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Münsterbau-Verein <Freiburg, Breisgau> [Editor]
Freiburger Münsterblätter: Halbjahrsschrift für die Geschichte und Kunst des Freiburger Münsters — 13.1917

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Kempf, Friedrich: Heimsuchungen und Schicksale des Freiburger Münsters in Kriegsnot, durch Menschenhand und Feuersgefahr: II. Durch Menschenhand
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https://doi.org/10.11588/diglit.2399#0041
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Kempf, Heimsuchungen und Schicksale des Freiburger Münsters in Kriegsnot, durch Menschenhand und Feuersgefahr 3"

Wiederherstellung, im Jahre 1854 wieder seiner
Zweckbestimmung im Münster zugeführt wurde. Es
ist ein ziemlich reich durchgebildeter Leuchter mit
plastisch figürlichen Teilen, nicht ohne künstlerischen
Wert. Zwei Reihen schön geschwungener Arme,
24 im ganzen, umschließen die über einer Kugel
stehende Doppelfigur, Maria mit Szepter und Kind,
in einander entgegengekehrter Stellung mit Strahlen-
kranz. Zwischen den unteren Armen ragen die Ge-
stalten der zwölf Apostel hervor. Ursprünglich hing
dieses Beleuchtungsgerät in der Vierung des Quer-
hauses. Wegen des dort herrschenden starken Luft-
zugs, der großen Wachsverbrauch verursachte, wurde
es im Jahre 1859, auf Anregung des Domkustos
Wanner, nach vorheriger Wiederherstellung der früher
einmal veränderten unteren Arme durch Gürtler
Erggelet, in den unteren Chor gehängt. Im Jahre
1870 ist dieser alte Kronleuchter in den oberen Chor
gehängt worden, weil ein zweiter von Gürtler Erg-
gelet neu gefertigter an seine Stelle gekommen ist.

Noch mancherlei wäre zu sagen, so z. B. was
zu Gunsten moderner Ausstattung dem Untergang
verfallen ist, ein Punkt, der früher schon gestreift
wurde, und was aus Unkenntnis und Unbedachtsam-
keit aus dem Münster entfernt wurde. Doch wir
müssen darüber hinweggehen, weil es zu weit führen
würde, auch hierüber sich näher auszulassen.

Wir sind am Ende unserer Ausführungen. Die
Zusammenfassung von Beispielen, was Menchen-
hand am Bau des Münsters und seiner Kunst
sich hat zuschulden kommen lassen, war keine er-
freuliche Aufgabe, deren Berechtigung indes nicht
erwiesen zu werden braucht. Verlohnend war sie
insofern, als dabei einige Bausteine geliefert werden
konnten, welche die Anregung zu weiterer Forschung
bieten dürften. Wie schon im Verlaufe der Dar-
legungen mehrfach hervorgehoben wurde, wollen
unsere kritischen Erörterungen aber keineswegs so
verstanden sein, als ob wir gegen die beteiligten
Zeitgenossen Vorwürfe oder gar Anklagen erheben
wollten. Handelt es sich doch in den meisten Fällen
um unbewußte Verfehlungen nach unserem Empfin-
den. Darum sind die guten Absichten bei ihren
baulichen Bestrebungen nicht anzuzweifeln. Die
Gefühls- und Anschauungsweise steht in engster
Verbindung mit dem Zeitgeschmack. Es liegt nun
einmal in der Natur des Menschen begründet, daß
jedes Geschlecht seinen subjektiven besondern Ge-
schmack hat, und daher auch sein häufiger Wechsel.
Diesem wird auch in Zukunft das Münster und
manches seiner Werke unterworfen sein.

Die Ausführungen erwiesen, daß der Bau und
seine Kunstdenkmäler im 19. Jahrhundert mehr ge-
schädigt wurden, als in der vorausgegangenen Zeit.

Die Ursache dieser Erscheinung haben wir bereits an-
gedeutet. Das Auge war trotz aller Begeisterung für
das Wahre der mittelalterlichen Kunst nicht genügend
geschärft und historisch geschult, der Blick allzusehr
auf das Äußerliche, nicht aber in die Tiefe gerichtet.
Dabei ist nicht zu vergessen, daß das handwerkliche
Können vergangener Zeiten nicht mehr oder wenig-
stens so, wie es nötig, vorhanden war.

Seit der in die 30er Jahre des 19. Jahrhunderts
fallenden Wiederbelebung der alten Freiburger Hütten-
tätigkeit bis zum Jahre 1854 blieb den Steinmetzen, es
waren deren nur zwei bis drei, auch die Entwürfe und
Werkzeichnungen für die Neuausführungen1 selbst
überlassen. Sie standen wohl unter einem Maurer-
meister, der ihnen aber keine Belehrung und An-
leitung erteilen konnte, sondern als Werkführer
lediglich die Aufsicht zu führen und die Löhne aus-
zuzahlen hatte. Bei dieser Sachlage erscheint es
begreiflich, dass die Auführungen so gut und so
schlecht ausfielen, wie es eben die Steinmetzen ver-
mochten, die völlig nach Willkür und freiem Belieben
arbeiten konnten. Ein Fortschritt war es, als im
Jahre 1854 die Großh. Bezirksbauinspektion mit der
Aufsicht und Leitung der Münsterarbeiten betraut
wurde. Im Jahre 1864 ging die Leitung an das Erz-
bischöfliche Bauamt über, wodurch die Sache des
Münsterbaus nach und nach eine weitere Förderung
erfuhr. Eine gründliche Wandlung der Verhältnisse
trat ein, als der Münsterbauverein im Jahre 1889
den berufenen Hütern des Baues, deren Kräfte selber
zu schwach sind, das gewollte Ziel zu erreichen, die
Sorge um seine Zukunft abgenommen hat. Dieser
betrachtet die Pflege und Bewahrung des Baues als
seine ausschließliche Lebensaufgabe, was der Sache
natürlich zu größtem Nutzen gereicht. Infolge seiner
von Jahr zu Jahr günstiger gewordenen wirtschaft-
lichen Lage war es möglich, immer größere Bau-
mittel auszuwerfen, weshalb der Hüttenbetrieb eine
schnelle Entwickelung genommen hat. Vor allem
konnte nunmehr das Raumbedürfnis für die Stein-
metzen durch Errichtung einer zweckmässigen neuen
Werkhütte befriedigt, die unentbehrlichen Räume
für die stetig sich mehrenden Gipsabgüsse und die,
früher unbeachtet gebliebenen, Originalskulpturen
sowie sonstige praktische Einrichtungen getroffen
werden2. Nachdem so das ganze Unternehmen auf
eine feste Grundlage gestellt und die Organisation
des Werkbetriebs (1910-1911) durch Heranziehung
geeigneten Personals und eines erprobten, zuver-

1 Es handelte sich damals um die Erhöhung der im Mittel-
alter nicht zur Vollendung gebrachten Chorstrebepfeiler durch
Fialenaufbauten, von denen oben die Rede war.

- Vgl. Fr. Kempf, Das Freiburger Münster, seine Bau- und
Kunstpflege (Karlsruhe i. B. 1914) S. 78 ff.
 
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