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Friedländer, Max J.; Perls, Hugo
Über die Malerei — München: Bruckmann, 1963

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https://doi.org/10.11588/diglit.51055#0071
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Pinakothek befindet. Wahrscheinlich auf der Reise nach Italien, in den
Voralpen, ist ihm eine Aufnahme des Geländes geglückt, die an Natur-
wahrheit und schlichter Unmittelbarkeit alles übertrifft, was zu gleicher
Zeit von den berufsmäßigen Landschaftsmalern, etwa von Gassel, geschaf-
fen wurde. Als Zeichner für den Holzschnitt daran gewöhnt, das Wesent-
liche im Figürlichen auszusprechen, verzichtet er, den Schauplatz im Ge-
mälde gestaltend, auf sensationelle Motive.
In den Niederlanden können wir allenfalls das Keimen und Erblühen der
Landschaft als einen geschichtlichen Vorgang verfolgen, werden minde-
sten angeregt, es zu versuchen; vor der süddeutschen Produktion streckt
der Historiker die Waffen. In der Nähe der Alpen und längs der Donau
setzen mit erregender Plötzlichkeit Vorstöße ein zu Ergebnissen, die uns als
zeitlose Äußerungen berühren. Der Isenheimer Altar Grünewalds und
Dürers Landschaftsaquarelle ragen als geniale Ausnahmen über die Linie
des historischen Ablaufs, aber Altdorfer, Wolf Huber, Cranach in seiner
Frühzeit und der jüngere Frueauf waren keine genialen Bahnbrecher, und
dennoch traten sie der landschaftlichen Natur unbefangen gegenüber, mit
einem Blick, der in merkwürdig geringem Grade von Konvention, von
Zeitstil eingeengt war. Der Basler Konrad Witz bietet 1444 in dem wun-
derbaren Fischzug, einem Flügel des Genfer Altares, die topographische
genaue Ansicht des Gebirgsufers am Genfer See. Der jüngere Frueauf bil-
det i5O7(?) im Leopoldsaltar zu Klosterneuburg überzeugend naturwahre
Ansichten der dort gegebenen Örtlichkeit. Wolf Huber zeichnet 1510 das
Bergprofil am Mondsee bei Salzburg. Altdorfer malt zwei Landschaften, die
frei von Staffage erscheinen, und greift instinktsicher zur Ätzung, um in
einer Reihe von Drucken reine Landschaften darzustellen. Er erfaßte das
landschaftliche Gesamt beharrend auf einem Standpunkt, zu welcher
Stellungnahme die Niederländer erheblich später gelangten. Ein bedeu-
tungsvolles Merkmal für diesen Unterschied ist der Horizont, den Altdorfer
tief legt, während die gleichzeitigen Niederländer ihn mehr oder weniger
hoch legen.
Dieser Ausbruch der Naturliebe ist örtlich und zeitlich eng begrenzt, er
versiegt rasch, wie denn schöpferische, jugendliche Naivität durch Berufs-
pflicht und handwerkliche Routine getötet wird oder im hellen Lichte der
Erkenntnis verdorrt.
Verglichen mit dem Vorgang in Süddeutschland, einem sprunghaften, lau-
nenhaften und dramatischen, vollzieht sich das Geschehen in den Nieder-
landen schrittweise, folgerichtig, im epischen Nacheinander.
Matthys Cock war der älteste Sohn von Jan Wellens de Cock, dessen Person -

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