Schmitt, Das Heilige Grab im Freiburger Münster
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zurück, in erster Linie, um die seither nur flüchtig Plastik unmittelbarer Art sind, wie weit sie sich
gestreifte Datierungsfrage zu erledigen, dann um noch durch die gemeinsame Quelle Straßburg erklären
auf einige Ausläufer dieses charakteristischen Stiles lassen, das kann hier nicht entschieden werden,
hinzuweisen. Aber jedenfalls sind sie vorhanden, und sie sind
Die Entstehungszeit der vorbildlichen Straßburger sehr eng. Deshalb wird jede Untersuchung über
Statuen und des Heiligen Grabes daselbst ist durch schwäbische Plastik des 14. Jahrhunderts neben dem
die Regierung Bischof Bertolds von Bucheck (1328 Straßburger auch das Freiburger Münster berück-
bis 1353) und die Weihe der Kapelle (1349) einiger- sichtigen müssen, zumal hier viel erhalten ist, was
maßen sichergestellt. Closeners Bericht lässt darauf dort zugrunde ging. An dieser Stelle sei nur auf
schließen, dass der Bau des Bischofsgrabmals vor zwei Statuen im Stuttgarter Altertumsmuseum hin-
die Vollendung und Weihe der
Katharinenkapelle fällt, und Gran-
didier gibt, wie es scheint auf
Grund einer Stelle bei Königs-
hofen, das Jahr 1340 an41. Um
diese Zeit („gegen 1340") setzt
Dehio auch die Statuen der Katha-
rinenkapelle an, gewiss mitRecht42.
Eine ähnliche Stilstufe vertreten
die Propheten am Rottweiler Ka-
pellenturm, der (nach Hartmann13)
um 1330 begonnen wurde; das eng
verwandte Augsburger Nordportal
ist durch eine Inschrift auf 1343
datiert. Mit den Tympanen in
Rottweil und Augsburg zeigt aber
das Freiburger Heilige Grab,
trotzdem es an Qualität weit über
ihnen steht, so auffällige Ähnlich-
keiten, dass man dieselbe Zeit,
also rund 1340—50, annehmen
muss44. Vielleicht darf man unter
diesen Umständen die Statuen der
Katharinenkapelle und die Errich-
tung des Bischofsgrabes noch in
die letzten Jahre des vierten De-
zenniums setzen; der Stil würde
dem in keiner Weise widerspre-
chen, und auch die oben erwähnte,
nur schlecht verbürgte Angabe
Grandidiers wäre kein Gegen-
beweis. Wie weit die betonten
Abb. 23. Posaunenengel von einer Fiale
des Hanptturms.
gewiesen, die aus Murrhardt stam-
men und vermutlich ursprünglich
zu einer Kreuzigung gehörten.
Vielleicht führt ein Vergleich mit
den Engeln vom Freiburger Hei-
ligen Grab dazu, der augenblick-
lichen, etwas übertrieben gün-
stigen Beurteilung des schwäbi-
schen Meisters ein Ende zu ma-
chen43.
Doch noch anderer Verwandter
unseres Heiligen Grabes müssen
wir zum Schluss gedenken, Ver-
wandter am Freiburger Münster
selbst. So muss man wenigstens,
trotz ihres viel geringeren Wertes,
die Posaunenengel auf den Spitzen
der großen Turmfialen nennen.
Nur drei sind erhalten — der
vierte war, wie erwähnt, durch
den linken Engel vom Heiligen
Grab ersetzt worden — und auch
diese nur schwer beschädigt46;
ein einziger besitzt seinen alten
Kopf (Abb. 23). Am besten lassen
sie sich mit den beiden gerin-
geren Frauenfiguren der Tumba
vergleichen, doch ist ihre Stel-
lung noch haltloser geworden,
und das Gewand, an Motiven aller
Art noch reicher, strömt noch
müder und schlaffer zu Boden;
Beziehungen zwischen Freiburger und schwäbischer trotzdem ist die enge Verwandtschaft unverkennbar47.
Vermutlich sind sie wenig später als das Heilig-
dem spätgotischen heiligen Grab in Neuweiler i. E. in Verbin- grab entstanden, kurz vor oder gegen die Jahr-
dung mit der Auferstehung wieder. hundertmitte. Sollte ihre Aufstellung das Ende des
41 Essais historiques et topographiques sur 1 eglise Cathe-
drale de Strasbourg. Straßburg 1782 S. 50. Vgl. Königshofen,
Chroniken der deutschen Städte 9 S. 891.
12 G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler IV
S. 399.
13 P. Hartmann, Gotische Monumentalplastik in Schwaben.
München 1910 S. 5.
" Der Gewandstil ist vollkommen identisch, nur etwas
wilder und manieriert. Am Rottweiler Haupttympanon ein langer,
schmaler Christustyp, den man mit dem Freiburger Leichnam
wohl vergleichen kann. Sehr ähnlich auch die Engelsköpfe.
Freiburger Miinsierblätter XV.
4SJul. Baum bespricht sie in der Zeitschrift für bildende Kunst
N. F. 29 S. 8—9, an Hand von guten Abbildungen. Die Datierung
um 1320 ist entschieden zu früh. Wie man hier „die nämlichen
Stilelemente" wie am Halberstadter Lettnerkruzifix (um 1220!)
entdecken kann, ist mir unbegreiflich.
16 Jetzt sind alle heruntergenommen und durch Kopien
ersetzt.
17 Schmale, parallele Röhrenfalten, Saumspiel. Den Kopf
vgl. besonders mit der mittleren Maria auf dem Sarkophag.
