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geschichte des Herrenhauses. Wenn dies in der Tat erreicht wurde, so bedurfte es dazu einer besonders
sorgfältigen Grabungstechnik. Mit ihrer Hilfe ließ sich der Grundriß in sechs Bauperioden auflösen.
Außer dem Herrenhaus wurden weitere 11 Gebäude, d. h. alle Anlagen des Gutshofes, ermittelt;
neben einem Wohnhaus für das Gesinde Anlagen für den landwirtschaftlichen Betrieb, wie Trocken-
speicher, massive und offene Scheunen, Schuppen, Getreidespeicher und Ställe für Vieh. Es ist
also verfehlt, solche Anlagen Villen zu nennen; es sind vielmehr Bauern- und Gutshöfe gewesen.
Im vorliegenden Falle handelt es sich um eine Anlage mittlerer Größe.
Vom aufgehenden Mauerwerk war meist nichts mehr erhalten. Doch kam eine Reihe von
Architekturteilen zum Vorschein, die es ermöglichten, der Frage nach dem ehemaligen Aussehen
der Anlage mit Erfolg nachzugehen. Regierungsbaurat Dr. Mylius (Koblenz), der auf diesem Sonder-
gebiet besonders eingehend gearbeitet hat, schuf die Unterlagen für die modellmäßige Wiederher-
stellung sowohl des Herrenhauses wie des gesamten Gutshofes und hat einige der landwirtschaft-
lichen Gebäude im Bilde wiederhergestellt.
Die sorgsame Durchforschung der gesamten Gutshoffläche führte darüber hinaus noch zu einer
ganzen Reihe weiterer Feststellungen. Außer der Umfassungsmauer wurden Reste von Verbindungs-
wegen angetroffen. Über die innere Ausstattung — vor allem des Herrenhauses — unterrichten
uns Reste von Mosaiken, zahlreiche Stücke geschliffener Marmorplatten ausschließlich einheimischer
Herkunft; ferner viele Hunderte Bruchstücke von ornamentalen und figürlichen Wandmalereien
aus denen eine ganze Wand wiederaufgebaut werden konnte.
Zu wichtigen Ergebnissen führte die Frage nach der Art der Wasserversorgung, die durch
Ziehbrunnen von 20 m Tiefe erfolgt ist. Es sind ihrer im ganzen sieben gefunden worden, die nicht
gleichzeitig, sondern nach und nach entstanden sind. Sie sind durch Verschalen und Ausschachten
bis zur Sohle gebaut worden, wobei die auszuschachtende Fläche verschieden groß gewählt wurde:
quadratisch, sechs- und achteckig. Nach erfolgter Ausschachtung wurde der eigentliche runde
Brunnenkranz ohne Mörtel hochgeführt und die Flächen ringsum wieder verfüllt. Auch eine sorg-
fältige Entwässerung fehlte nicht. Sie führte die Abwässer einer großen Mulde im Boden zu, in der
wir wohl den ‘Ententeich’ der heutigen Güter erblicken dürfen. Im Nordosten des Herrenhauses
konnte auch die Dachtraufe nachgewiesen werden.
In einem so stattlichen Betrieb fehlte es natürlich nicht an Schuttstellen, an Abfallgruben
und Abortanlagen, in denen unbrauchbar gewordenes Material abgelagert wurde, das uns heute
ein wichtiger Anhalt für Datierungsfragen ist.
Besonders wichtig war die Auffindung zweier zu der Anlage gehöriger Grabfelder: einmal
61 Brandgräber, die östlich außerhalb der Umfassungsmauer und der landwirtschaftlichen Gebäude
lagen, also wohl vom Gesinde des Gutshofes herrühren. Sie reichen etwa von claudischer Zeit bis an
das Ende des 2. Jahrhunderts. Die Asche war zumeist frei auf den Boden geschüttet, nur selten in
Urnen geborgen; vielfach wiesen diese sogenannte Seelenlöcher auf. Sodann wurden sechs große
steinerne Sarkophage entdeckt, nordwestlich des Herrenhauses und noch innerhalb der Umfassung
gelegen, d. h. wohl von Angehörigen des Besitzers herrührend. Alle Behälter waren bereits in früherer
Zeit beraubt und sogar z. T. zerstört, was darauf hinweist, daß die Grabstätten irgendwie äußerlich
kenntlich gewesen sein müssen. Es ließ sich durch Auffindung von Steinen im nahen fränkischen
Gräberfeld noch nachweisen, wer die Grabräuber gewesen sind: Franken des 6. Jahrhunderts. Trotz
der Beraubung blieben wichtige Funde erhalten; hier war außerhalb der Särge eine große Anzahl
von z. T. kostbaren Beigaben sorgfältig aufgestellt, unter denen sich auch zweifellos Christliches
befindet. Es sind Überbleibsel großer Leichenschmäuse. Einmal wurden Beigaben unter dem
Boden eines Sarges beobachtet, wohl aus irgendeinem Aberglauben an Erdgeister heraus veranlaßt.
Dasselbe dürfte zutreffen für Köpfe von Feldspitzmäusen, die in einer Glasflasche angetroffen wurden.
Von Interesse sind schließlich die Ausführungen über die sorgfältig gesammelten Tierknochen,
die wir M. Hilzheimer (Berlin), verdanken (vgl. Anhang II). Hervorzuheben ist dabei der Nachweis
von Dachshunden und vor allem der Hauskatze, deren Vorkommen im römischen Deutschland
dadurch bis ins 4. Jahrhundert hinaufgerückt wird.

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