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Münsterbau-Verein <Freiburg, Breisgau> [Hrsg.]
Freiburger Münsterblätter: Halbjahrsschrift für die Geschichte und Kunst des Freiburger Münsters — 13.1917

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Kempf, Friedrich: Heimsuchungen und Schicksale des Freiburger Münsters in Kriegsnot, durch Menschenhand und Feuersgefahr: II. Durch Menschenhand
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https://doi.org/10.11588/diglit.2399#0024
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20 Kempf, Heimsuchungen und Schicksale des Freiburger

strich zur ganzen Architektur und inneren Ausstat-
tung stund. Auch mittelalterliche Malereien, bild-
nerische, wie das die Krönung Maria darstellende
Gemälde am Triumphbogen1, und ornamentale, wie
die der Gewölbe, wurden überstrichen. Der geistlosen
verknöcherten Anschauung, alles hell und eintönig
zu sehen, war natürlich auch der farbige Fenster-
schmuck der Seitenschiffe hindernd im Wege. Des-
halb erlaubte man sich tiefe Eingriffe in dessen Be-
stand. Um dem Bedürfnis nach ausgiebiger Beleuch-
tung zu genügen, wurden gegen Ende des 18. Jahr-
hunderts aus den Fenstern, insbesondere die unteren
Felder mit Ausnahme der wappengeschmückten, her-
ausgenommen und durch farbloses Glas ersetzt. Den
Schlüssel zum Verständnis des Urteils und Ge-
schmacks jener Epoche gibt uns ein Zeitgenosse-,
der die verderblichen Einflüsse, denen die Glas-
gemälde ausgesetzt waren, in naiv urwüchsiger Weise
schildert und unter anderem sagt: „daß die uralten
Amausen oder Glasmalereien in Ruin zergangen, auch
meistens weilen diese gemalten Fenstren sehr finster,
schwer und tumm macheten." In diesen drei Worten
spiegelt sich deutlich das geistige Leben der Zeit,
der Geist der von Frankreich her eingeführten Auf-
klärung. Es ist uns heute ganz unverständlich, wie
solche Vorstellungen haben Platz greifen können.

Das Münster besaß einst, wie aus den alten
Inventarien und den Stiftungsurkunden hervorgeht,
einen großen Reichtum an Werken der Webe-
kunst aus mittelalterlicher Zeit, die wie vieles an-
dere von Adeligen, Patriziern und wohlhabenden
Bürgersleuten gestiftet waren. So haben, um nur
eine der vielen Schenkungen dieser Art zu erwähnen,
Junker Konrad und Maximilian Stürtzel im Jahre
1585 sieben Gobelins im Wert von 300 fl dem
Münster geschenkt5. Leider aber haben sich nur
wenige solcher Stücke auf unsere Tage herüber-
gerettet. Die bekannten Zeitverhältnisse lassen wohl
erkennen und machen es begreiflich, dass die meisten
dieser wertvollen farbigen Kunstgebilde, deren ge-
schichtliche Bedeutung und deren Wert man nicht
mehr zu würdigen und zu schätzen wusste, spurlos
verschwunden sind. Gelegentlich fanden wir unter
Lumpen, mit denen die Löcher für die Aufzugsseile
in den Gewölben verstopft sind, einen kleinen, an-
scheinend von einem heraldischen Teppich her-
rührenden Ausschnitt, gewiss eine untrügliche Tat-
sache dafür, wie schlimm es mit der Wertschätzung
solcher Dinge aussah. Die Teppiche veranschau-
lichten nicht nur rein religiöse, sondern auch welt-

1 Vgl. des Verfassers Aufsatz hierüber in dieser Zeit-
schrift 10, 1.

2 J. F. Geissingers Handschrift Nr. 498 der Universitäts-
bibliothek S. 74. Vgl. auch S. 43 dieses Heftes.

8 Münsterarchiv: Statutenbuch Bl. 72a.

ünsters in Kriegsnot, durch Menschenhand und Feuersgefahr

liehe Szenen. So heißt es 1513 Mai 15: „Item ein
hetdtsch werk gren tuch mit panthern, leuen und wilden
mannen gab der Kryssen von seiner frauen seligen
wegen uf den pfingsttag im 1513. jähr« *.

Wir müssen noch einmal auf die Altäre
zurückkommen. Aus der spätgotischen Zeit sind
außer dem Baldungschen Hochaltar (1512-1516),
dessen Aufbau wiederholt einschneidende Verände-
rungen erfahren hat5, nur noch drei Schnitzaltäre,
nämlich der Dreikönig-Altar und der St. Anna-Altar
an den östlichen Vierungspfeilern sowie der Locherer-
Altar in der gleichnamigen Chorkapelle, und diese
nicht in ihrer vollen Ursprünglichkeit, vorhanden.
Allerdings mögen es solcher auch nicht viel mehr
gewesen sein, denn die innere Ausstattung der Ka-
pellenräume, mit der es im Verlaufe des 16. Jahr-
hunderts langsam voranging, vollzog sich allmählich
mehr im Geschmack der Renaissance. Aber auch
die Altarwerke dieser neuen Kunstrichtung, über-
haupt der nachmittelalterlichen Zeit, mussten später,
teilweise zugunsten neuer Altäre, verschwinden. Das
ursprüngliche Gepräge der Kapellen-Ausstattungen,
wie sie der Opfersinn ihrer Stifter ihnen verliehen
hat, ist fast nirgends gewahrt geblieben.

Es ist recht bezeichnend und beweist jedenfalls,
welche Abneigung man damals gegen die Kunst der
Väter hatte und wie man überhaupt das Überlieferte
und durch die Geschichte Geheiligte schätzte und
liebte, wenn man in den Akten unterm 16. September
1758 liest, wie die Münsterfabrikverwaltung dem
Kloster St. Peter eine Reihe von Handschriften und
Wiegendrucken anbietet, „da solche der Fabrik weder
nutzen noch von andern zu Nutz gezogen werden, weilen
die mehrsten Gelehrten heute nach schönen, neuen
Büchern trachten, welche lustiger zu lesen und besser
zu verstehen seind." Am 15. September 1785 wurden
etliche alte abgenutzte Kelche, für Landpfarreien noch
brauchbar, verkauft und anderes eingetauscht. Man
kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass da-
bei manches Stück aus gotischer Zeit sich befand
und mit dem Münster verwachsen war, das auf
solche pietätlose Weise unwiederbringlich verloren

gegangen ist.

Eines Altarwerkes aus spätmittelalterlicher Zeit
ist hier besonders zu gedenken, weil es ein charak-
teristisches Beispiel darstellt, wie rücksichtslos man in
den Bestand eines reizvollen, harmonisch in sich ab-
gerundeten alten Werkes eingegriffen hat. Es ist ein dem
Ritter Johannes Schnewlin-Gresser zu Ehren für

* Münsterarchiv: Statutenbuch Bl. 62a.

> Leider hat man im Jahre 1833 unbegreiflicherweise ver-
schiedene Teile des alten Rahmenwerks der Gemälde, ,a selbst
die Hintergründe der beiden wappenhaltenden Engel an den
seitlichen Ausladungen der Predella und noch anderes, was
einst in Gold erglänzte, mit grauer Ölfarbe überstrichen.
 
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