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Münsterbau-Verein <Freiburg, Breisgau> [Editor]
Freiburger Münsterblätter: Halbjahrsschrift für die Geschichte und Kunst des Freiburger Münsters — 13.1917

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Kempf, Friedrich: Heimsuchungen und Schicksale des Freiburger Münsters in Kriegsnot, durch Menschenhand und Feuersgefahr: II. Durch Menschenhand
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https://doi.org/10.11588/diglit.2399#0012
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8 Kempf, Heimsuchungen und Schicksale des Freiburger Münsters in Kriegsnot, durch Menschenhand und Feuersgefahr

10 Kontos fehlen; sie würden fraglos den erwünsch- denn nicht die geringsten Reste von architektonischen
ten näheren Aufschluss geben. Nach allem scheint Zierteilen haben sich erhalten. Eine bildliche Dar
es den Platz neben dem Heiliggrabchörlein, unter Stellung ist nicht auf uns gekommen. Dagegen haben
dem im 15. Jahrhundert entstandenen Wandgemälde sich vor einigen Jahren bei den Räumungsarbeiten
mit der Darstellung des heiligen Martinus vor den im ehemaligen Münsterarchiv des zweiten Hahnen-
Toren einer Stadt', eingenommen zu haben, wo auch turmgeschosses der Nordseite durch Zufall drei völlig
noch Abbruchspuren an der Steinwand zu erkennen vergoldete, in noch ziemlich gutem Zustande befind-
sind. Dabei ist im Auge zu behalten, dass der heute liehe, mit großem Kunstfleiß hergestellte schmied-
an jener Stelle befindliche Zugang zu der auf die eiserne Gitter, wovon zwei mit Kloben, aufgefunden
Mittelschiffgalerie führenden Wendeltreppe mit den in denen das einzige bis jetzt zum Vorschein ge-
beiden seitlichen Nischen eine symmetrische Anlage kommene Überbleibsel des verschollenen Sakraments-
aus späterer Zeit darstellt. Ursprünglich bildete die häuschens zu erblicken ist (Abbild. 3).
östliche, mit dem Herz-Jesubild versehene Nische Die einstige Zweckbestimmung dieser Kunst-
den Zugang zu dem besagten Aufstieg, dessen Umrah- Schmiedearbeiten scheint nicht zweifelhaft zusein,
mung noch unverhüllt ihr altes Gepräge zeigt und die Wir tragen kein Bedenken, sie als die zweiflügligen
alte Gliederung aufweist. Die neue Anlage scheint aus Türen derSakramentsnische anzusprechen. Am oberen
der Zeit zu stammen, als man die wappengeschmückte Gitter, das, wie noch die Einschnitte am Rahmen
Gedenktafel des Münsterprokurators und Stifters- zeigen, mittelst vier Steinhaften am Stein befestigt
Franz Konrad Weber (gest. 1766) aufstellte. war, ist hinten am Rahmen, unten in der Mitte ein
Das Frauenchörlein mit dem St. Martinsaltar, Kloben angebracht für den Riegelverschluss an einem
auch Liebfrauenaltar genannt2, hatte in früherer Zeit der beiden, aus durchsteckten, übereck gestellten
als Chörlein eine andere sinngemäßere Form und Vierkantstäben bestehenden Flügeln. Nach diesem
Bedeutung als heute, dadurch, dass es einen für sich Gitterwerk zu schließen, das ungewöhnlich große
durcheinschmiedeisernesGitterwerkabgeschlossenen Abmessungen hat (1,12 x 1,72 cm), ist nicht anzu-
Raum bildete. Das Protokoll der Münsterpfleger nehmen, dass sich die Architektur des Sakraments-
zum 9. März 1668 berichtet: „Der herzog von Zeh- häuschens stark in die Höhe entwickelt hat. Wir

ringen ist zue malen, wie auch die getter am chör-
lein." Dieses Abschlussgitter ist seit 1789 entfernt.
Die Münsterrechnung von diesem Jahre berichtet:
„Das alte Gitter am Frauenchörlein abgebrochen und in
dem Chor frisch aufgemacht." Westlich vom Heilig-
grab stand das 1511 abgebrochene Grabdenk-
mal, ein Hochgrab des letzten Zähringer Herzogs
Berthold V., auf dessen Deckplatte ursprünglich
die liegende Figur des Ritters sich befand, die später
in den Arkaden an der betreffenden Stelle aufgestellt
wurde. Der Abbruch oder vielmehr die Zerstörung

möchten eher glauben, dass es sich mehr um einen
Wandtabernakel5 handelte, dessen Architektur immer-
hin das erwähnte Wandgemälde, auf dessen Schonung
man keine Rücksicht nahm, in seinem unteren Teil
etwas verdeckt haben konnte. Daher rühren wohl
auch die starken Beschädigungen des Bildes an der
betr. Stelle her. Da weitere Anhaltspunkte für die
ehemalige Gestalt dieses Werkes fehlen, so erübrigt
es sich, weiter in Vermutungen darüber sich zu er-
gehen. Im Innern der mit Holz vertäfelten Nische
waren nicht nur die heilige Eucharistie aufbewahrt,

dieses Grabdenkmals und die Verwendung der großen sondern auch verschiedene heilige Gefäße.

und starken Deckplatte des Sarkophags3 für die
Mensa des Hochaltars muss natürlich, um es hier als
in den Rahmen unserer Betrachtung gehörend gleich
zu sagen, ebenfalls als ein höchst pietätloses, unver-
ständiges Vorgehen der damaligen Zeit bezeichnet
werden. Ob der Abbruch auf bauliche Veränderungen
zurückzuführen ist, oder ob die Abneigung gegen

Das Jahr 1506, das der ersten bekannten, oben
angeführten urkundlichen Nachricht von einem Sa-
kramentshäuschen, scheint wohl ziemlich sicher das
Jahr seiner Entstehung zu sein, wofür auch die
Kunstformen des Gitters sprechen.

In gleicherweise, wie das Sakramentshäuschen
unseres Münsters dem entarteten Geschmack des

Hochgräber mitbestimmend, oder ob lediglich der ig. Jahrhunderts, der sich alle Mühe gab, bei bau-

rücksichtslose Wunsch nach dem Besitz des „grosen
steins" maßgebend war, bleibt dahingestellt4.

Beim Abbruch des Sakramentshäuschens hat
man offensichtlich gründlich mit ihm aufgeräumt,

1 Fritz Geiges, Die ältesten „Abkontrafehtungen" der Stadt
Freiburg i. Br.; Schauinsland 11 (1884) S. 11.

2 Vgl. Münsterblätter 7, 26.

3 Vgl. Münsterblätter 6, 24.
1 Vgl. Münsterblätter 7, 28.

liehen Unternehmungen sich in schreienden Gegen-
satz zu setzen zu dem, was die Vorzeit geschaffen,
mußte ihm auch jenes im Kölner Dom, ein Pracht-
werk der Steinmetzkunst, zum Opfer fallen. Es
wurde 1768 in roher Weise zertrümmert und die

5 Vgl. F. Raible, Der Tabernakel einst und jetzt.
Herausgegeben von Dr. Engelbert Krebs. Freiburg 1908 S. 172.
 
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