Riegel, Die Locherer-Kapelle im Freiburger Münster und der Meister ihres Altars
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ihrem eigenartigen Lächeln mehr Mutter oder Jung-
frau, Heilige oder Weltkind oder Idealtyp des Weibes
schlechthin sein soll? Der gleiche Widerstreit in
noch höherem Maße bei Mariae Schutz, wennschon
hier das Madonnen-Weltkindhafte sich in den Vorder-
grund drängt. Und doch sind beide Madonnen Ver-
körperungen der Muttergottesliebe. Dort schaut Maria
wohlgefällig und in stolzer Freude auf ihr göttlich
Kind, wendet aber auch ihren Blick auf den Beschauer,
als wollte sie ihn teilnehmen lassen an ihrem stolzen
Glück. Hier die Mutter Christi und der Mensch-
heit, die ob
der ihr zuteil
gewordenen
Gnade in tie-
fer Demut das
Auge senkt,
indes ihr Ant-
litz eine stille,
innig-heimli-
che Rührung
verklärt.
Rein
äußerlich
schon ver-
raten beide
Altäre den
gleichen
Meister.
Ursprünglich
als Schreinal-
täremitklapp-
baren Seiten-
flügeln ge-
dacht, ist der
einemehr,der
andere weni-
ger im Laufe
der Jahrhun-
derte verän-
dert worden.
Die Schreine selbst sind wiederum dreiteilig, und
zwar entspricht das mittlere Feld des Anna-Altars
dem Schutzmantelbild des Locherer-Altars. Joachim
und Joseph dort, Bernhard und Antonius hier. Nur
hatte Sixt beim Locherer-Altar größere Flächen zur
Verfügung.
Und dann — der Schnitt ist bis ins kleinste
Detail hin so genau gleich, daß nur ein
Künstler beide Altäre geschaffen haben kann.
Es wäre eigenartig, sollte es um die gleiche Zeit
in einer Stadt oder einem engen Bezirk zwei Bild-
schnitzer gegeben haben, die beide gleich begabt,
beide von genau gleicher, reifer, künstlerischer Auf-
Freiburger Münsterblatter XI.
Abbild. S. Pattengi-tippe vom Schrein des Schutzmantelaltars.
fassung und technischem Können, beide den Meisel
so auffällig maniriert handhabten, wie es sich durch
die Versuche, die beiden Altäre originalgetreu zu
kopieren, ergeben hat. Im ganzen badischen Ober-
lande gab es keinen Meister, weder vorher noch
nachher, der so selbstherrlich, manchmal so ganz im
Gegensatze zu den überkommenen technischen Regeln
geschaffen. Und doch sollen trotz alledem zwei Meister
diese Altäre geliefert haben!' Nie und nimmer.
Sixt von Stauten ist und bleibt auch ferner-
hin der Schöpfer des einen wie des andern. Das
beweist nicht
nur die glei-
che künstleri-
sche Auffas-
sung, diesel-
be psycho-
logische
Auswi rkung
der darge-
stellten
Idee, die
gleiche
technische
Behandlung
der äußeren
Formen; das
besagen klar
und deutlich
auch die
Quellen.
Es heißt aus-
drücklich in
den Rech-
nungsbüchern
der Münster-
fabrik für das
Jahr 1517
1. kurz
nach dem 24.
Juni: dem
büdhouer von Stoufen QU 5 ß;
2. um den 25. Dezember: dem büdhouer Sixt
von Stoufen vom 15. jar her 6 8 5 ß;
3. zum 17. August 1518: 68 5,3 dem büdhouer
von Stoufen vom 15. jar her'-.
