beziehen, die
aus dem 13. Jahrhundert stammte
und eine Filialkirche des Münsters
war. Es ist gar nicht einzusehen,
weshalb mit dem Bau des gotischen
Münsterlanghauses hätte ein Wech-
sel des Kirchenpatrons stattfinden
sollen, da ja der Chor, also der
dem Kirchenpatron geweihte Hoch-
altar, stehen blieb und man doch
den hl. Nikolaus hoch genug ver-
ehrte, um ihm gleichzeitig eine
eigene große Kirche in der Neu-
burg zu bauen. Es wäre auch nicht
verständlich, weshalb ihm beson-
ders neben dem Chor auch noch
die Kapelle im südlichen Hahnen-
turm geweiht worden sein sollte,
und weshalb man sein Bild in das
Bogenfeld der zu dieser Kapelle
den nächsten Zugang bildenden
Segentüre gesetzt hätte, wenn er
Patron des ganzen romanischen
Münsters gewesen wäre. Als man
die St. Nikiauskirchweihe im Mün-

Tatsache deutet heute noch das alte halbzerstörte ster noch feierte, war sogar schon der Altar des
Wandgemälde seitlich über diesem Altare hin, das Heiligen infolge des Durchbruchs aus dem Hahnen-
den hl. Martin vorstellt, wie er mit dem Bettler vor türm in den neuen Chor verschwunden; nur die
dem Tore von Amiens seinen Mantel teilt. Die Stif- Tatsache, dass St. Nikolaus eine eigene Kirche besaß,
tungsurkunde der von Tigisheimschen Pfründe vom welche Filiale des Münsters war, wahrt jener Kirch-
Jahre 1415 spricht ausdrücklich von dem Altar beim weih den Sinn, und zwar unabhängig von einer di-
heiligen Grabe als „zu St. Martins Ehre geweiht, ge- rekten Beziehung zum Münster selbst. Niemand

1 Freiburger Diözesanarchiv 7, 123.

2 Schreiber, Text zu den „Denkmalen". Beilagen S. 35.

Freiburger Diözesanarchiv 22, 268.
S. 159.
 
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