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Münsterbau-Verein <Freiburg, Breisgau> [Editor]
Freiburger Münsterblätter: Halbjahrsschrift für die Geschichte und Kunst des Freiburger Münsters — 11.1915

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Vöge, Wilhelm: Zum Nordportal des Freiburger Münsterchors
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https://doi.org/10.11588/diglit.2547#0011
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Vöge, Zum Nordportal des Freiburger Münsterchors

Vorhalle tritt wie ein Tänzer, die Törin, ihm gerade schrittenen Stil zeigen1. Erwägt man nun, dass der
gegenüber, wiegt sich in ihrem Schmerz, umkreist schwäbische Meister Johannes von Gmünd, aus der
von Rhythmen, die Falte sekundiert. Schon in der Familie der Parier, erst 1359 die Leitungcdes Chor-
Straßburg-Freiburger Klassik ist das Arbeiten mit baus übernommen hat, dass der letztere schon seit
wenigen wirksamen Faltenakzenten auffallend; an einem Lustrum damals im Gange war, so wird man
jener Christusfigur besonders, wo auch jene äugen- sehr geneigt sein, anzunehmen, der erste Entwurf des
fällige Steilfalte vorn am Halse — ein uraltes Motiv Portals und die ersten plastischen Arbeiten für das-

Abbild. 10. Gott Vater als Schöpfer des Firmaments.

Abbild. 11. Gott Vater als Schöpfer der Pflanzen und Bäume.

im Grunde1 — schon ähnlich markiert ist, wie an
den Gott Vaterfiguren. Also man wird das Nord-
portal des Freiburger Chors nicht einfach als Werk
der „Parierschule" abtun dürfen2. Denn unser Mei-
ster der ersten Schöpfungstage, der älteste der am
Portal beteiligten Meister, hat mit Schwaben und den
Parlern nicht das Geringste zu tun (es sei denn,
dass er auf sie Einfluss genommen hätte). Er ist
Oberrheiner, wobei es dahingestellt bleiben mag, ob
er mehr in Straßburg oder in Freiburg zu Hause
war3. Für die Parlerschule kann man höchstens die
jüngeren Teile des Portals, insbesondere die beiden
Tympana in Anspruch nehmen, die einen fortge-

1 Man vgl. auch die Apostelstatuen an den Freiburger
Strebepfeilern (Südseite).

2 „Ein sicher der Parlerschule und zwar ihrem oberrheini-
schen Zweig angehöriges Werk", sagt Hartmann a. a. O. S. 88.

8 Der ausgesprochen gutmütige Ausdruck eines Kopfes
wie Abb. 11 hat nur in den Köpfen der Freiburger Blüte sein Ana-
logon die Straßburger Köpfe sind reservierter, großstädtischer.

selbe möchten in die Zeit fallen, wo der Schwabe

1 Vgl. oben S.2Anm.4. Das äußere Bogenfeld mit dem Stuiz
Luzifers und dem Sündenfall dürfte von einem Meister aus-
geführt sein; man vgl. die Kopftypen, besonders die drei weib-
lichen auf dem Türsturz mit dem Gott Vaters oben. (Der Kopf
Adams in der Szene des Sündenfalls ist modern.) Es wäre je-
doch ein Irrtum, dem Meister dieses Genesistympanons die un-
teren Gruppen der Genesisarchivolte zumuten zu wollen. Man
beachte auf dem Genesistympanon nur die öfter wiederkehrende
leichte Kräuselung des Haares, wie sie besonders die Eva des
Sündenfalls hat. Zu dieser Art, zu diesem Linienempfinden
ist z. B. die Haarbehandlung des Sposalizio an der Archivolte
(Abb. 15) in ausgesprochenem Gegensatz. Und auch die Be-
handlung des Nackten ist Abb. 15 eine andere wie auf dem
Genesistympanon, wo die Brustpartie viel kräftiger betont ist.
An den unteren Gruppen der Genesisarchivolte scheinen ver-
schiedene Meister gearbeitet zu haben; das bei weitem beste
Stück: Gott Vater ruhend am siebenten Tage. Was das innere
Bogenfeld betrifft, so sind m. E. zwei verschiedene Meister an-
zunehmen. Der untere Fries mit der Gefangennahme Christi,
Christus vor Pilatus, Geißelung und Dornenkrönung ist nicht
von derselben Hand wie die Kreuzigung in der Tympanonspitze.
Der Meister des Frieses ist (besonders an seiner Kopftypen
gut herauszuerkennen.
 
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