Da nun im Jahre 1515 kein anderer Schnitz-
altar gefertigt worden ist als einzig und allein
der Sankt Anna-Altar, kann auch nur Sixt von
Staufen sein Meister sein. Hierzu kommt noch
als weiteres Beweisstück die Bemerkung unter den
Einnahmeposten des Jahres 1517 kurz nach dem
24. Juni:
1 Mänzel a. a. O. 55, Sp. 1. - Urk. Beil. 28, 29, 31.
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ihrem eigenartigen Lächeln mehr Mutter oder Jung-
frau, Heilige oder Weltkind oder Idealtyp des Weibes
schlechthin sein soll? Der gleiche Widerstreit in
noch höherem Maße bei Mariae Schutz, wennschon
hier das Madonnen-Weltkindhafte sich in den Vorder-
grund drängt. Und doch sind beide Madonnen Ver-
körperungen der Muttergottesliebe. Dort schaut Maria
wohlgefällig und in stolzer Freude auf ihr göttlich
Kind, wendet aber auch ihren Blick auf den Beschauer,
als wollte sie ihn teilnehmen lassen an ihrem stolzen
Glück. Hier die Mutter Christi und der Mensch-
heit, die ob
der ihr zuteil
gewordenen
Gnade in tie-
fer Demut das
Auge senkt,
indes ihr Ant-
litz eine stille,
innig-heimli-
che Rührung
verklärt.
Rein
äußerlich
schon ver-
raten beide
Altäre den
gleichen
Meister.
Ursprünglich
als Schreinal-
täremitklapp-
baren Seiten-
flügeln ge-
dacht, ist der
einemehr,der
andere weni-
ger im Laufe
der Jahrhun-
derte verän-
dert worden.
Die Schreine selbst sind wiederum dreiteilig, und
zwar entspricht das mittlere Feld des Anna-Altars
dem Schutzmantelbild des Locherer-Altars. Joachim
und Joseph dort, Bernhard und Antonius hier. Nur
hatte Sixt beim Locherer-Altar größere Flächen zur
Verfügung.
Und dann — der Schnitt ist bis ins kleinste
Detail hin so genau gleich, daß nur ein
Künstler beide Altäre geschaffen haben kann.
Es wäre eigenartig, sollte es um die gleiche Zeit
in einer Stadt oder einem engen Bezirk zwei Bild-
schnitzer gegeben haben, die beide gleich begabt,
beide von genau gleicher, reifer, künstlerischer Auf-
Freiburger Münsterblatter XI.
Abbild. S. Pattengi-tippe vom Schrein des Schutzmantelaltars.
fassung und technischem Können, beide den Meisel
so auffällig maniriert handhabten, wie es sich durch
die Versuche, die beiden Altäre originalgetreu zu
kopieren, ergeben hat. Im ganzen badischen Ober-
lande gab es keinen Meister, weder vorher noch
nachher, der so selbstherrlich, manchmal so ganz im
Gegensatze zu den überkommenen technischen Regeln
geschaffen. Und doch sollen trotz alledem zwei Meister
diese Altäre geliefert haben!' Nie und nimmer.
Sixt von Stauten ist und bleibt auch ferner-
hin der Schöpfer des einen wie des andern. Das
beweist nicht
nur die glei-
che künstleri-
sche Auffas-
sung, diesel-
be psycho-
logische
Auswi rkung
der darge-
stellten
Idee, die
gleiche
technische
Behandlung
der äußeren
Formen; das
besagen klar
und deutlich
auch die
Quellen.
Es heißt aus-
drücklich in
den Rech-
nungsbüchern
der Münster-
fabrik für das
Jahr 1517
1. kurz
nach dem 24.
Juni: dem
büdhouer von Stoufen QU 5 ß;
2. um den 25. Dezember: dem büdhouer Sixt
von Stoufen vom 15. jar her 6 8 5 ß;
3. zum 17. August 1518: 68 5,3 dem büdhouer
von Stoufen vom 15. jar her'-.
Da nun im Jahre 1515 kein anderer Schnitz-
altar gefertigt worden ist als einzig und allein
der Sankt Anna-Altar, kann auch nur Sixt von
Staufen sein Meister sein. Hierzu kommt noch
als weiteres Beweisstück die Bemerkung unter den
Einnahmeposten des Jahres 1517 kurz nach dem
24. Juni:
1 Mänzel a. a. O. 55, Sp. 1. - Urk. Beil. 28, 29, 31.
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