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zurück, in erster Linie, um die seither nur flüchtig Plastik unmittelbarer Art sind, wie weit sie sich
gestreifte Datierungsfrage zu erledigen, dann um noch durch die gemeinsame Quelle Straßburg erklären
auf einige Ausläufer dieses charakteristischen Stiles lassen, das kann hier nicht entschieden werden,
hinzuweisen. Aber jedenfalls sind sie vorhanden, und sie sind
Die Entstehungszeit der vorbildlichen Straßburger sehr eng. Deshalb wird jede Untersuchung über
Statuen und des Heiligen Grabes daselbst ist durch schwäbische Plastik des 14. Jahrhunderts neben dem
die Regierung Bischof Bertolds von Bucheck (1328 Straßburger auch das Freiburger Münster berück-
bis 1353) und die Weihe der Kapelle (1349) einiger- sichtigen müssen, zumal hier viel erhalten ist, was
maßen sichergestellt. Closeners Bericht lässt darauf dort zugrunde ging. An dieser Stelle sei nur auf
schließen, dass der Bau des Bischofsgrabmals vor zwei Statuen im Stuttgarter Altertumsmuseum hin-
die Vollendung und Weihe der
Katharinenkapelle fällt, und Gran-
didier gibt, wie es scheint auf
Grund einer Stelle bei Königs-
hofen, das Jahr 1340 an41. Um
diese Zeit („gegen 1340") setzt
Dehio auch die Statuen der Katha-
rinenkapelle an, gewiss mitRecht42.
Eine ähnliche Stilstufe vertreten
die Propheten am Rottweiler Ka-
pellenturm, der (nach Hartmann13)
um 1330 begonnen wurde; das eng
verwandte Augsburger Nordportal
ist durch eine Inschrift auf 1343
datiert. Mit den Tympanen in
Rottweil und Augsburg zeigt aber
das Freiburger Heilige Grab,
trotzdem es an Qualität weit über
ihnen steht, so auffällige Ähnlich-
keiten, dass man dieselbe Zeit,
also rund 1340—50, annehmen
muss44. Vielleicht darf man unter
diesen Umständen die Statuen der
Katharinenkapelle und die Errich-
tung des Bischofsgrabes noch in
die letzten Jahre des vierten De-
zenniums setzen; der Stil würde
dem in keiner Weise widerspre-
chen, und auch die oben erwähnte,
nur schlecht verbürgte Angabe
Grandidiers wäre kein Gegen-
beweis. Wie weit die betonten
Abb. 23. Posaunenengel von einer Fiale
des Hanptturms.
gewiesen, die aus Murrhardt stam-
men und vermutlich ursprünglich
zu einer Kreuzigung gehörten.
Vielleicht führt ein Vergleich mit
den Engeln vom Freiburger Hei-
ligen Grab dazu, der augenblick-
lichen, etwas übertrieben gün-
stigen Beurteilung des schwäbi-
schen Meisters ein Ende zu ma-
chen43.
Doch noch anderer Verwandter
unseres Heiligen Grabes müssen
wir zum Schluss gedenken, Ver-
wandter am Freiburger Münster
selbst. So muss man wenigstens,
trotz ihres viel geringeren Wertes,
die Posaunenengel auf den Spitzen
der großen Turmfialen nennen.
Nur drei sind erhalten — der
vierte war, wie erwähnt, durch
den linken Engel vom Heiligen
Grab ersetzt worden — und auch
diese nur schwer beschädigt46;
ein einziger besitzt seinen alten
Kopf (Abb. 23). Am besten lassen
sie sich mit den beiden gerin-
geren Frauenfiguren der Tumba
vergleichen, doch ist ihre Stel-
lung noch haltloser geworden,
und das Gewand, an Motiven aller
Art noch reicher, strömt noch
müder und schlaffer zu Boden;
Beziehungen zwischen Freiburger und schwäbischer trotzdem ist die enge Verwandtschaft unverkennbar47.
Vermutlich sind sie wenig später als das Heilig-
dem spätgotischen heiligen Grab in Neuweiler i. E. in Verbin- grab entstanden, kurz vor oder gegen die Jahr-
dung mit der Auferstehung wieder. hundertmitte. Sollte ihre Aufstellung das Ende des
41 Essais historiques et topographiques sur 1 eglise Cathe-
drale de Strasbourg. Straßburg 1782 S. 50. Vgl. Königshofen,
Chroniken der deutschen Städte 9 S. 891.
12 G. Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler IV
S. 399.
13 P. Hartmann, Gotische Monumentalplastik in Schwaben.
München 1910 S. 5.
" Der Gewandstil ist vollkommen identisch, nur etwas
wilder und manieriert. Am Rottweiler Haupttympanon ein langer,
schmaler Christustyp, den man mit dem Freiburger Leichnam
wohl vergleichen kann. Sehr ähnlich auch die Engelsköpfe.
Freiburger Miinsierblätter XV.
4SJul. Baum bespricht sie in der Zeitschrift für bildende Kunst
N. F. 29 S. 8—9, an Hand von guten Abbildungen. Die Datierung
um 1320 ist entschieden zu früh. Wie man hier „die nämlichen
Stilelemente" wie am Halberstadter Lettnerkruzifix (um 1220!)
entdecken kann, ist mir unbegreiflich.
16 Jetzt sind alle heruntergenommen und durch Kopien
ersetzt.
17 Schmale, parallele Röhrenfalten, Saumspiel. Den Kopf
vgl. besonders mit der mittleren Maria auf dem Sarkophag.
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